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Nanotechnologie: Schwimmende Nanowürmer

Wenn die Welt klein wird, fängt sie an zu kleben. Auf Ebene der Moleküle treten andere Regeln in den Vordergrund, als wir in unserem makroskopischen Leben wahrnehmen. Beim Schwimmen zum Beispiel kommt es darauf an, die Viskosität des Wassers zu überwinden - als müssten wir durch einen Topf voller Honig paddeln.
Wenn wir Menschen uns im Sommer abkühlen wollen, springen wir ins nächste Schwimmbad und drehen ein paar Runden. Wie man im Wasser vorwärts kommt, haben wir als Kind im Schwimmunterricht gelernt. Durch gezielte Stöße mit Armen und Beinen überwinden wir die Trägheit unseres eigenen Körpers und des Wassers, das uns Platz machen muss. Eigentlich ganz einfach.

Für Schwimmer, die so richtig winzig sind, wäre eine derartige Technik völlig ungeeignet. Im Bereich von Nanometern spielt die Massenträgheit keine herausragende Rolle mehr – dafür sind die Massen viel zu klein. Stattdessen kommt es nun auf die vielen kurzzeitigen Bindungskräfte zu den umgebenden Molekülen an. Mit ihren elektrischen Ladungen ziehen sie einander an und geben auch einen Schwimmer nur ungern frei. Die Viskosität des Wassers gilt es zu überwinden. Technisch gesprochen lautet die Frage darum: Wie schwimmt man in einem Medium mit niedriger Reynolds-Zahl?

Der Trick, so wissen Physikochemiker, liegt darin, eine zeitlich nicht symmetrische Bewegung als Antriebskraft zu wählen. Bakterien erreichen dieses Ziel beispielsweise durch fadenförmige Geißeln, die wie kleine Propeller in nur eine Richtung drehen und so die ganze Zelle ziehen oder schieben. Ramin Golestanian vom iranischen Institute for Advanced Studies of Basic Sciences und Ali Najafi vom Dresdener Max-Planck-Institut für die Physik komplexer Systeme glauben, eine noch viel einfachere Methode gefunden zu haben – wenn auch bislang nur in der Theorie.

Der idealisierte Nanoschwimmer besteht aus drei Kugeln, die über zwei starre Stangen in einer Reihe miteinander verbunden sind. Um sich durch das Wasser zu kämpfen, kontrahiert eine molekulare Maschine auf der mittleren Kugel die linke Stange. Dadurch nähert sich die linke Kugel ein großes Stück den beiden anderen, die ihrerseits einen kleinen Weg nach links zurücklegen. Im nächsten Schritt verkürzt eine zweite Maschine die rechte Stange um den gleichen Betrag. Wieder bewegen sich die einzelne (diesmal die rechte) Kugel und der restliche Schwimmer ein bisschen aufeinander zu. Nun streckt der Nanoschwimmer erst seinen linken Arm und danach den rechten. Insgesamt erinnert die Bewegung an einen Wurm, der mit Kontraktion und Strecken voran kriecht. Unter dem Strich hat der ganze Mechanismus sich ein wenig nach rechts verschoben, haben die beiden Forscher errechnet.

Das mag alles nicht sonderlich aufregend klingen, doch Nanotechniker wären froh, wenn sie so einen Schwimmer fertig für den Einsatz zur Hand hätten. In den winzigen Dimensionen dieser Welt kleinste Bauteile exakt zu positionieren, ist nämlich eine wahre Mammutaufgabe – die könnte ein kleiner Helfer mit Eigenantrieb viel bequemer erledigen. Somit ist klar, woran Golestanian und Najafi demnächst arbeiten wollen: Ihr Schwimmer soll es von der Theorie in die Praxis schaffen. Keine leichte Aufgabe, denn in der wirklichen Nanowelt bekommt der Sportler es mit so unwägbaren Problemen zu tun wie Schwerkraft, Rauschen der molekularen Maschinchen und Zusammenstöße mit den Molekülen des Mediums. Die Welt im Nanokosmos ist eben auch rau.

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