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Geologie: Schubweise

Eine feste Kruste umhüllt unseren Planeten, doch brodeln darunter noch immer flüssige Gesteinsmassen, die sich vor allem in Erinnerung bringen, wenn sie explosiv zu Tage treten. Können sie heute noch erzählen, wie die Erde im Laufe der Jahrmilliarden zu ihrer dünnen Haut kam?
Olivinkristall mit eingeschlossenen Gasblasen
Der Anfang war heiß: Als die frühe Erde vor 4,5 Milliarden Jahren ihren Weg vom ungeordneten Materieklumpen zum heute sauber geschichteten Modell einschlug, hatte sie gerade einen katastrophalen Zusammenstoß hinter sich. Ein anderer Riesenbrocken hatte ihr nicht nur eine böse Wunde geschlagen – wir erfreuen uns dafür heute am Mond –, sondern sie wohl auch aus der Achse geworfen und dazu gebracht, noch schneller zu rotieren. In jedem Fall dürfte die freigesetzte Energie den geschundenen jungen Planeten zum Schmelzen gebracht haben. Zudem heizten ihm radioaktive Elemente ein, die bis heute eine zuverlässige Wärmequelle für das Erdinnere darstellen.

Einst raste der blaue Planet also als Glutball durchs All, mit einem äußeren, mehrere hundert Kilometer mächtigen Magma-Ozean, so die Ansicht vieler Wissenschaftler. Nach und nach aber begann sich die Schmelze zu sortieren: Das "schwere" Eisen sank ins Zentrum und bildete den Erdkern, der auch heute noch in seinen äußeren Regionen flüssig ist, im Inneren aber fest – hier ist der Druck so hoch, dass die Schmelztemperatur nicht mehr erreicht wird. Das leichtere beziehungsweise weniger dichte Material hingegen stieg auf zur Oberfläche und kühlte dort ab – die feste Erdkruste war geboren. Der Rest mit Durchschnittsdichte blieb in der Mitte, dem Erdmantel, dessen oberster Abschnitt ebenfalls fest ist. Darunter aber sorgt die zähflüssige Asthenosphäre dafür, dass die Puzzleteile der Erdkruste ständig auf Reise sind, an manchen Nahtstellen abtauchen und an den mittelozeanischen Rücken neu gebildet werden, während Vulkane eher schluckaufartig den flüssigen Untergrund zu Tage bringen.

Schön durchmischt oder geschichtet?

Nun ist auffällig, dass sich die chemische Zusammensetzung der ständig neu entstehenden ozeanischen Kruste an den mittelozeanischen Rücken (mid ocean ridge basalts, MORB) – gespeist aus dem Magma des Oberen Mantels – deutlich von der Signatur ebenfalls basaltischer Gesteine auf ozeanischen Inseln wie Hawaii (ocean-island basalts, OIB) unterscheidet. Lang herrschte die Meinung vor, dass in größeren Tiefen wohl noch eine unabhängig vom Nachschubreservoir der MORB zirkulierende Region gab, welche die Vulkane für die Ozeaninseln versorgte. Doch neuere Erkenntnisse zeigten, dass abtauchende Kruste in den Subduktionszonen tief in den Mantel vordringt: Ein davon unbeeinflusster, isolierter Magmenvorrat wurde zunehmend unwahrscheinlich.

Und noch etwas bereitet Geologen Kopfzerbrechen: Die Entstehung der kontinentalen Kruste, also der Festlandskerne – wie verlief sie? War alles schnell vorbei, sodass sich bis heute kaum noch etwas änderte? Oder hält der Prozess noch an? Kommt der Nachschub kontinuierlich oder in Einzelepisoden? Letzteres zumindest schlossen Forscher aus Zirkon-Mineralen, die sich besonders mit Altern von 2,7, dann 1,9 und schließlich 1,2 Milliarden Jahren finden. Demnach, so die Vermutung, müsste die Erde in diesen Phasen besonders kräftig neues Festland zugelegt haben.

