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News: Schwerwiegende Beschäftigungstherapie

Eine wissenschaftliche Theorie ist nur dann etwas wert, wenn sie experimentell überprüfbare Aussagen macht. Liegt sie ein einziges Mal falsch, gerät das ganze Modell in ein schlechtes Licht. Bislang hat die Allgemeine Relativitätstheorie alle Tests bestanden. Allerdings könnten die Abweichungen so klein sein, dass sie nur unter extremen Bedingungen messbar wären.
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Newtons Apfel, der dem englischen Wissenschaftler den entscheidenden Anstoß für seine Theorie der Schwerkraft gegeben hat, ist ein Mythos. Und auch die einfachen Gesetze von der Anziehungskraft der Massen treffen genau genommen nur zu unter den moderaten Bedingungen, wie sie auf der Erde herrschen. Für den Alltag mag das reichen – den Astronomen langt es nicht. Sie bevorzugen eine exaktere Beschreibung der Gravitation: die Allgemeine Relativitätstheorie. Aber stellt vielleicht auch sie nur einen Spezialfall dar, der irgendwo an Grenzen stößt, hinter denen die Vorhersagen unzutreffend werden? Das ganz junge Universum könnte so ein Ort gewesen sein, an dem alles irgendwie anders war. Ist die Allgemeine Relativitätstheorie also wirklich der Weisheit letzter Schluss?

Auf der Erde lässt sich die Gültigkeit der Theorie experimentell kaum überprüfen, es fehlt an der nötigen Masse. Die gibt es nur im Weltraum. Darum haben Wissenschaftler in der Vergangenheit mit Hilfe verschiedener kosmischer Schwergewichte, wie dem Planeten Jupiter oder weit entfernten Pulsaren, nachgemessen, ob sich die Natur so verhält, wie das Modell es vorhersagt. Tatsächlich bestätigten die Experimente die Theorie – innerhalb der Messgenauigkeit. Doch genau hier liegt das Problem: Denkbare Abweichungen könnten weit hinten in den Nachkommastellen verborgen sein.

Gefragt sind also immer exaktere Messungen mit immer raffinierteren Methoden. Ein beliebtes Grundprinzip ist es, die Wirkung der Schwerkraft auf die Ausbreitung von elektromagnetischen Wellen aufzuspüren. Leider müssen dafür die Strahlenquelle, das massereiche Objekt und die Erde mit den darauf arbeitenden Forschern idealerweise in einer geometrisch geraden Linie stehen. Beschränkt man sich auf natürliche Systeme, dauert es mitunter ziemlich lange, bis irgendwo eine geeignete Konstellation auftritt.

Ein Team italienischer Physiker um Bruno Bertotti von der Universität in Pavia wählte darum einen anderen Weg. Die Forscher nutzten als Strahlenquelle die künstliche Raumsonde Cassini, die auf ihrem Weg zum Saturn zwischenzeitlich fast direkt hinter der Sonne stand. Da sie noch immer mehrere Monate von ihrem Ziel entfernt ist, hatte Cassini auch die Zeit für kleine Experimente außer der Reihe. Nur knapp lugte sie am 6. und 7. Juli 2002 hinter der Sonne hervor – dicht genug, dass Funkwellen vom Gravitationsfeld des Sterns abgelenkt und verzögert werden müssten. Eine Verzögerung sollte jedoch als Verschiebung der Frequenz nachweisbar sein. Und aus deren Stärke ließe sich der Parameter gamma berechnen, dessen Wert etwas über die Gültigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie aussagt.

Was sich so selbstverständlich liest, war in der Praxis allerdings nur schwer umzusetzen. Zwar ist die Sonde ausgezeichnet für die Arbeit mit elektromagnetischen Wellen verschiedener genau festgelegter Frequenzen ausgestattet. Aber eine ganze Reihe störender Einflüsse ist ebenfalls in der Lage, eine geringe Frequenzverschiebung auszulösen oder das Signal völlig zu verrauschen. Die Wissenschaftler mussten beispielsweise mehrere Frequenzen koppeln, um Störungen durch die Korona der Sonne aus ihren Daten zu eliminieren. Rechnerisch berücksichtigten sie die normale Reisegeschwindigkeit der Sonde sowie den zusätzlichen Schub, der durch die radioaktive Strahlung der Stromgeneratoren verursacht wird. Und schließlich erstellten sie ein Modell der Erdatmosphäre und ihrer Auswirkungen auf die Frequenzen.

Was blieb, war eine Kurve mit Messdaten, aus welcher die Frequenzverschiebungen durch die Schwerkraft der Sonne abzulesen waren. Daraus folgte ein Wert für gamma, der die Gültigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie bestätigt. Wieder einmal! Es folgt jedoch ein "Aber". Denn auch bei diesem Experiment war die Messgenauigkeit bemerkenswert hoch und dennoch nicht groß genug, um alle Zweifel auszuräumen. Wenn das wahre gamma am Rande des experimentell bestimmten Bereiches liegt, könnte es eng werden für die Allgemeine Relativitätstheorie. Nichts (ausreichend) Genaues weiß man also auch weiterhin nicht.

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