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News: Schwächelnde Schwingungen

Supraleitendes Blei weist einige ungewöhnliche physikalische Eigenschaften auf, die offenbar in Zusammenhang mit seiner Gitterstruktur stehen. Bereits vor einigen Jahren vermutete ein Physiker, dass die Anomalien auf eine besondere periodische Ausrichtung der Elektronenspins in dem Metall zurückzuführen sind. Nun scheint ein neues Experiment diese Vermutung zu bestätigen.
"Blei ist ein ganz gewöhnlicher Supraleiter mit etwas ungewöhnlichen Eigenschaften", erzählt Jim Wolfe vom Frederick Seitz Materials Research Laboratory an der University of Illinois in Urbana-Champaign. "Anomalien in der Gitterdynamik, der spezifischen Wärmekapazität und der akustischen Dämpfung bei Blei-Supraleitern beschäftigen Forscher schon seit Jahrzehnten." Vor einigen Jahren erklärte Albert Overhausen, Physiker an der Purdue University, das Phänomen. Demnach soll eine so genannte Spindichtewelle für das anormale Verhalten von supraleitendem Blei verantwortlich sein. Bei einer derartigen Welle handelt es sich um eine periodische Ausrichtung der Elektronenspins der beweglichen Ladungsträger, die man jedoch normalerweise nicht in Supraleitern findet.

Auch bei Blei ließ sich eine solche Struktur bislang nicht beobachten. Aber Wolfe und seine Kollegen hatten eine Idee, wie sie die Spindichtewelle im Blei nachweisen könnten: Sie schickten Phononen durch das Metall. Dabei handelt es sich um Gitterschwingungen, die gemäß der Quantenmechanik auch als Teilchen aufzufassen sind. Sollte der Supraleiter tatsächlich eine Spindichtewelle besitzen, so wäre die Ausbreitung der Schwingungen stark richtungsabhängig und teilweise gedämpft. In anderer Richtung könnten Phononen hingegen ungehindert passieren.

Um dieses richtungsabhängige Verhalten der Phononen nachzuweisen, erhitzten die Forscher mit einem Laserpuls einen Punkt auf dem ultrakalten Kristall und lösten so Gitterschwingungen aus. Mit einem Strahlungsmesser zeichneten sie dann an der gegenüberliegenden Seite die Ankunft der thermischen Schwingung auf, nachdem sie durch den Kristall gewandert war. Indem die Forscher mit dem Laser über die ganze Probe rasterten, erhielten sie eine dreidimensionale Karte, davon wie sich Phononen im Kristall fortbewegen.

"In unserem Experiment fanden wir bestimmte Richtungen, in welchen Phononen abgeschwächt wurden, obwohl man normalerweise davon ausgeht, dass die Energielücke des Supraleiters richtungsunabhängig ist", fasst Wolfe das Ergebnis zusammen. "Vermutlich gibt es also Richtungen in denen die Energielücke viel kleiner ist als normal." Durch eine kleine Energielücke schlüpfen Phononen nicht so leicht wie durch eine große, da sie teilweise an Elektronen gestreut werden.

"Unser Experiment scheint Overhausens Vermutung zu unterstützen", meint Wolfe. "Nun ist es Aufgabe der Theorie, die Spindichtewellen auf elektronische Strukturen im Blei anzuwenden und zu überprüfen, ob die experimentellen Ergebnisse bestätigt werden."

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