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Ressourcengewinnung: Schürfen in Neptuns Gefilden

Der Rohstoffverbrauch steigt, die Lagerstätten schrumpfen. Bergbaufirmen blicken nun begehrlich ins Meer, wo Mineralien zuhauf lagern: Bunt- und Schwermetalle, sogar Gold und Silber. Ihr Abbau könnte der marinen Umwelt jedoch ernsthaft schaden.
Tiefseebergbau
Dunkel ist es in der Tiefsee – und kalt bei -1 bis 4 Grad Celsius. Der Druck ist 400-fach höher als an der Oberfläche. Und doch verbirgt sich hier Begehrenswertes: In 4000 bis 5000 Metern Tiefe ist der Boden im äquatorialen Pazifik, vor Peru oder etwa im Indischen Ozean mit schwarzen Brocken bedeckt. Unaufhörlich entstehen hier aus im Wasser gelösten Metall-Ionen und Sauerstoff Metalloxide, die sich Lage für Lage um Sandkörner oder andere Partikel abscheiden.

Abbau in der Tiefsee | Ein Greifer bricht eine Metallsulfid-Kruste auf: In der Tiefsee vermuten Geologen ein gigantisches Rohstoffvorkommen, dass die Versorgung der Menschheit für die nächsten Jahrzehnte sichern könnte. Die Aufnahme stammt von einer Tauchfahrt mit den PISCES-Tauchbooten des Hawaii Undersea Research Lab, speziell aus der Umgebung eines Unterwasservulkans im Bereich des Tonga-Inselbogens. Hier sind die Krusten außerordentlich goldreich.
Spuren von Kobalt, Kupfer und Nickel entfachten schon vor dreißig Jahren das Interesse der Industrie – liegen die Erz-Klumpen doch direkt auf dem Meersboden, und Tiefseebagger könnten sie abschürfen, ohne dass Gestein weggeräumt werden müsste. Ein Jahr nach der Entdeckung 1978 starteten unter Leitung der ehemaligen Preussag AG im Pazifik erste Abbauversuche. Technisch zu schwierig und kaum rentabel, so lautete jedoch letztlich das Ergebnis.

Verlockende Erzgehalte

Die Gewinnprognosen waren zudem alles andere als zuverlässig. In verschiedenen Seegebieten lagern unterschiedlich viele Knollen, und deren Zusammensetzung variiert ebenfalls. Mindestens 5000 Tonnen pro Tag, einen ganzen Quadratkilometer Meeresboden, hätte ein einzelnes Fördersystem abräumen müssen, um kostendeckend zu arbeiten, schätzten damals Wissenschaftler vom Institut für Strömungsmechanik der Universität Hannover. Keine Technologie schaffte das, während neue Landfunde weniger riskante Ausbeutung garantierten. Die Abbaupläne landeten bei den Akten – zusammen mit denen für die Gewinnung mariner Metallsulfide.

Vor allem die Metallsulfid-Schlämme im Roten Meer hatten die ehemalige Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft ebenfalls interessiert: "Das Wasser hier ist so salzig, dass Metall-Schwefel-Verbindungen einfach aus dem Wasser ausfallen und sich am Boden anreichern", erklärt Ulrich Schwarz-Schampera von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover. Inzwischen sei jedoch bekannt, dass dies eine Ausnahme ist. "Metallsulfide bilden sich hauptsächlich in der Umgebung von Schwarzen Rauchern": Die heißen Quellen fördern tief im Gestein gelöste Metalle hoch zum Meeresboden, wo das mineralreiche Wasser schlagartig abkühlt. Schwefelige Verbindungen flocken aus und scheiden sich als Krusten ab, die so genannten Massivsulfide. Deren Abbau haben Rohstoffjäger dank immens gestiegener Mineralstoffpreise heute erneut im Visier.

Abbau von Manganknollen | Schematische Darstellung der Förderung von Manganknollen aus der Tiefsee
"Vor fünf Jahren war Meeresbergbau noch exotisch. Jetzt gibt es schon vier private Firmen, die sich darauf spezialisieren", erzählt Schwarz-Schampera. Die größte und kapitalstärkste, die australisch-kanadische Nautilus Minerals Inc., steckt derzeit mehrere hundert Millionen Euro in die Entwicklung eines Bergbauschiffes, speziell konzipiert für den Sulfidabbau bis in 1700 Meter. Weitere Gelder flössen in die Anpassung von Tunnelvortriebsmaschinen an die Arbeit im Wasser. Glaubt man dem Geologen und Nautilus-Chef David Heydon, versprechen Kernproben aus der Bismarck-See vor Papua-Neuguinea verlockende Rohstoffmengen: zwölf Prozent Kupfer, vier Prozent Zink sowie 250 Gramm Silber und 16 Gramm Gold je Tonne – mitunter das Doppelte bis Dreifache herkömmlicher Minen. In zwei Jahren soll der Abbau beginnen.

Gefährdete Tierwelt?

In Deutschland hat besonders die Wirth Maschinen- und Bohrgeräte-Fabrik GmbH konkrete Vorstellungen. Das Unternehmen will seine bisherigen Unterwasseraktivitäten ausbauen und Techniken für größere Tiefen entwickeln. Das Unternehmen wolle seine Forschung auf die Tiefe konzentrieren, "da hier offensichtlich die Überlebenschance und ein riesiger Reichtum für zukünftige Generationen liegen", so die Pressestelle. Praktisch das gesamte Entwicklungsbudget der nächsten drei Jahre wolle die Firma daher in das Projekt "Go Subsea" investieren. Ziel des Regierungsprojektes ist die umweltgerechte Erschließung von Gas- und Ölvorkommen in der Tiefsee. Randlich aber "kratzt es auch den Bergbau in der Tiefsee an", so Schwarz-Schampera – und damit die Überlebenschance der dortigen Tierwelt.

