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Schnabelwale: Wie ein Vogel fast den Nachweis eines mysteriösen Wals verhinderte

Japanische Schnabelwale kannte man bislang nur von angeschwemmten toten Tieren. Die erste Lebendsichtung gelang dank eines mysteriösen Geräuschs aus den Tiefen des Meeres.
Ein Wal schwimmt knapp unter der Wasseroberfläche im offenen Meer. Der Rücken des Wals ist sichtbar und weist mehrere weiße Flecken und Linien auf. Das Wasser ist ruhig und reflektiert das Licht, wodurch eine sanfte, wellenartige Textur entsteht.
Ein Japanischer Schnabelwal dreht sich an der Wasseroberfläche, bevor er wieder abtaucht. Die weißen Flecken sind vernarbtes Gewebe: Hier haben Zigarrenhaie Stücke aus dem Wal gebissen.

Im Jahr 1958 beschrieben Wissenschaftler einen Meeressäuger namens Japanischer Schnabelwal (Mesoplodon ginkgodens), der über 66 Jahre hinweg nur sehr selten und dann ausschließlich als totes Strandgut gesichtet werden konnte: Wie viele seiner Verwandten aus der Gruppe der Schnabelwale blieb er ein Mysterium für die Forschung. Dann gelang endlich einem Team um Elizabeth Henderson vom Naval Information Warfare Center Pacific (NIWC) in San Diego der erste Nachweis lebender Tiere, wie die Gruppe berichtet – unter besonderen Umständen. 

Henderson und Co befanden sich 2024 auf einer Expedition nordwestlich der Küste von Baja California, um dort einem wahrscheinlich der Echolokation dienenden Geräusch nachzugehen, das als BW43 bezeichnet wird. BW43 konnte keiner bekannten Tierart zugeordnet werden, aber Biologen vermuteten schon lange, dass es von Schnabelwalen stammen könnte. Da es verglichen mit anderen Regionen im Pazifik vor Baja California vermehrt auftritt, suchte Hendersons Gruppe dort ab 2020 intensiv und mithilfe von Hydrofonen und optischen Sichtgeräten nach der potenziellen Quelle von B43.

Erst im fünften Anlauf hatten die Forscher Glück: Sie sichteten zwei Schnabelwale, denen B43 zugeordnet werden konnte. Die Bestimmung gestaltete sich jedoch schwierig, da die Tiere immer wieder abtauchten. Der verwandte Perrin-Schnabelwal (Mesoplodon perrini) sieht dem Japanischen Schnabelwal ähnlich und konnte ebenfalls noch nicht lebend nachgewiesen werden. Der beteiligte Biologe Robert Pitman von der Oregon State University in Newport feuerte deshalb einen modifizierten Pfeil auf einen der Wale ab, um dadurch eine Gewebeprobe für die DNA-Bestimmung zu gewinnen.

Doch das wäre fast schiefgegangen: Als die Crew die Gewebeprobe an Bord holen wollte, landete ein hungriger Albatros daneben und begann nach dem guten Stück zu schnappen. Wie die Biologen dem »Guardian« erzählten, begannen sie panisch zu schreien; und manche warfen sogar ihre Frühstücksbrote in Richtung Vogel, um ihn abzulenken – immerhin mit Erfolg. Haut und Gewebe konnten geborgen und ins Labor gebracht werden, wo die genetische Untersuchung den Japanischen Schnabelwal schließlich bestätigte: den ersten lebenden Nachweis der Art.

Die Studie zeigt, dass die Spezies tatsächlich einen Verbreitungsschwerpunkt vor der mexikanisch-kalifornischen Pazifikküste haben könnte: Hydrofone zeichnen hier regelmäßig B43 auf. Bisher hatte man Strandungen in dieser Region auf verirrte Tiere oder Durchzügler zurückgeführt, die aus ihrem vermuteten Hauptverbreitungsgebiet auf der anderen Seite des Ozeans abgewandert waren. 

Kopf des Japanischen Schnabelwals | Den Wissenschaftlern gelangen auch erste Bilder der geheimnisvollen Walart, über die sehr wenig bekannt ist. Ihr Name leitet sich von der besonderen Schnauze der Tiere ab.

Für Pitman geht die Suche weiter, wie der »Guardian« schreibt: Der Biologe hat 90 der 94 bekannten Walarten der Erde lebend gesehen. Der Perrin-Schnabelwal könnte von den verbliebenen Spezies aber die schwierigste sein, vermutet er. Es gibt lediglich sechs bekannte Strandungen, alle an der kalifornischen Küste. Doch alle waren so stark verwest, dass der Biologe ihre Heimat weit entfernt davon vermutet. Nur wo, ist ihm völlig unklar. 

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  • Quellen
Henderson, E. at al., Marine Mammal Science 10.1111/mms.70052, 2025

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