Direkt zum Inhalt

Wohlwollender Sexismus: Die Schattenseite der Tradwives

Warum traditionelle Rollenbilder wieder im Trend liegen und was hinter dem »Women are wonderful«-Effekt steckt.
Eine Frau und ein Kind, beide in Schürzen, stehen in einer Küche vor einem geöffneten Backofen. Frisuren und Kleidung der beiden lassen darauf schließen, dass die Aufnahme bereits etwas älter ist. Die erwachsene Frau legt dem Kind sanft die Hand auf die Schulter, während es ein Backblech mit Gebäck in den Ofen schiebt. Im Hintergrund ist ein Tisch mit Blumen zu sehen. Die Szene vermittelt eine warme, häusliche Atmosphäre.
Einige Menschen sehnen sich zu einer guten alten Zeit zurück, in der Frauen vermeintlich noch Frauen waren und Männer noch Männer.

Eine junge Frau lächelt in die Kamera. Frisur, Kleid und der frischgebackene Kuchen in der Hand lassen sie wirken wie die perfekte Hausfrau der 1950er Jahre. Doch die sogenannten Tradwives sind kein Relikt aus der Vergangenheit, sondern ein modernes Phänomen. Auf Instagram, Tiktok und Youtube präsentieren sie ein sorgfältig kuratiertes Leben, das die Rückkehr in eine Zeit befürwortet, in der Frauen den Haushalt führten, die Kinder großzogen und ihren Ehemann verehrten.

Diese nostalgisch aufgeladene Inszenierung findet ihre Entsprechung in einer anderen Strömung im Netz: der »Manosphere«. Dort propagieren Figuren wie der Influencer Andrew Tate, gegen den Strafverfahren wegen Vergewaltigung und Menschenhandel laufen, oder der AfD-Politiker Maximilian Krah ein Bild von Männlichkeit, das laut, herablassend und dominant daherkommt. Untermalt wird das Ganze von Sportwagen, Zigarren und Prahlereien über sexuelle Eroberungen.

Je mehr die LGBTQ-Bewegung in den vergangenen Jahrzehnten traditionelle Geschlechterrollen infrage gestellt hat, desto stärker formierte sich eine Gegenbewegung, die ebenjene Rollenbilder neu beleben will – trotz oder gerade wegen ihres ausgeprägten Sexismus. Woher rührt die Faszination, die diese Bilder auf Millionen von Menschen ausüben? Welche Funktionen erfüllen sie, und wie tief sitzen sie in unserem kollektiven Selbstverständnis? Welche Nachteile oder auch Vorteile bergen sie für jene, die sich dieser Klischees bedienen?

Die Sozialpsychologin Alice Eagly und ihr Kollege Antonio Mladinic beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit diesem Thema. 1994 veröffentlichten sie einen Aufsatz zu einer scheinbar einfachen Frage: »Sind Menschen voreingenommen gegenüber Frauen?« Durchaus provokant nach Jahrzehnten der feministischen Kritik an einer strukturellen Benachteiligung des weiblichen Geschlechts.

Eagly, Mladinic und ihre Kolleginnen und Kollegen wollten jedoch genauer wissen, welche Einstellungen gegenüber Männern und Frauen herrschen. In mehreren Studien sollten Studierende dafür auf einer siebenstufigen Skala bewerten, ob Männer oder Frauen als »gut« oder »schlecht«, »positiv« oder »negativ« gelten. Außerdem sollten sie frei benennen, welche Eigenschaften sie den Geschlechtern zuschreiben.

Frauen haben ein gutes Image

Das überraschende Ergebnis: Frauen wurden im Schnitt mit wohlwollenderen Adjektiven belegt. Zwar bewerteten die Teilnehmenden auch Männer überwiegend positiv, doch reichte deren Beliebtheit nicht an die der Frauen heran. Eagly und Mladinic nannten dieses Phänomen den »Women are wonderful«-Effekt. Er gründet auf der Zuschreibung netter, fürsorglicher und gemeinschaftsorientierter Eigenschaften – Merkmalen, die als klassisch weiblich gelten.

