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Biochemie: Schnappschüsse vom molekularen Postversand

Die meisten Proteine haben in einer Zelle einen ganz genauen Bestimmungsort, an dem sie ihre Funktion ausüben. Doch wie gelangen sie dorthin? Mittels Kryo-Elektronenmikroskopie und Einzelpartikelanalyse gelang es Forschern nun, die Struktur einer daran beteiligten "molekularen Maschine" sichtbar zu machen.
Nach neuen Erkenntnissen aus der Genom- und der biologischen Strukturforschung wird immer deutlicher, dass die meisten Proteine in der Zelle nur im Verbund mit anderen Proteinen als so genannte "molekulare Maschinen" ihre eigentlichen Funktionen ausüben können. Molekulare Maschinen – wie etwa das Ribosom – besitzen nicht nur einen äußerst komplexen Aufbau, sie unterliegen auch einer komplizierten Regulation bei ihrem Betrieb. Die zentrale Frage, wie die einzelnen Partner dabei zusammenarbeiten, damit die jeweiligen Körperfunktionen reibungslos ablaufen können, ist daher eine der großen Herausforderungen in der modernen Strukturbiologie.

Die Sortierung von Proteinen ist ein essenzieller Schritt bei der Genexpression aller Organismen, von den Bakterien bis hin zum Menschen. Von entscheidender Bedeutung ist das Sortieren bei der Biosynthese von sekretorischen Proteinen, also Proteinen, die später aus der Zelle ausgeschleust werden, wie etwa Antikörper, sowie von Membranproteinen, wie etwa Rezeptoren für neuronale Botenstoffe und andere Signalmoleküle. Etwa dreißig Prozent aller Proteine in Genom von eukaryotischen Zellen sind entweder sekretorische oder Membranproteine. Die Mehrzahl dieser Proteine wird bereits während ihrer Biosynthese in einem Mechanismus sortiert, den man als kotranslationale Translokation bezeichnet.

Besonders wichtig ist dabei ein molekularer Komplex, der aus einem aktivem Ribosom, also einer Protein-Synthese-Maschine der Zelle, sowie einem Signalerkennungspartikel (engl. signal recognition particle, SRP) und dem entsprechenden Rezeptor gebildet wird. Die Struktur dieses molekularen Komplexes aufzuklären, ist nun Roland Beckmann und seinem Wissenschaftlerteam von Charité, Universität Heidelberg und Max-Planck-Institut für molekulare Genetik gelungen. Es zeigte sich, dass bei der Interaktion der drei Proteine spezielle Bindestellen am Ribosom zugänglich werden, die ein Ankoppeln an einen weiteren Proteinkomplex ermöglichen, der das Durchschleusen der neu produzierten Proteine durch die Membran übernimmt.

Umlagerung | Die Umlagerung von SRP am Ribosom exponiert die Translokon-Bindungsstelle.
Schlüsselelement für die Funktionsweise dieser molekularen Maschine ist eine Signalsequenz, die sich am N-terminalen Ende der zu sortierenden Proteine befindet. Diese Sequenz fungiert quasi als "Postleitzahl" in der Zelle. Das Signalerkennungsprotein (SRP) liest diese Sequenz, sobald sie das Ribosom am Anfang einer gerade neu-gebildeten Proteinkette verlässt. SRP bindet an das Ribosom und leitet dieses unter Beteiligung des SRP-Rezeptors zum so genannten Translokon-Komplex in der Membran des endoplasmatischen Reticulums (ER). Dieser Komplex wiederum besteht aus einem "proteinleitenden Kanal" und weiteren Membranproteinen. Das Ribosom wird am Translokon verankert und fährt erst dort mit der Proteinbiosynthese fort, wobei die neue Proteinkette dann entweder durch die Membran des endoplasmatischen Reticulums transportiert (Translokation) oder in diese selbst eingebaut wird.

Hierbei ist bemerkenswert, dass das Ribosom nicht mehr an das Translokon binden kann, sobald es SRP gebunden hat. Hierzu benötigt es die Unterstützung des SRP-Rezeptors, der das Ribosom von SRP auf das Translokon überträgt. Die nun aufgeklärte Struktur des Komplexes zeigt, wie der Rezeptor mit dem Ribosom bzw. SRP interagiert und hierbei Teile des SRP-Moleküls vom Ribosom verdrängt. Erst auf diese Weise werden spezifischen Bindestellen am Ribosom für das Translokon zugänglich. Die Aufklärung dieses Schrittes ist ein wichtiger Baustein zum Verständnis, auf welche Weise die komplizierte Expression von sekretorischen beziehungsweise Membranproteinen in der Zelle funktioniert.

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