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Späte Altsteinzeit: Schon vor 15 000 Jahren legten Künstler den goldenen Schnitt an

Schieferplatten Gönnersdorf

Wenn Künstler ein besonders ästhetisches Werk anfertigen wollen, dann richten sie die Proportionen ihres Motivs häufig nach den Regeln des goldenen Schnitts aus. Alexandra Güth vom Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution (MONREPOS) konnte nun zeigen, dass diese Tradition offenbar älter ist als bisher angenommen: Mit Hilfe von neuen Untersuchungsmethoden entdeckte die Forscherin, dass schon die Schöpfer von mehr als 15 000 Jahre alten Schiefergravierungen den goldenen Schnitt nutzten.

Gönnersdorf ... | ... erwies sich als fruchtbarer archäologischer Fundplatz. Bereits in den 1970er Jahren entdeckten Forscher hier zahlreiche gravierte und ungravierte Schieferplatten dicht an dicht, die rund 400 Frauen- und 270 Tiermotive zeigen.

Die Kunstwerke aus der späten Altsteinzeit stammen aus Gönnersdorf im rheinland-pfälzischen Neuwied, das sich bereits in den 1970er Jahren als reicher Fundplatz herausstellte. Damals stießen Forscher auf zahlreiche Schieferplatten mit Ritzzeichnungen. Etwa 400 davon zeigen Frauenfiguren und rund 270 Tiere wie Pferde, Vögel oder Mammuts.

Jetzt, rund 40 Jahre später, erfasste Alexandra Güth die Gravuren mit einem 3-D-Scanner und fertigte so hochauflösende digitale Bilder an, die neue Details der Zeichnungen zum Vorschein brachten. Zudem vermaß die Forscherin die Längen und Tiefen der einzelnen Linien und bestimmte deren Proportionen, um daraus objektive Bewertungskriterien für die steinzeitlichen Kunstwerke abzuleiten.

Auf Schieferplatte 59 ... | ... ist etwa ein nach links gewendeter Pferdekopf zu sehen. Gut erkennen lassen sich Auge, Nüstern und Behaarung des Tieres.

Und tatsächlich ergab sich dabei, dass beispielsweise diejenigen Pferdedarstellungen, die wir auch heute noch als schön empfinden, den Regeln des goldenen Schnitts folgen. Die entsprechenden Exemplare unterschieden sich auch durch ihre Linienführung deutlich von den weniger gelungenen Zeichnungen: An einigen Stellen zog der Zeichner die Konturen mehrfach nach, um die Proportionen harmonischer zu gestalten.

"Unser Sinn für Ästhetik hat sich offenbar über fast 18 000 Jahre nicht verändert", schlussfolgert Alexandra Güth. "Was wir heute als schön und harmonisch empfinden, wurde auch damals schon so beurteilt." Zudem deute ihr Ergebnis darauf hin, dass es bereits spezialisierte Künstler gab. Die bemerkenswerte Zahl an gravierten Schieferplatten spreche auch dafür, dass diese Tätigkeit in der Altsteinzeit gesellschaftlich sehr angesehen war.

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