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News: Schnelles Schlusslicht

Bewegen sich geladene Teilchen sehr schnell durch Materie, dann strahlen sie ein bläuliches Licht ab - die Tscherenkow-Strahlung. Die Richtung, in der sie das tun, ist dabei jedoch längst nicht so festgelegt, wie man bislang glaubte.
Photonischer Kristall
Es war in den dreißiger Jahren, als dem russischen Physiker Pawel Tscherenkow erstmals jene mysteriöse blaue Leuchterscheinung in Lösungen radioaktiver Salze auffiel. Schon drei Jahre nach der Entdeckung lieferten seine russischen Kollegen Igor Tamm und Ilja Frank eine Erklärung für das Phänomen: Elektrisch geladene Teilchen, die sich schneller als das Licht bewegen, rufen den bläulichen Schein hervor. Schneller als das Licht – wie soll das gehen, wo doch die Lichtgeschwindigkeit der Natur ein universelles Tempolimit auferlegt?

Tatsächlich ist das auch nur in Materie möglich, denn hier fällt die Geschwindigkeit des Lichts geringer aus als im Vakuum. So können sehr schnelle Teilchen tatsächlich Licht überholen. In Analogie zu Überschallbewegungen, bei denen ein lauter Knall vom Durchbruch der Schallmauer kündet, sendet das Elementarteilchen bei Erreichen der Lichtgeschwindigkeit eben jenes bläuliche Licht in Bewegungsrichtung aus – so zumindest die damals anerkannte Theorie.

Mittlerweile, mehr als vierzig Jahre nachdem die drei Wissenschaftler für ihre Arbeiten zu der nach Tscherenkow benannten Leuchterscheinung den Nobelpreis für Physik erhielten, weiß man, dass längst nicht nur überlichtschnelle Teilchen jene Strahlung emittieren. Und selbst die Abstrahlung in Bewegungsrichtung scheint keine ehernes Gesetz zu sein, glaubt man Chiyan Luo und seinen Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology im amerikanischen Cambridge.

Die Physiker berechneten nämlich, dass sich die Tscherenkow-Strahlung in so genannten photonischen Kristallen sowohl nach vorne – also in Bewegungsrichtung – als auch nach hinten ausbreiten kann. Photonische Kristalle sind Materialien, die von einem regelmäßigen Muster aus Poren durchzogen sind. Durch diese kristallartige Struktur und den Wechsel im Brechungsindex entsteht ein optisches Pendant zum Halbleiter – ein Material also, dass nur Licht bestimmter Wellenlängen hindurch lässt.

Und auch auf die Tscherenkow-Strahlung hat das vielseitige Material offensichtlich seine Wirkung: Während ein Teilchen, das sich mit einem Zehntel der Lichtgeschwindigkeit bewegt, noch gleichmäßig in alle Richtungen abstrahlt, scheint es bei 30 Prozent vor allem nach hinten und erst ab 60 Prozent der Geschwindigkeit des Lichts nach vorne. Der Einfachheit halber hatten die Forscher ihre Simulationen anhand von zweidimensionalen photonischen Kristallen durchgeführt. Die Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass sich ihre Ergebnisse auf reale, dreidimensionale Materialien übertragen lassen.

Demnach sollte ein geladenes Teilchen pro Zentimeter Wegstrecke zwischen zehn und 200 Photonen emittieren – bei überlichtschnellen Teilchen sind es einige Hunderte. Doch auch die spärliche Photonenausbeute bei geringen Geschwindigkeiten wäre mit heutigen Methoden nachzuweisen, davon sind die Forscher überzeugt. Sollte ein entsprechendes Experiment gelingen, dann könnten photonische Kristalle in Zukunft sicherlich auch dazu beitragen, die Empfindlichkeit von Teilchendetektoren zu verbessern. Denn mit herkömmlichen Tscherenkow-Detektoren lassen sich keine Teilchen nachweisen, die langsamer als Licht sind.

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