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Quantenphysik: Schrödingers Katze wiegt jetzt 16 Mikrogramm

Ein Edelstein auf den Spuren von Schrödingers Katze: Physiker haben einen 16 Mikrogramm schweren Saphir in eine Überlagerung zweier Schwingungszustände versetzt. Ein neuer Rekord.
Schrödingers Katze
Im Jahr 1935 beschrieb der Physiker Erwin Schrödinger ein Gedankenexperiment. Darin wird eine Katze in einen Zustand gebracht, in dem sie gleichzeitig tot und lebendig ist – zumindest solange man nicht nach ihr sieht.

Ein 16 Mikrogramm schwerer Saphir-Kristall ist das bisher größte Objekt, das jemals in einer quantenmechanischen Überlagerung zweier Schwingungszustände existierte. Ein Team um Matteo Fadel von der ETH Zürich regte den Kristall zu Vibrationen an, bei denen die Atome hin- und herschwingen – in der so genannten Superposition schwingen sie gleichzeitig in zwei entgegengesetzte Richtungen. Wie die Arbeitsgruppe in »Science« berichtet, entspricht dieser Zustand dem Gedankenexperiment von Schrödingers Katze, die abhängig von dem Zerfall eines Atoms, das eine Giftampulle zerstört, gleichzeitig lebendig und tot ist. Solche makroskopischen »Katzen-Zustände« sollen dabei helfen, zu ergründen, wie und warum die Gesetze der Quantenwelt bei größeren Objekten in die Regeln der klassischen Physik übergehen.

Um den aus rund 1017 Atomen bestehenden Saphir (die Katze) dazu zu bringen, sich wie ein quantenmechanisches Objekt zu verhalten, versetzte die Arbeitsgruppe ihn in Schwingungen und koppelte ihn an einen supraleitenden Schaltkreis (das Atom aus Schrödingers Gedankenexperiment). Dieser entspricht einem Qubit: Er befindet sich also gleichzeitig in den Zuständen »0« und »1«. Die Überlagerung überträgt sich dann auf die Schwingung des Kristalls: Somit können sich die Atome im Kristall in zwei Richtungen gleichzeitig bewegen, etwa nach oben und unten – ebenso wie Schrödingers Katze gleichzeitig tot und lebendig ist. Wichtig dabei ist, dass der Abstand zwischen den zwei Zuständen größer ist als durch die quantenmechanische Unschärfe.

Mit dem supraleitenden Qubit gelang es den Forschern auch, die Distanz zwischen den beiden Schwingungszuständen des Kristalls zu bestimmen. Mit bloß einem milliardstel Nanometer ist der Abstand zwar winzig – aber immerhin groß genug, um die beiden Zustände zweifelsfrei voneinander zu unterscheiden.

Bei quantenmechanischen Objekten sind solche Überlagerungen aus klassisch unvereinbaren Zuständen üblich. Makroskopische Objekte aus sehr vielen Atomen dagegen gehorchen normalerweise der klassischen Mechanik, sie können nicht zwei widersprüchliche Zustände gleichzeitig annehmen. Ebenso wenig, wie eine Katze zugleich lebendig und tot sein kann, kann ein Kristall gleichzeitig nach oben und unten schwingen. Das große Rätsel dabei ist jedoch, warum er das im Regelfall nicht kann. Denn egal, wie groß ein Gegenstand ist, er setzt sich aus Atomen und subatomaren Teilchen zusammen, die den Regeln der Quantenphysik gehorchen.

Es gibt eine ganze Reihe möglicher Erklärungen, warum große Objekte das nicht tun. Etwa, weil mit zunehmender Zahl der Atome auch immer mehr Einflüsse quantenmechanische Zustände zerfallen lassen. Oder auch, dass die Schwerkraft eine Rolle spielen könnte. Die Hoffnung ist, dass immer größere »Katzen-Zustände« dazu beitragen können, das Rätsel um Schrödingers Katze schließlich zu lösen. Daneben sind stabile, kontrollierbare makroskopische Quantenzustände zudem technisch interessant, zum Beispiel für Fehlerkorrekturverfahren in den immer komplexer werdenden Quantencomputern.

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