Vulkanausbruch: Seltsame Minerale deuten auf explodierende Schädel
Etwa 300 Leichen liegen in zwölf Räumen nah am Ufer der antiken Kleinstadt Herculaneum. Von Menschen, die dort im Jahr 79 n. Chr. Schutz vor den Aschewolken des weniger als zehn Kilometer entfernten Vesuvs suchten. Es half nichts. Sie starben so schnell, dass ihre Körper buchstäblich explodierten – behauptet nun jedenfalls eine italienische Arbeitsgruppe um den Anthropologen Pierpaolo Petrone von der Universität Neapel. Wie das Team in »PLoS One« berichtet, deutet darauf eine ganze Reihe von Indizien hin; viele der Schädel seien auf spezifische Weise zerbrochen, die auf Explosion durch verdampfende Körperflüssigkeit schließen lässt. Außerdem fanden sich an den Knochen und in den Aschelagen um die Leichen herum untypische schwarze und rötliche Rückstände aus Eisenmineralen, die vermutlich bei der thermischen Zersetzung des Bluts zurückblieben.
Bereits 2001 präsentierte Petrone in einem kurzen Beitrag in »Nature« Indizien dafür, dass die Opfer am Ufer von Herculaneum nicht durch die Asche erstickten, sondern durch Hitzeschock starben. Damals war es vor allem die Körperhaltung der Opfer, die nach Ansicht der Arbeitsgruppe auf diese Möglichkeit hinwies, zusammen mit verkohlten Stellen der Knochen. In der neuen Analyse zeichnen die Fachleute nun ein noch deutlicheres und dramatischeres Bild des Ablaufs. Die Opfer hatten in Bootsschuppen vor der Asche der Eruption Schutz gesucht, wo sie vom ersten pyroklastischen Strom getroffen wurden. Ein pyroklastischer Strom entsteht, wenn die extrem heiße, turbulente Wolke aus Gas und Asche über dem Gipfel unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbricht und wie eine Flutwelle die Vulkanhänge hinabrauscht.
Mit einer Temperatur von bis zu 500 Grad Celsius und schneller als ein Rennwagen traf das Gemisch die Schutz suchenden Opfer. Laut Petrone waren sie sofort tot: Die extreme Hitze ließ ihnen keine Zeit zum reagieren, sie wurden, wie sie lagen und standen, instantan gekocht. Ihr Blut verdampfte und hinterließ Krusten aus Eisenoxiden, die bei der Zersetzung von Hämoglobin entstehen; verdampfte Körpersäfte sprengten auch viele Schädel. So schnell wurden die Opfer gekocht, berichtet das Team, dass die Muskeln nicht einmal Zeit hatten, sich durch die Hitze vollständig zu verkrampfen, bevor das Fleisch verdampfte. Mit dieser Darstellung sehen die Fachleute ihre langjährige Vermutung über das Schicksal von Vulkanopfern nicht nur am Vesuv erhärtet: Wenn man nah am Berg ist, erstickt man nicht durch die Asche. Man hört nur ein lauter werdendes Brausen, und dann ist man tot.
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