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Seuchen: Was tötete Napeolons große Armee?

Napoleons Feldzug gegen das russische Zarenreich gehört zu den verlustreichsten Kriegen der Geschichte. Viele Soldaten starben an Seuchen. Manche davon werden erst jetzt ermittelt.
Ein Gemälde zeigt eine historische Szene mit einem Reiter auf einem weißen Pferd, umgeben von erschöpften Soldaten in Winterkleidung. Der Boden ist schneebedeckt, und einige Soldaten liegen am Boden. Die Atmosphäre wirkt düster und bedrückend, was die Härte der dargestellten Situation unterstreicht. Im Hintergrund sind Kanonen und weitere Soldaten zu sehen, die den Eindruck eines Rückzugs oder einer Niederlage vermitteln. Das Gemälde stammt von Adolph Northen und hat den Titel: Napoleons Rückzug aus Russland, 1851.
Ungeschlagen im Feld, aber drastisch dezimiert durch Hunger, Kälte und Krankheiten: Napoleons Armee auf dem Rückzug aus Russland.

Ab dem 24. Juni 1812 überschritten rund 600 000 Soldaten unter Führung des französischen Kaisers Napoleon die Memel, den Grenzfluss zwischen Ostpreußen und dem russischen Zarenreich. Ein knappes halbes Jahr später kehrten nur wenige zehntausend Mann über den Fluss zurück: Der Rest war in Schlachten gefallen, starb durch Erfrierung im einsetzenden Winter, verhungerte oder fiel Seuchen zum Opfer. Der Krieg war einer der verlustreichsten der Geschichte. Eine noch nicht veröffentlichte Studie des Mikrobiologen Rémi Barbieri von der Université de Paris Cité und seines Teams fügt nun einige Erreger der tödlichen Krankheitswellen hinzu, die bislang unbekannt waren.

Ärzte, welche das Heer damals begleiteten, diagnostizierten in vielen Fälle Typhus mit Symptomen wie Fieber, Kopfschmerzen und Hautausschlägen. Doch Barbieri und Co konnten zumindest in der DNA aus Zähnen von 13 Soldaten, die sie untersuchten, keine Hinweise auf das verantwortliche Bakterium Rickettsia prowazekii nachweisen. Stattdessen stießen sie auf Spuren der Bakterien Salmonella enterica - das Paratyphus auslöst - und Borrelia recurrentis. Letzteres verursacht das sogenannte Rückfallfieber und wird vor allem durch Kleiderläuse übertragen.

Durch Kälte und Hunger waren die Soldaten, die meist unter fürchterlichen hygienischen und klimatischen Bedingungen fliehen mussten, deutlich geschwächt und so konnten die Erreger den Menschen bis zum Tod zusetzen. Der Nachweis der beiden Bakterien bedeute jedoch nicht, dass nicht auch Typhus die Soldaten hinwegraffte, schreiben die Wissenschaftler: Sie konnten bislang erst die Zähne der 13 Toten untersuchen. In einem Massengrab bei Vilnius in Litauen, das 2001 entdeckt wurde, liegen jedoch mehr als 3000 Leichen begraben.

Viele der Toten wurden komplett mit ihren Uniformen und zusammen mit Pferden, aber ohne Waffen beerdigt. Historiker gehen daher davon aus, dass sie nicht im Kampf, sondern auf dem verlustreichen Rückzug starben. Zu ihrer Überraschung wies das Team um Barbieri auch das Bakterium Bartonella quintana nicht nach: Es löst das Fünf-Tage-Fieber aus, das zu plötzlich einsetzenden Kopfschmerzen und einer aseptischen Meningitis führt. Im Ersten Weltkrieg starben zahlreiche alliierte Soldaten an der Westfront daran, weshalb es auch den Namen Schützengrabenfieber erhielt. Es galt bislang ebenfalls als eine der wichtigsten Todesursachen unter den fliehenden Soldaten der Grande Armée und wird wie Borrelia recurrentis durch Kleiderläuse übertragen.

Napoleon selbst überstand den Rückzug nahezu unbeschadet. Seiner Herrschaft über Europa bereiteten die Verluste jedoch ein schleichendes Ende. Nach und nach setzten die Befreiungskriege ein. 1815 wurde Napoleon schließlich in der Schlacht von Waterloo endgültig von Großbritannien und Preußen besiegt.

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  • Quellen
Barbieri, R. et al., BioRxiv 10.1101/2025.07.12.664512, 2025

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