Direkt zum Inhalt

Schwerhörigkeit: Hörgeräte können das Demenzrisiko im Alter verringern

Hören ältere Menschen schlechter, erhöht sich bei ihnen das Risiko, an Demenz zu erkranken. Hörgeräte könnten den geistigen Verfall abwenden, wie eine groß angelegte Studie ergab.
Ein älterer Mann setzt sein Hörgerät ein.
Bei verringertem Hörvermögen ein Hörgerät zu nutzen, ist aus mehreren Gründen ratsam: Laut einer aktuellen Studie reduziert es das Demenzrisiko. Außerdem strapaziert es die Stimmbänder der Menschen im Umfeld viel weniger.

Anmerkung der Redaktion am 13.12.2023: Das Fachblatt »The Lancet Public Health« hat die in diesem Beitrag vermeldete Studie zurückgezogen. Die Studienautoren erklärten Ende November, dass bei der Auswertung Daten vertauscht wurden und so »falsche und irreführende Ergebnisse und Schlussfolgerungen« entstanden seien, wie die Fachzeitschrift am 12. Dezember 2023 berichtete. Die Fehler seien aufgefallen, weil andere Forschende die Erkenntnisse nicht reproduzieren konnten.

Hörgeräte senken bei älteren Menschen womöglich deutlich das Risiko einer Demenz. Das hat ein Forscherteam mit einer im Fachmagazin »The Lancet Public Health« erschienenen Studie untermauert. Demnach hatten schwerhörige Menschen ohne Hörgerät ein um 42 Prozent erhöhtes Risiko, eine Demenz zu bekommen, als solche, deren Hörvermögen normal war. Trugen Schwerhörige dagegen ein Hörgerät, glich das Risiko dem von normal hörenden Menschen, wie das internationale Team um Dongshan Zhu von der Shandong-Universität im chinesischen Jinan berichtet.

Die Forschenden analysierten Daten von 437 704 Menschen im Alter von 40 bis 69 Jahren, die über ihr Hörvermögen Auskunft gaben und anfangs alle noch keine Demenz hatten. Etwa drei Viertel der Teilnehmenden waren dabei nicht schwerhörig; das übrige Viertel klagte über Hörverlust, von dem mehr als ein Zehntel ein Hörgerät trug. Die mittlere Zeit bis zur Kontrolle betrug im Schnitt rund zwölf Jahre. Ihre Informationen bezogen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der UK Biobank. In dieser Datenbank sind die medizinischen Daten von Menschen in Großbritannien erfasst. Als Schwäche ihrer Studie nannte die Gruppe um Zhu, dass die Angaben daraus zum Gehör auf Selbstauskünften beruhten und fast nur weiße Menschen befragt wurden.

Die Arbeitsgruppe untersuchte auch, ob andere Faktoren wie Einsamkeit, soziale Isolation oder depressive Symptome sich auf den Zusammenhang zwischen Hörverlust und Demenz auswirken. Ihr Fazit: Diese Faktoren »machten weniger als acht Prozent des beobachteten Demenzrisikos aus, was auf andere Mechanismen für die beobachtete schützende Wirkung der Hörgerätenutzung auf Demenz hinweist«, schreiben die Forschenden in ihrer Studie. Vermutlich sei das verringerte Risiko also eher durch die Geräte bedingt. Die genauen Zusammenhänge müssten aber noch weiter erforscht werden.

Dass bei einer altersbedingten Hörverminderung das Risiko für eine Demenz deutlich erhöht ist, ist schon länger bekannt. So kam eine Studie aus dem Jahr 2020 in »The Lancet Commissions« zu dem Schluss, dass zirka acht Prozent der weltweiten Demenzfälle mit Schwerhörigkeit zusammenhängen. »Wenn die Sinnesorgane nachlassen, wächst gleichzeitig auch das Risiko für Demenz«, bestätigt Peter Berlit, Neurologe und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Weltweit haben laut der DGN rund 50 Millionen Menschen Demenz, davon allein in Deutschland 1,6 Millionen.

Bisher nicht so klar belegt war jedoch, dass die Korrektur der Hörprobleme durch Hörhilfen erheblich zur Demenzprävention beitragen kann. »Das zeigt diese Studie eigentlich sehr schön«, sagt Peter Berlit. Daher sei es besonders ratsam, dem Hörverlust so früh wie möglich entgegenzuwirken.

Interessant ist laut dem Neurologen, dass bei Sehschwierigkeiten im Alter eine Brille in aller Regel akzeptiert und auch regelmäßig benutzt werde. »Das ist bei Hörhilfen bislang zu wenig der Fall«, erklärt er. Hörverminderungen würden häufiger von Personen im nahen Umfeld als von den Betroffenen selbst bemerkt. Schlechteres Lesen falle den älteren Menschen dagegen selbst schnell auf. Relativ typisch für die Altersschwerhörigkeit sei, »dass es vor allem schwierig wird, wenn eine gewisse Geräuschkulisse da ist«, sagt Peter Berlit. Dann könnten Betroffene einem laufenden Gespräch kaum noch folgen oder an sie gerichtete Sätze verstehen. (kas/dpa)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.