Schwarze Löcher: Wie wiegt man ein Schwarzes Loch?

In einem kürzlich erschienenen Beitrag für meine Kolumne habe ich über die größten schwarzen Löcher im Kosmos geschrieben. Diese können das Milliardenfache der Sonnenmasse erreichen und sogar ganze Galaxien aufwiegen.
Aber woher wissen wir das? Schwarze Löcher sind dafür bekannt, dass sie sogar Licht verschlingen können. Wie können wir also herausfinden, wie massiv sie sind?
Es gibt mehrere Möglichkeiten, die vor allem von der Art des Schwarzen Lochs abhängen, das wir untersuchen wollen.
Die häufigste Art von Schwarzen Löchern, die wir kennen, ist ein stellares Schwarzes Loch. Es ist ein paar Mal bis zu ein paar Dutzend Mal so groß wie die Sonne. Sie entstehen in der Regel, wenn ein massereicher Stern am Ende seines kurzen Lebens explodiert und sein Kern kollabiert. Das einfallende Material wird so dicht, dass seine Schwerkraft in die Höhe schießt und so stark wird, dass seinem Griff nichts mehr entkommen kann, wenn es ihm zu nahe kommt – nicht einmal Photonen. Da kein Licht aus diesem Objekt herausdringt, ist es schwarz und alles, was hineinfällt, kann nicht mehr herauskommen, als wäre es ein unendlich tiefes Loch.
Einem solchen Objekt einen Namen zu geben, erweist sich daher erstmal nicht als besonders schwierig.
Da Schwarze Löcher aus Sternkernen entstehen, müssen sie eine Masse haben, die der eines Sterns nahe kommt. Theoretische Berechnungen bestätigen dies und ergeben eine Mindestmasse, die etwa dreimal so groß ist wie die der Sonne. Es gibt keine eindeutige Obergrenze, aber Astronomen gehen davon aus, dass Schwarze Löcher mit einer Masse von weniger als 100 Sonnenmassen in die Kategorie der stellaren Schwarzen Löcher fallen.
Natürlich ist es schwierig, die Masse eines Objekts, das man nicht sehen kann, tatsächlich zu messen. Aber manchmal hilft uns die Natur auf die Sprünge.
Massereiche Sterne sind häufig in Doppelsternsystemen zu finden. Hier kreisen sie in Partnerschaft mit einem anderen Stern. Wenn der massereiche Stern explodiert und ein schwarzes Loch hinterlässt, kann dieses durch die Schwerkraft an seinen stellaren Begleiter gebunden bleiben, was letztlich seine Anwesenheit verrät! Wir könnten zum Beispiel nach Sternen suchen, die scheinbar ein massereiches, aber unsichtbares Objekt umkreisen. Diese Methode ist zwar schwierig, aber mit ihr konnten schon mehrere Schwarze Löcher gefunden werden.
Stellen Sie sich vor, Sie betrachten ein solches System »von der Seite« ihrer Umlaufbahn. Während die beiden einander umkreisen, verbringt der sichtbare Stern die Hälfte seiner Umlaufzeit scheinbar damit, sich auf die Erde zuzubewegen und die andere damit, sich von ihr zu entfernen. Das führt zu einer Doppler-Verschiebung seines Lichts, wodurch sich die Wellenlängen verkürzen, wenn er sich auf uns zubewegt – eine so genannte Blauverschiebung – und verlängern, wenn er sich von uns wegbewegt – eine Rotverschiebung.
Das ist der Schlüssel zur Masse eines Schwarzen Lochs! Mit Hilfe der Bewegungsgesetze, die der deutsche Astronom Johannes Kepler zu Beginn des 17. Jahrhunderts abgeleitet hat, kann die Gesamtmasse des Systems berechnet werden, wenn man allein schon die Umlaufzeit und die Geschwindigkeit des Sterns kennt. Wir können die Masse des sichtbaren Sterns mit Hilfe unserer Kenntnisse der Sternphysik schätzen und diese von der Gesamtmasse abziehen. Übrig bleibt die Masse des Schwarzen Lochs.
Diese Methode funktioniert selbst dann, wenn das System so weit von uns entfernt ist, dass wir die physische Bewegung des Sterns nicht erkennen können. Doppelsterne können auch auf andere Weise gefunden werden: Wenn das Schwarze Loch beispielsweise Materie von seinem stellaren Begleiter stiehlt, erhitzt sich dieses Material so stark, dass es hochenergetische Röntgenstrahlen aussendet. Wenn wir reichlich Röntgenstrahlung von einem scheinbar normalen Stern sehen, können wir vermuten, dass dort ein Schwarzes Loch am Werk ist. Das allererste bestätigte Schwarze Loch, Cygnus X-1, wurde genau auf diese Weise gefunden, und die Doppler-Methode ergab, dass seine Masse etwa 21 Mal so groß ist wie die der Sonne.