Wenn Männer positiv bewertet wurden, beruhte das hingegen überwiegend auf Eigenschaften wie Tatkraft, Selbstwirksamkeit, Kompetenz und Durchsetzungskraft – klassisch maskulinen Attributen. Die Psychologen Peter Glick und Susan Fiske umschrieben diesen Effekt mit »Men are bold«. Solche Projektionen führen laut ihnen mit dazu, dass Männer als weniger geeignet für die häusliche Sphäre und Frauen als kaum gewappnet für bestimmte Berufe gelten.

Nach der Rollenkongruenztheorie werden Abweichungen von diesen als positiv empfundenen Rollenbildern tendenziell negativ sanktioniert. Verhält sich ein Mann also »unmännlich« oder eine Frau »unweiblich«, reagiert das Umfeld oft mit Missbilligung – etwa in Form abfälliger Kommentare.

Eagly und Mladinic trugen mit ihrer Studie zur Erforschung des sogenannten ambivalenten Sexismus bei. Dieser setzt sich aus »hostilen«, also feindseligen, und »benevolenten«, also wohlwollenden Anteilen zusammen. Hostiler Sexismus umfasst abwertende Einstellungen wie die Vorstellung, Frauen seien manipulativ oder abhängig. Laut der Sozialpsychologin Julia Becker liegt diesem wenig schmeichelhaften Narrativ die Furcht zugrunde, Frauen könnten zu viel Macht erlangen. Frauen können aber auch feindselig-sexistische Vorstellungen von Männern haben. Sie sehen sie dann zum Beispiel als skrupellose Akteure, die moralische Maßstäbe für eigene Ziele opfern. Im Gegensatz dazu umfasst benevolenter Sexismus positive, aber dennoch stereotype Vorstellungen wie das Bild der fürsorglichen Ehefrau oder des starken Beschützers. Darunter fallen auch der Women-are-wonderful- und der Men-are-bold-Effekt.

Schon Kinder kennen Geschlechterklischees

Ambivalent-sexistische Einstellungen zeigen sich bereits im Kindesalter. In einer 2021 veröffentlichten Studie befragten Psychologen 237 Fünf- bis Elfjährige zu ihrer Sicht auf Männer und Frauen. Dabei zeigte sich, dass die Kinder Aussagen, die auf hostilem Sexismus beruhen, tendenziell als »einigermaßen falsch« einschätzten und solche, die benevolent-sexistisch waren, als »einigermaßen richtig«. Jüngere Kinder neigten zu extremeren Ansichten, wobei benevolent-sexistische Einstellungen bei Jungs ziemlich konstant blieben. Die Forscher vermuten, dass Jungen benevolenten Sexismus als zuträglicher und harmloser wahrnehmen als Mädchen.

Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass dort, wo ambivalent-sexistische Einstellungen stärker ausgeprägt sind, mehr Ungleichheit zwischen den Geschlechtern herrscht. Das belegt eine Studie, in der mehr als 8000 Teilnehmer aus aller Welt befragt wurden. Das Ergebnis entsprach dem Muster früherer Studien, vor allem aus den USA: Frauen wurden durchweg positiver bewertet als Männer – und zwar von beiden Geschlechtern. In Ländern mit besonders ausgeprägter Ungleichheit, etwa Syrien und Kuba, äußerten sich Frauen sogar noch stärker benevolent-sexistisch als Männer.

