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Klima: Schwitzstopp

Von den Kontinenten strömt immer mehr Wasser ins Meer. Eine Folge der Klimaerwärmung? Durchaus - doch auf unerwartetem Wege.
Wolken über dem Meer
Im Wasserkreislauf unseres Planeten scheint alles klar geregelt: Verdunstetes Wasser aus Böden, Gewässern und Pflanzen bildet Wolken, die ihre Fracht am selben oder anderen Orten wieder abladen. Die lokale Differenz zwischen Niederschlag und Verdunstung landet letztendlich in den ober- und unterirdischen Wasseradern der Kontinente und strömt in die Meere. Pegelmessungen der letzten Jahrzehnte zufolge füllen sie die Badewannen der Ozeane jedoch voll und voller. Was steigert den Abfluss?

Ein beliebter Verdächtiger in solchen Fragen ist die globale Erwärmung, ist sie doch bekannt dafür, dass sie Niederschlagsmuster verändert. Vielleicht wirkt sich hier aber auch eine durch Aerosole verminderte Sonneneinstrahlung aus: Sie würde dazu führen, dass die Verdunstung aus offenen Wasserflächen zurückgeht. Nicht zu vergessen der Einfluss der Landnutzung und Bewässerung, die unter anderem in die Rückstrahlungseigenschaften der Landoberfläche und damit den Energiehaushalt eingreifen oder auch die Bodentiefe mitbestimmen, in der Pflanzenwurzeln das kostbare Nass noch ergattern können.

Eine Beobachtung, eine unbekannte Ursache, viele mögliche Faktoren – da helfen nur Modelle und Statistik bei des Rätsels Lösung. Also fütterten Nicola Gedney vom Hadley-Zentrum für Klimavorhersage und Klimaforschung und ihre Kollegen eine Simulation des Wasserkreislaufs der Landoberfläche mit den Daten und hielten in jedem Durchgang einen anderen Parameter konstant. Mit einer ausgeklügelten Analyse kamen sie dann einem Schuldigen auf die Schliche.

Es ist der übliche Verdächtige – der Klimawandel –, aber nicht auf dem erwarteten Wege. Denn die Veränderung der Niederschlagsmuster prägte sich zwar auf allen Kontinenten in den veränderten Abflussdaten durch, erklärte aber nicht die langfristige Zunahme über die Jahrzehnte hinweg. Auch die anderen Faktoren – verringerte Sonneneinstrahlung durch Aerosole und Landnutzung – lieferten keine passenden Ergebnisse.

Aber die Wissenschaftler hatten noch einen weiteren Faktor integriert, der auf den ersten Blick vernachlässigbar erscheinen mag: die weniger schwitzenden Pflanzen. Denn bei steigenden Kohlendioxid-Konzentrationen machen diese ihre Atemporen, die Stomata oder Spaltöffnungen, häufiger dicht – schließlich bekommen sie ihre Fotosynthese-Grundstoff nun in Übermaß geliefert. Mit der Schließung aber geht ihnen auch weniger Wasserdampf verloren, weshalb sie weniger feuchten Nachschub aus dem Boden benötigen. Was oben gespart wird, bleibt unten übrig und schlängelt sich auf verschlungenen Pfaden ins Grundwasser und damit letztlich in die Flüsse.

Nur wenn dieser mikroskopische Effekt berücksichtigt wird, so stellten Gedney und ihre Kollegen fest, zeichnet ihre Simulation die real beobachtete globale Zunahme des Abflusses richtig nach. Doch erheben die Forscher keinen Anspruch darauf, damit des Rätsels einzige Lösung gefunden zu haben – schließlich gebe es noch andere Einflüsse, die sie nicht berücksichtigt hatten. Ganz offensichtlich dürfe dieser direkte Einfluss des CO2 auf den Stoffwechsel der Pflanzen aber nicht vergessen werden, wenn es um Zukunftsprognosen gehe.

Apropos Zukunftsprognosen: Inwiefern beeinflusst die verstärkte Spaltöffnungsschließung das globale Klima womöglich über den Abflusseffekt hinaus? Da sich mit der verringerten Verdunstung auch der Energiefluss ändert, könnte sich der Schwitzstopp noch in anderen Bereichen des Klimagetriebes als unerwartet zentrales Rädchen entpuppen. Davon abgesehen hängen auch Prognosen der Süßwasservorräte und so der Trinkwasserversorgung damit zusammen. Und für Wissenschaftler eröffnet sich womöglich ein ganz neues Forschungsfeld: wie sich über Langzeitdaten von Flusspegeln der Effekt der globalen Erwärmung auf die Vegetation ausklamüsern lässt.

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