Eine Variation dieser Methode kann auch bei supermassiven Schwarzen Löchern angewendet werden. Diese Objekte sind absolute Ungetüme, die die Millionen- oder Milliardenfache Masse der Sonne besitzen und in den Kernen aller großen Galaxien zu finden sind. Sie sind viel zu massig, um einen einzelnen Stern zu umkreisen, aber viele Sterne können sie umkreisen. Je näher diese Sterne dem Ungetüm in der Mitte sind, desto schneller umkreisen sie es. Jeder dieser Sterne weist eine große Doppler-Verschiebung in seinem Licht auf, wobei sich etwa die Hälfte auf uns zu und die andere Hälfte von uns weg bewegt. Wenn wir sie in ihrer Gesamtheit messen, werden wir diese charakteristische Dualität zwischen Blau- und Rotverschiebung in ihrem kombinierten Licht sehen. Auch hier hängen die Geschwindigkeiten der Sterne von der Masse des Objekts ab, das sie umkreisen. Und das können wir wieder nutzen, um das Schwarze Loch zu wiegen.
Dank Instrumenten wie dem Space Telescope Imaging Spectrograph (STIS) – einer Kamera an Bord des Hubble-Weltraumteleskops, an der ich mitgearbeitet habe – konnten Astronomen diese Methode schon bei vielen Galaxien anwenden. STIS wurde zum Teil genau für diese Art von Beobachtungen entwickelt. Nicht lange nachdem die Astronauten es auf Hubble installiert hatten, untersuchte STIS die nahe gelegene Galaxie M84 und entdeckte mit Leichtigkeit eine riesige Doppler-Verschiebung um den galaktischen Kern, die auf ein zentrales Schwarzes Loch mit mindestens 300 Millionen Sonnenmassen hindeutete – ein wahres Ungetüm.
Aktuelle Modelle der Galaxienbildung deuten darauf hin, dass die Masse einer Galaxie auch mit der Masse ihres zentralen Schwarzen Lochs zusammenhängt, wobei größere Galaxien tendenziell ein größeres zentrales Schwarzes Loch haben. Das ist aber keine feste Regel – unsere eigene weit ausgedehnte Milchstraße hat zum Beispiel ein relativ kleines Schwarzes Loch – , aber wenn man genügend Galaxien vermisst, wird das Muster deutlich. Dieser Trend macht die Messungen zwar nicht genauer, aber er lässt uns die Masse des zentralen Schwarzen Lochs einer Galaxie immerhin schätzen. Mehr als ein Dutzend schwer fassbarer Schwarzer Löcher mittlerer Masse – solche mit 100 bis 100 000 Sonnenmassen – wurden so in Zwerggalaxien möglicherweise gefunden.
Es gibt aber auch viele weitere indirekte Methoden, um die Masse eines Schwarzen Lochs zu bestimmen. Die Röntgenstrahlung, die von Materie ausgesandt wird, wenn sie in ein Schwarzes Loch fällt, kann beispielsweise zur Abschätzung seiner Masse verwendet werden. Manchmal kann ein Stern im überfüllten Chaos eines galaktischen Zentrums zu nahe an das zentrale supermassive Schwarze Loch herankommen und von seiner starken Gezeitenkraft zerfetzt werden. Das führt zu einer wahrhaft gewaltigen Explosion und die Zeit, während der sie abläuft, hängt mit der Masse des Schwarzen Lochs zusammen. Das lässt uns wiederum die Tonnage des Monsters bestimmen.
Wenn Schwarze Löcher miteinander kollidieren und verschmelzen, geben sie außerdem eine gewaltige Menge an Energie in Form von Gravitationswellen ab – Wellen im Gewebe der Raumzeit. In diesen Wellen ist die Masse der beiden verschmelzenden Schwarzen Löcher sowie die ihres neuen, etwas größeren Schwarzen Lochs verschlüsselt. Die ersten Gravitationswellen dieser Art wurden vor etwas mehr als einem Jahrzehnt entdeckt und bis heute wurden etwa 300 weitere gefunden. Derzeitige Detektoren können nur die Verschmelzung von Schwarzen Löchern mit stellarer Masse aufspüren, aber künftige weltraumgestützte Observatorien wie LISA (Laser Interferometer Space Antenna) sollen auch in der Lage sein, die Wellen von kollidierenden supermassiven schwarzen Löchern zu »hören«.
Schwarze Löcher selbst senden kein Licht aus, aber das bedeutet nicht, dass sie völlig unsichtbar sind. Sie offenbaren sich auf vielfältige Weise, und wenn wir klug sind – und das sind wir – können wir das nutzen, um sie zu vermessen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.