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Schwangerschaft: Ursache für Übelkeit gefunden

Seit Jahrtausenden erbrechen sich Schwangere die Seele aus dem Leib. Warum das so ist, hat man aber erst jetzt herausgefunden. Gibt es bald ein Medikament, das werdende Mütter von dem Übel befreit?
Frau erbricht sich über Toilette
Etwa 50 bis 80 Prozent der Frauen ist zwischen der 5. und 14. Schwangerschaftswoche hin und wieder flau im Magen. Jede dritte davon leidet zudem unter Schwindel oder Erbrechen.

Übelkeit und Erbrechen sind häufige und quälende Begleiterscheinungen einer Schwangerschaft. Der Spuk ist meist bald vorbei, bei einigen Frauen jedoch entwickelt sich daraus eine gesundheitliche Bedrohung. Die als Hyperemesis gravidarum bezeichnete Extremform kann durch Dehydrierung und Nährstoffmangel Mutter und Kind gefährden. In einer im Fachjournal »Nature« veröffentlichten Studie gelang es, die genauen Mechanismen hinter der Schwangerschaftsübelkeit aufzudecken – und somit endlich Aussicht auf Behandlung zu geben. Laut dem Team um Marlena Fejzo von der University of Southern California ist der Übeltäter ein Hormon namens GDF15, das auch vom Fötus produziert wird. Werdende Mütter, die bereits vor der Schwangerschaft mehr davon im Blut haben, scheinen weniger betroffen zu sein, da ihr Körper an das Hormon gewöhnt ist.

Im nicht schwangeren Zustand wird GDF15 als Reaktion auf zellulären Stress produziert. Aktiviert man seinen Rezeptor im Hirnstamm, führt das zu Erbrechen. Ob tatsächlich ein kausaler Zusammenhang mit Schwangerschaftsübelkeit besteht, war aber bislang unklar. Fejzo und ihre Kollegen untersuchten das Blut mehrerer hundert schwangerer Frauen und fanden heraus, dass diejenigen, die über Übelkeit und Erbrechen klagten, höhere GDF15-Spiegel hatten als jene, denen nicht übel war. Mit Hilfe der Massenspektroskopie stellten sie zudem fest, dass der größte Teil des zirkulierenden GDF15 vom Fötus stammt. Es wird vom fetalen Teil der Plazenta gebildet und gelangt so in den mütterlichen Blutkreislauf.

Also bedeutet ein Mehr des Hormons während der Schwangerschaft mehr Übelkeit? So einfach ist es nicht, wie sich herausstellte: Bei Frauen, die schon im nicht schwangeren Zustand viel von dem Hormon im Blut haben, besteht ein geringeres Übelkeitsrisiko. Entsprechend berichten werdende Mütter mit der vererbten Blutkrankheit β-Thalassämie, die mit hohen GDF15-Werten einhergeht, seltener von Unwohlsein. Eine Mutation im GDF15-Gen der Mutter kann hingegen das Risiko für Hyperemesis gravidarum steigern. Der Defekt sorgt dafür, dass der GDF15-Spiegel grundsätzlich niedrig ist. Produziert der Fötus das Hormon in normalem Maß, hat die Betroffene ein mindestens zehnfach erhöhtes Risiko für schwere Schwangerschaftsübelkeit.

Andockstellen im Gehirn blockieren

Frauen mit natürlich niedrigen GDF15-Spiegeln reagieren demnach empfindlicher auf den plötzlichen Anstieg als jene, die bereits an höhere Pegel gewöhnt sind. Die Forscher testeten die Theorie an Mäusen und werteten Appetitlosigkeit als indirektes Maß für Übelkeit, da die Nagetiere nicht erbrechen. Mäuse, die längerfristig mit GDF15 behandelt worden waren, waren nach einer akuten Hormondosis seltener appetitlos als unbehandelte Kontrolltiere. Ebenso reagierten Tiere, denen das Hormon im Körper fehlte, empfindlicher auf seine Wirkung. In zukünftigen Studien will das Team verschiedene Therapieoptionen testen – darunter eine Gewöhnung an GDF15 vor der Schwangerschaft sowie Medikamente, die seine Andockstellen im Gehirn blockieren.

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