Direkt zum Inhalt

Astroteilchenphysik: Sein oder nicht sein – erste Ergebnisse von AMS-02

Am 3. April 2013 wurden die ersten Ergebnisse des AMS-02-Experiments veröffentlicht, das den Anteil von Antimaterie in der kosmischen Teilchenstrahlung untersucht. Der bei hohen Energien beobachtete Überschuss an Positronen lässt sich jedoch noch nicht ohne Weiteres erklären.
Alpha Magnetic Spectrometer auf der ISS für die Suche nach Antimaterie

Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage. – Oder physikalisch ausgedrückt: Wie viel Antimaterie gibt es wirklich im Universum und woher stammt sie? Um diese Frage zu klären, ist das Experiment AMS-02 (Alpha Magnetic Spectrometer) seit dem 19. Mai 2011 auf der Internationalen Raumstation ISS installiert. Dort fängt es hochenergetische Teilchenstrahlung aus den Tiefen des Kosmos ein. Mit dem Massenspektrometer lassen sich physikalische Parameter wie Masse, Ladung, Energie, Eintrittszeitpunkt sowie Richtung der Teilchen messen und daraus Aussagen über die Teilchenart und ihre Herkunft treffen.

In den ersten eineinhalb Jahren analysierte das AMS-02 25 Milliarden Primärereignisse kosmischer Teilchenstrahlung. All diese hochenergetischen Teilchen trafen direkt aus den Tiefen des Weltraums auf die Detektoren. Sie wurden also nicht in einer Barriere wie der irdischen Atmosphäre abgebremst oder in Lichtblitze und andere Teilchenarten umgewandelt.

Relativer Positronenanteil | Mit dem AMS-02 wurde der relative Positronenanteil (Anzahl der Positronen/Anzahl der Positronen und Anzahl der Elektronen) in der kosmischen Teilchenstrahlung sehr viel präziser gemessen als in Vorgängerexperimenten. Die Messungen dauerten von Mai 2011 bis Dezember 2012.

Mit ihrer ersten Veröffentlichung stellt die AMS-Kollaboration nun eine Studie vor, in der sie den Bruchteil von Antimaterie zu Materie anhand der Messungen im Energiebereich von 0,5 bis 350 Gigaelektronvolt bestimmt. Von den 25 Milliarden Ereignissen ließen sich dabei 6,8 Millionen eindeutig als Elektronen beziehungsweise deren Antimateriepartner bestimmen. Im Energiebereich von 0,5 bis 10 Gigaelektronvolt nimmt der relative Positronenanteil zunächst mit zunehmender Energie ab. Dieser Abfall ist zu erwarten, denn bei höheren Energien dünnt sich die Anzahl aller kosmischer Teilchen zunehmend aus. Oberhalb von 10 Gigaeletronvolt steigt die relative Positronenzahl jedoch wieder stetig an bis sie bei rund 250 Gigaelektronvolt zu stagnieren scheint. Allerdings bedarf es für eine zuverlässige Aussage in diesem Bereich noch der Analyse weiterer Messdaten. In die Studie fließen hier erst rund 10 Prozent der erwarteten Messdaten ein. – Ganz neu sind diese Ergebnisse nicht. Allerdings hat AMS die relative Positronenzahl mit sehr viel höherer Genauigkeit gemessen als es bei Vorgängerexperimenten möglich war.

Die eigentliche Frage ist nun aber: Wenn die kosmische Teilchenstrahlung zu höheren Energien generell abnimmt, warum steigt dann ausgerechnet der relative Positronenanteil gegen diesen Trend an? Eine Erklärung wäre etwa, dass die überschüssigen Positronen bei Beschleunigungsprozessen im Magnetfeld von Pulsaren in unserer eigenen Galaxis entstehen. Allerdings ist das Spektrum des relativen Positronenanteils zeitlich unabhängig und lässt keinerlei Anisotropie erkennen. Die energiereichen Positronen kommen also aus keiner bevorzugten Richtung des Alls oder von Punktquellen, wie es bei Pulsaren der Fall wäre. Daher ist dieses Phänomen als Ursache also eher auszuschließen. Eine andere Möglichkeit: Die Positronen könnten bei Kollisionen zwischen Teilchen Dunkler Materie entstehen. In diesem Fall wäre tatsächlich eine homogene und zeitlich unabhängige Verteilung der Positronenstrahlung zu erwarten.

Ob und welche der beiden Interpretationen zutrifft, darüber erhoffen sich die Wissenschaftler Aufschluss, nachdem sie weitere Daten vor allem bei den höheren Energien ab 250 Gigaelektronvolt analysiert haben. Mit einer besseren Statistik ließe sich dann vermutlich erkennen, ob der relative Positronenanteil bei dieser Energiemarke wirklich stagniert beziehungsweise oberhalb von 350 Gigaelektronvolt zurückgeht. Dies spräche eventuell für den Ursprung aus Wechselwirkungen von Dunkler Materie. Sollte sich dagegen zeigen, dass der Positronenanteil bei diesen hohen Energien doch weiterzunimmt, wäre es angebracht, die Pulsarhypothese weiter zu prüfen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.