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Kohlenstoffkreislauf: Schont Schneeschmelze das Klima?

Die Suche nach den Wechselwirkungen zwischen dem globalen Klima und den Lebewesen der Erde gleicht dem Gang durch einen Irrgarten: Gestern noch sollten wärmere Winter die Treibhausspirale weiter anheizen, heute behaupten Forscher genau das Gegenteil.
Schnee
Die Bergwälder der nördlichen Hemisphäre gelten als enorme Kohlenstoffspeicher. So bauen die Pflanzen im Sommer Kohlendioxid (CO2) in ihren Körper ein und entziehen es dadurch für längere Zeit dem Kohlenstoffkreislauf. In den dunklen Nordwintern sinkt die Leistung der lebenden Solarkraftwerke zwar drastisch, und die nächtliche Atmung macht bis zur Hälfte des sommerlichen Speichererfolgs wieder wett. Insgesamt überwiege aber der Speicher-Effekt, dachte man lange Zeit.

Doch inzwischen entpuppten sich die Wälder der sibirischen Taiga und tropische Regenwälder durchaus als Quelle des Treibhausgases. Bodenorganismen, die organischen Kohlenstoff abbauen, spielen dabei eine bedeutende Rolle.

Russell Monson und seine Kollegen von der Universität von Colorado interessierten sich nun für den Einfluss der Schneedecke auf den CO2-Ausstoß in den Bergwäldern der Rocky Mountains. Schließlich könnte sie als Wärmedämmung einen Einfluss auf die von der Temperatur abhängigen Stoffwechselprozesse der Mikroorganismen in den Böden haben.

Also vergruben sie in der Forschungsstation Niwot Ridge vor dem winterlichen Schnee-Einbruch elf Luftkammern im Boden und befestigten später noch drei andere unmittelbar über der Schneedecke. Weitere Sensoren waren auf dreißig Meter hohen Türmen installiert. Über sechs Jahre zeichneten die Forscher CO2-Gehalt, Luft- und Bodentemperatur auf.

Klima-Messturm | Keine Handy-Antennen, sondern CO2-Sensoren sind an diesen Türmen augebracht. Mit weiteren Sensoren im Boden und unmittelbar über der Schneedecke rekonstruieren Ökosystemforscher die CO2-Stoffflüsse nordamerikanischer Wälder.
Überrascht stellten sie fest, dass die Menge des Klimagases über der Schneedecke weit höher lag als vermutet: Sie übertraf Messergebnisse über schneefreien Waldböden um mehrere Größenordnungen. Außerdem hing der CO2-Gehalt zu Frühlingsbeginn nicht von der Lufttemperatur ab, sondern von der des Bodens.

Letzteres führen Monson und seine Kollegen auf die jeweilige Schneehöhe zurück. Deren wärmedämmende Wirkung lässt mit abnehmender Dicke nach, und die Bodentemperaturen sinken. Damit wird es den Bodenorganismen in den eisigen Nordwintern schlicht zu kalt: Sie schränken ihren Stoffwechsel ein und produzieren entsprechend weniger CO2.

Ein weiterer Auslöser könnte das bei frostigen Temperaturen geringere Wasserangebot sein, das im Bodenstoffwechsel als unverzichtbares Transport- und Lösungsmittel gebraucht wird. Der beobachtete Effekt dürfte den Forschern zufolge an vielen Orten der Erde auftreten, wo sich die Schneemassen kontinuierlich zurückziehen – also auch in Nordeuropa.

Wirken wärmere Winter also kühlend auf das Klima? Nur bedingt, dämpft Monson vorzeitige Hoffnungen. Die CO2-Speicherung sei nur sehr gering und wird zudem durch einen anderen Effekt überkompensiert: Mit dem früheren Rückgang der Schneedecke geht den Pflanzen auch das lebensspendende Schmelzwasser verloren. Da es dann während der Vegetationsperiode fehlt, leiden die Pflanzen im Zenit ihres Wachstums unter Trockenstress und bauen erheblich weniger CO2 in ihren Körper ein.

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