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Selbstbild: Selbst ernannte Experten überschätzen ihr Wissen häufiger

Wer glaubt, viel zu wissen, kennt sich manchmal sogar mit Dingen aus, die es eigentlich gar nicht gibt. Das kann nicht nur kurios, sondern auch gefährlich sein, mahnen Forscher.
Dokturhut

Betrachtet sich jemand als Experte auf einem bestimmten Wissensgebiet, lässt er sich häufiger dazu hinreißen, auch falsches Wissen für sich zu beanspruchen. Das berichten nun Forscher um Stav Atir von der Cornell University in Ithaca. Atir und Kollegen hatten dem Phänomen des so genannten "Overclaiming" auf den Zahn gefühlt, bei dem Menschen ihr Wissen überschätzen und etwa behaupten, auch mit Begrifflichkeiten vertraut zu sein, die es eigentlich gar nicht gibt, oder bereits von Ereignissen gehört zu haben, die überhaupt nie stattfanden.

In einer Reihe von Experimenten ließen die Wissenschaftler ihre Probanden beispielsweise zunächst selbst einschätzen, wie gut sie sich in der Welt der Finanzen auskannten. Anschließend präsentierten sie ihnen eine Liste mit 15 vermeintlichen Fachtermini, bei denen die Versuchsteilnehmer jeweils angeben mussten, ob sie mit dem Begriff vertraut waren oder nicht. Dabei zeigte sich: Je mehr Ahnung die Probanden in ihren eigenen Augen hatten, desto besser wussten sie erstaunlicherweise nicht nur über Inflation oder bestimmte Arten von Eigenkapitaldarlehen Bescheid, sondern waren sich etwa auch sicher, schon mal etwas von "annualisierten Krediten" gehört zu haben, obwohl das Team um Atir den Begriff in dieser Form frei erfunden hatte. Denselben Trend beobachteten die Wissenschaftler nicht nur bei Finanzthemen, sondern auch wenn es um Wissen rund um Biologie, Literatur, Philosophie oder Geografie ging. Selbst wenn die Wissenschaftler ihre Versuchsteilnehmer zu Beginn des Tests vorwarnten und sie darauf hinwiesen, dass es manche der Fachausdrücke gar nicht gab, blieb der Zusammenhang bestehen.

Um zu überprüfen, ob tatsächlich der Glaube an die eigene Expertise zu Overclaiming führt, konfrontierten die Forscher ihre Probanden in einem weiteren Experiment mit einer Liste aus echten und erfundenen Städten in den USA. Zuvor teilten sie die Teilnehmer aber per Zufall in drei Gruppen auf. Zwei davon absolvierten vor der Einschätzung ihrer Geografiekenntnisse ein Städtequiz, das entweder aus besonders einfachen oder aus besonders schweren Fragen bestand. Der Hintergedanke der Wissenschaftler war dabei natürlich der, den Teilnehmern eine Art Referenzwert für ihr Wissen auf diesem Gebiet an die Hand zu geben und so ihre Selbsteinschätzung in die eine oder andere Richtung zu lenken. Und tatsächlich: Wer die einfachen Fragen beantworten durfte, gab hinterher nicht nur an, sich besser auszukennen, sondern war ebenfalls eher von der Existenz von Orten überzeugt, die lediglich der Fantasie der Wissenschaftler entsprungen waren.

Was im Laborexperiment zunächst harmlos erscheint, könnte im wahren Leben schwerwiegendere Folgen haben, warnen die Forscher. So würde Overclaiming manche Menschen dazu verleiten, sich auf Gebieten, in denen sie sich bereits für Experten halten, nicht mehr weiterzubilden. Das könnte im schlimmsten Fall zu dramatischen Fehlentscheidungen führen, etwa wenn es tatsächlich um Finanzen oder Gesundheit geht. In diesem Fall seien dann oft nicht Unwissen und Ignoranz das Problem, sondern vielmehr die "Illusion von Wissen".

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