Stephen Parman von der Universität Durham versucht nun, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Zum einen will er die schubweise Bildung der kontinentalen Kruste belegen, zum anderen bestätigen, dass mittelozeanische Rücken und ozeanische Inseln prinzipiell aus demselben Magmenvorrat gespeist werden. Die ozeanischen Inseln übernehmen dabei eine im Sinne der Geschichtsschreibung wichtige Rolle: Ihre Gesteine, so der Wissenschaftler, spiegeln die chemische Zusammensetzung des Mantels zur Zeit ihrer Entstehung wider. Wenn aber gerade eine intensive Krustenbildung erfolgte, verarmte der Mantel an bestimmten Isotopen – und genau diese Verarmung sollte sich in den Basalten der Inseln erkennen lassen.

Helium als Vergangenheitszeuge

Olivinkristall mit eingeschlossenen Gasblasen | In Olivin-Kristallen eingeschlossenes Helium verrät, wann unser Planet verstärkt kontinentale Kruste bildete.
Parman wählte Helium, um der Vergangenheit auf die Spur zu kommen. Das Isotop Helium-3 stammt noch aus der Entstehungszeit der Erde und geht kontinuierlich durch Ausgasen aus dem Untergrund verloren, sobald er an die Oberfläche kommt. Helium-4 hingegen wird durch radioaktiven Zerfall aus Uran und Thorium ständig nachgeliefert und gibt so indirekt einen Hinweis darauf, wie viel seiner Ursprungselemente im Magma enthalten ist. Nun zeigten Laborexperimente, dass Uran bei der Krustenbildung offenbar effektiver als Helium-3 aus der Mantelschmelze entfernt wird und damit das Verhältnis von Uran zu Helium-3, sichtbar am Verhältnis Helium-4 zu Helium-3, vergleichsweise stärker sinkt. Entsprechend ausgeprägte Zacken im Isotopenverhältnis über die Jahrmilliarden sollten also Phasen anzeigen, in denen vermehrt kontinentale Kruste entstand.

Und tatsächlich: Parmans Helium-Zacken in Gesteinen von Hawaii, Island, Galapagos und Réunion stimmten verblüffend genau mit den bereits bekannten Zirkon-Peaks überein. Mit Hilfe einer aus den Daten abgeleiteten Korrelation errechnete er zudem zutreffende Werte für das Ausgangsverhältnis zu Anbeginn des Planeten sowie die heute in mittelozeanischen Rücken zu beobachtende Quote.

Doch so schön das alles klingt, natürlich bleiben Zweifel. Allein schon der Schluss, dass die Chemie der Gesteine von den ozeanischen Inseln der chemischen Zusammensetzung des Ursprungsmagmas entspricht, sei nicht unbedingt gesichert, meint Don Porcelli von der Universität Oxford: Schon die Proben innerhalb einer Insel unterscheiden sich, weshalb durch räumlich begrenzte Probenahme ein falsches Bild entstehen könnte. Auch wird der überwiegende Anteil von Helium und Uran bei der Mantelschmelze in die Kruste übergehen, während im Mantel nur ein sehr schwaches Signal zurückbleibt – dass sich das wirklich sauber aus den Inselgesteinen herauslesen ließe, macht Porcelli skeptisch. Und er weist darauf hin, dass die Magmenkammern unter den Inseln sich ja auch mit jüngerem, wieder aufgeschmolzenem Material aus Subduktionszonen vermischt haben dürften – das aber würde die Originalspuren noch weiter verwischen.

Skepsis bleibt

Überhaupt ist die ungestörte Erhaltung dieser Reservoirs ein ähnliches Problem wie die früher angenommene tiefe, isolierte Schicht: Dem Helium-Isotopenverhältnis zufolge müssten beispielsweise die Hotspots unter Hawaii und Island vier Milliarden Jahre ungestört geblieben sein. Sollte es also im zähen Pudding des Mantels einzelne Blasen geben, die sich trotz ständigen Rührens hartnäckig zeigten? Das scheint kaum vorstellbar, so Porcelli – noch dazu finden sich gerade auf diesen beiden Inseln eine ganze Bandbreite von Helium-Isotopenverhältnissen, was mehrere getrennte Quellen voraussetzte.

Trotz allem aber sei es eine elegante Erklärung für den Chemismus der Inselbasalte, und die enge Übereinstimmung der Zirkon- und Helium-Daten wohl mehr als Zufall: "Wenn diese Beobachtung weitere Überprüfung und neue Daten übersteht, wird sie sicherlich bedeutend sein für das Verständnis einiger der markantesten Ausprägungen von Vulkanismus auf der Erde."

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