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News: Schnelle Zellen lassen ihre Muskeln spielen

Eine Extraportion des Proteins beta-Actin kann Muskelzellen ganz schön auf Trab bringen. Die aufgerüsteten Stammzellen, aus denen sich Muskelzellen entwickeln, wandern mit der doppelten Geschwindigkeit zu Orten, an denen das Muskelgewebe einer Erneuerung bedarf. Die temporeichen Zellen könnten unser Verständnis über die selbstständige Regeneration nach Verletzungen erhöhen, und warum sie in manchen Fällen ausbleibt - wie bei der Muskeldystrophie.
Wenn man es beim Sport übertreibt, rächt sich dies blitzschnell mit steifen, übersäuerten Muskeln. Doch während man selbst mit einem Muskelkater träge auf der Couch liegt, arbeitet eine Gruppe von Stammzellen auf Hochtouren. Die Myoblasten, aus denen sich die Muskelzellen entwickeln, treten in Aktion. Sie wandern in das verletzte Gewebe ein und teilen sich hier, um die beschädigten Zellen zu ersetzen. Doch sehr eilig haben sie es bei ihrer Arbeit nicht. Gemächlich kriechen sie mit einer Geschwindigkeit von weniger als einem Tausendstel Millimeter pro Sekunde dahin. Doch die Zellen können auch schneller.

Allerdings brauchen sie dazu Hilfe von außen, wie das Team von Michelle Peckham zeigen konnte. Die Wissenschaftler der University of Leeds entwickelten einen Stamm von Muskelzellen, die sich in doppelter Geschwindigkeit bewegen können. Dazu gewannen sie Myoblasten aus jungen Mäusen und injizierten in die Zellen eine zusätzliche Kopie des Muskelproteins beta-Actin, das in Muskelzellen zur Kontraktion beiträgt. Anschließend filmten die Forscher die zufällige Bewegung der aufgerüsteten Zellen über den Zeitraum von 20 Stunden. Hierbei zeigte sich die temporeiche Wirkung der zusätzlichen Kopie: In doppelter Geschwindigkeit flitzten die Zellen umher. "Die sich bewegenden Zellen sind abgerundeter und schießen mehr umher", beobachtete Peckham.

Doch worauf beruht der Geschwindigkeitsrausch? Myoblasten bewegen sich mit Hilfe kleiner Finger vorwärts, die sie zuerst in die gewünschte Richtung vorstrecken, bevor sie mit dem ganzen Zellleib hinterher rutschen. In diesen Lamellipoden wiederum setzen sich Untereinheiten des Muskelproteins beta-Actin zu funktionsfähigen Filamenten zusammen und sorgen so für eine kontraktierende Bewegung der dünnen Richtungsweiser. Und aufgerüstete Zellen strecken ihre Finger schneller vor als normale Myoblasten, kommen somit schneller vom Fleck. Erstaunlicherweise sind die Zellen sogar dann flinker, wenn sie eine Mutation im beta-Actin haben, die ihren Filamentaufbau verlangsamt. Demnach muss ein zweiter Mechanismus – die Kontraktion – beteiligt sein. Erst durch die Verbindung des Actins mit einem zweiten Protein, dem Myosin, kann Flüssigkeit in den Finger gepresst werden. "Es ist wie beim Drücken einer Zahnpastatube. Man muss in der Mitte drücken, um es am Ende heraus zu zwingen", erklärt Peckham. "Dies ist ein guter Beweis, dass Kontraktion ein wichtiger Teil der normalen Zellbewegung ist."

Das Verständnis um die Myoblasten-Bewegung könnte nach Ansicht der Forscher wichtige Erkenntnisse zur Muskelregeneration liefern. Die bisherigen Versuche einiger Arbeitsgruppen, arbeitende Muskelstammzellen in Mäuse zu injizieren, waren nicht sehr erfolgreich. Denn der Muskel ist das größte Organ des menschlichen Körpers. Wie soll man alle Stellen erreichen, an denen Zellen zur Regeneration gebraucht werden? Eine Möglichkeit wäre das Aufrüsten der Myoblasten, um ihnen Beine zu machen.

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