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Meeresbiologie: Seite an Seite durch die Fluten

"Delfinfreundlich gefangen" - dieses Etikett prangt auf nahezu allen Tunfischkonserven und preist Ware aus angeblich ökologisch verträglicher Fischerei an. Doch warum haben sich die Bestände der Meeressäuger im tropischen Ostpazifik bislang noch nicht wieder erholt?
Delfin
Elegant reiten die Meerestiere auf den hohen Wellen der Ozeane und springen mehrere Meter aus dem Wasser heraus. Junge Delfine sind noch nicht so kraftvolle Schwimmer wie die erwachsenen Säuger. Um die eigenen Reserven zu schonen, bedienen sie sich für die Fortbewegung eines Tricks: An der Seite der Mutter nehmen sie eine bestimmte Position ein, sodass sie quasi in ihrem Windschatten durch die Fluten gleiten. Mit Hilfe dieser "Energiesparmaßnahme" kommt der Delfinnachwuchs gar in den Genuss eines "kostenlosen Trips".

Dieses Phänomen hat Daniel Weihs vom Israelischen Institut für Technologie nun näher beleuchtet, indem er die komplexen hydrodynamischen Wechselwirkungen zwischen einer solchen Mutter-Kind-Formation nachbildete. Als Ersatz für echte Meeressäuger dienten ihm in seinem Modell zwei unterschiedlich große Objekte von Delfingestalt, die er im Wasser schwimmen ließ. Wie seine Analysen enthüllten, erzeugt die Bewegung des Wassers um die künstlichen Versuchstiere zwei Effekte. Und beide helfen dem Delfinjungen, sich an die "Fersen" der Mutter zu heften.

Delfinpaar | Delfinmutter und ihr Junges: Das Jungtier kann im Strömungsschatten der Mutter Energie sparend mitschwimmen.
Der erste ist dem Windschatten-Effekt vergleichbar, von dem auch Radrennfahrer profitieren: Bewegt sich die Delfinmutter, drückt sie das Wasser vor ihr nach vorne und sternförmig nach außen, während die Flüssigkeit hinter dem Körper nachströmt, um die Masse des Tieres zu ersetzen. Zudem tritt der Bernoulli-Effekt auf, der auch Flugzeuge in der Luft hält: Durch die hohe Strömungsgeschwindigkeit zwischen dem Delfinpaar entsteht ein Unterdruck, der das Junge seitlich in Richtung der mütterlichen Flanke ansaugt.

Bewegen sich Delfinkalb und Mutter Seite und Seite und berühren sich fast dabei, kann sich der Nachwuchs durch diese beiden Effekte größtenteils auf die Schwimmleistung des Elterntieres stützen, um vorwärts zu gleiten. Bei idealer Position liefert die Delfinmutter nahezu neunzig Prozent der Schubkraft, die das Junge für eine Geschwindigkeit von etwa 8,5 Kilometer pro Stunde benötigt. "Der maximale Schub wird erreicht, wenn sich der Schwerpunkt des Kalbes etwa auf zwei Drittel der mütterlichen Körperlänge befindet", erläutert Weihs. "Diese Position ändert sich nicht, während das Jungtier wächst. Das ist wahrscheinlich sehr nützlich, da es nur eine derartige Position lernen muss."

Auswertungen von Luftbildern des Spinner-Delfins (Stenella longirostris) bestätigten, dass die Kälber tatsächlich die energetisch günstigste Position für die Vorwärtsbewegung anstreben, die das Modell voraussagte. Wie der Forscher zudem in weiteren Untersuchungen herausfand, schrumpfen die anziehenden Kräfte auf das Jungtier schnell, wenn sich das Mutter-Kind-Paar auseinander bewegt. Und schwimmen die Delfine schneller, fallen die relativen Energieeinsparungen des Kalbes geringer aus.

Die neuen Ergebnisse könnten auch erklären, warum sich die Delfinpopulationen im tropischen Ostpazifik trotz der Einschränkungen im Tunfischfang nicht erholt haben: Fliehen Mutter und Kind vor den Fischerbooten, kann die Verbindung zwischen den beiden leicht reißen, spekuliert Weihs. Denn das Tierpaar ist gezwungen, bei einer Beschleunigung auseinander zu weichen, um sich durch die größeren Körperbewegungen nicht gegenseitig zu verletzen. Folglich werden die Jungen andauernd von den Müttern getrennt und finden möglicherweise nicht wieder zu ihnen zurück.

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