Galten die Bedingungen hier vor wenigen Jahren noch als zu unwirtlich für Leben, sind mittlerweile viele spezialisierte Organismen bekannt. Besonders um heiße Quellen herum wimmeln Würmer, Muscheln und Krebse durcheinander, gespeist von Bakterien, die ihrerseits Energie aus im Wasser gelösten Schwefelwasserstoffen gewinnen: Ein sensibles Gleichgewicht, das der Abbaurausch zerstören könnte.

Gefährdete Tiefseefauna? | Gefährdet der neue Goldrausch in die Tiefsee die dort lebenden Tiere? Wissenschaftler und Naturschützer befürchten dies.
Im Rahmen vom "Disturbance and Recolonisation Experiment" (DISCOL) simulierten Forscher 1989 vor Peru den Manganknollenabbau mit schwerem Gerät und testeten die Auswirkungen auf die Natur: Das Bodenleben war weit gehend zerstört. "Die Maschinen durchpflügen den Boden und wirbeln Sediment auf", räumt Schwarz-Schampera ein. Eine räumlich nicht kontrollierbare Folge, denn Strömungen tragen die Sedimentwolke in völlig andere Gebiete. Zwar kehrten die meisten Arten binnen einiger Jahre in das Testgebiet zurück. Die ursprüngliche Lebensgemeinschaft jedoch stelle sich sicher nicht wieder ein, ist im Zweijahresbericht 1996/97 des Alfred-Wegener-Institutes zu lesen.

Noch mehr Schaden könnte der Sulfidabbau anrichten, warnen auch Jochen Halfar von der Universität Toronto und Rodney Fujita vom amerikanischen Umweltverteidigungsfonds in Oakland [1]. Und das obwohl weniger Bodenorganismen gestört oder Sediment verwirbelt werden dürfte, da auf dem frisch gebildeten Ozeanboden nahe der heißen Quellen, wo die begehrten Schwefelverbindungen lagern, kaum Ablagerungen liegen. Dennoch ist die Zerstörung tief reichend: Gegenüber den landesgroßen Arealen für den Knollenabbau sind die Sulfid-Schürfgebiete mit durchschnittlich einem Quadratkilometer Fläche sehr klein. Die Maschinen bohren sich dafür bis zu zwanzig Meter in den Grund, um wirklich jedes mögliche Gramm Erz zu erwischen.

Zudem reichen die Gebiete manchmal bis auf einen Kilometer an aktive Heißwasser-Quellen heran. Dunstwolken verdrifteter Schuttpartikel könnten diese verstopfen und das dortige Leben verschütten [2]. Überlebende Organismen müssten sich mit völlig veränderten Bedingungen arrangieren, sich zum Beispiel von ursprünglich hartem auf nunmehr weichen Boden umstellen. Darüber hinaus sind sie eventuell nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgt: Lokale Strömungen könnten sich durch den maschinellen Eingriff ändern.

Unklare Rechtslage

Doch nicht nur die Tiefsee, auch die Oberflächenwässer könnten indirekt leiden. Auf der Förderplattform wird dem Fördergut das Wasser entzogen und zurück ins Meer geleitet. Dieses Restwasser aus der Tiefe ist jedoch außerordentlich nährstoffreich, verglichen mit den oberen Schichten. Dehnt sich das Mischwasser in nahe Schelfgebiete aus, könnte dies das dortige Ökosystem umkrempeln, warnen Halfar und Fujita. Solch düstere Vorstellungen hält Schwarz-Schampera – zumindest teilweise – für "aufgebauscht". Er ist überzeugt: "Der Abbau ginge nicht so weit, dass Arten aussterben."

Objekt der Begierde: Manganknolle | Besonders interessiert sind Bergbauunternehmen an Manganknollen, die in großen Mengen auf dem Meeresboden herumliegen. Bislang ist ihre Förderung noch nicht rentabel.
So beteiligte sich auch die Bundesrepublik trotz der Warnungen am Wettstreit um Schürflizenzen: Im letzten Jahr sicherte sich stellvertretend die BGR für 15 Jahre und 250 000 US-Dollar das Recht an einem 75 000 Quadratkilometer großen Claim im Pazifik, ausgegeben durch die Internationale Meeresbodenbehörde (IMB) in Kingston auf Jamaika. "Studierfelder für Probennahmen, biologische Untersuchungen und Expertenausbildungen", betont Schwarz-Schampera, Abbauaktivitäten seien nicht in Sicht. Dennoch: "Die erneute Aufnahme der Untersuchungen (…) ist eine Maßnahme strategischer Zukunftsvorsorge", ließ BGR-Präsident Professor Bernhard Stribrny in der entsprechenden Pressemitteilung verlauten.

Zwei Millionen Tonnen Sulfiderz will Vorreiter Nautilus Minerals pro Jahr und Fördersystem aus dem Boden brechen. Ist dieses erste kommerzielle Vorhaben erfolgreich, bleibt es vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis andere Firmen und Länder nachziehen. Steckt erst genügend Kapital in der Branche, wird ein Eingreifen nationaler und internationaler Umweltbehörden immer schwieriger, befürchten die Geowissenschaftler Halfar und Fujita. Deren Kollege Schwarz-Schampera hingegen bezweifelt, "dass man auch nur annähernd kostendeckend arbeiten könnte. Auch nicht mit neuen Technologien." Wirtschaftliche Zweifel, die Neptuns Welt derzeit noch vor menschlichem Grabfieber bewahren.

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