Dies deutet darauf hin, dass die Übernahme solcher Einstellungen für Frauen eine Art Schutzmechanismus darstellt: Je mehr strukturelle Macht Männer haben, umso mehr sind Frauen von ihnen abhängig. Wie Julia Becker ausführt, haben Menschen eine Tendenz zur Systemrechtfertigung. Sie haben das Bedürfnis, die übergeordneten Systeme, denen sie angehören, als gut und richtig zu empfinden, da sie in einer vorhersehbaren und gerechten Welt leben wollen. Es wäre also unangenehm, sich eingestehen zu müssen, dass dies nicht der Fall ist. In traditionellen Gesellschaften ist der psychologische Anreiz für Frauen dementsprechend hoch, sich unterzuordnen und Haltungen zu übernehmen, die diese Gesellschaftsordnung rechtfertigen. Gleichzeitig verspricht der benevolente Sexismus, mit der Anerkennung, die er für Frauen bringt, die Nachteile des hostilen Sexismus auszugleichen.

Wie sexy sind Sexisten?

Die beiden Spielarten des Sexismus treten meist im Doppelpack auf. Das heißt, dass Frauen, die Männer als starke Beschützer sehen, sie im Gegenzug auch eher als gewissenlos betrachten. Und ein Rosenkavalier, der Frauen als entzückende und schützenswerte Wesen betrachtet, hält sie höchstwahrscheinlich gleichzeitig für intrigant und schwach.

Trotzdem wünschen sich offenbar viele Frauen so einen traditionellen Gentleman. Ein Team um den Genderforscher Gerd Bohner von der Universität Bielefeld wollte herausfinden, wie sexy sexistische Männer wirken. Die Antwort: ziemlich sexy. Zumindest, wenn sie nur benevolente sexistische Einstellungen zeigen. Die Forscher präsentierten dafür deutschen Studentinnen ausgedachte Profile, die einen Mann als rein benevolent, rein hostil oder ambivalent sexistisch zeigten oder als nicht sexistisch. Auf die Fragen, wen sie vermutlich am meisten mögen würden, hatte der wohlwollende Sexist die Nase vorn. Der nichtsexistische und der ambivalent-sexistische Mann lagen in Bezug auf die Popularität im Mittelfeld, der rein hostile Sexist war sehr unbeliebt. Gleichzeitig hielten die Frauen ausschließlich benevolent-sexistische Männer für eine Seltenheit, der häufigste Typ Mann war ihrer Einschätzung nach der hostile Sexist.

Doch nicht nur hostil-sexistische Männer haben problematische Ansichten. Auch benevolente Sexisten suchen häufiger die Verantwortung für Vergewaltigungen bei den Opfern, wie eine Studie von 2003 zeigte, an der Bohner ebenfalls beteiligt war. Auf gesellschaftlicher Ebene erhalte benevolenter Sexismus außerdem trotz der teils ehrbaren Absicht die ihm zugrundeliegende Ungleichheit. Denn Frauen wird dabei ein Wesen zugesprochen, das »von Natur aus« besser für Haus und Herd sowie Berufe mit geringerem Status und Lohn geeignet sei. Gleichzeitig wird Vertretern des »starken Geschlechts« suggeriert, sie seien für gefährliche Jobs und Überstunden bestimmt.

Sexismus in der Arbeitswelt

Die Wirkmacht sexistischer Vorstellungen zeigt sich besonders stark in der Arbeitswelt. Wenn Männer und Frauen in den »falschen« Bereichen unterwegs sind, also wenn Männer versuchen, in klassischen Frauenberufen Fuß zu fassen, oder umgekehrt Frauen in Männerberufen, dann sind sie mit vielen Hindernissen konfrontiert. Die Psychologin Madeline Heilman und der Sozialforscher Aaron Wallen untersuchten das in einer 2010 erschienenen Arbeit. Probanden bekamen Profile von Finanzberatern (»typisch männlicher« Beruf) oder HR-Beratern (»typisch weiblicher« Beruf) vorgelegt, die stets als kompetent ausgewiesen waren. Einige der abgebildeten Personen entsprachen dem »passenden« Geschlecht für ihren Job, andere nicht. Die Probanden sollten ihre Einschätzung abgeben – unter anderem dazu, wie sympathisch die Personen waren, zu ihren Führungsqualitäten und anderen Eigenschaften. Das Ergebnis: Frauen mit Erfolg in »männlichen« Berufen wurden als kälter und manipulativer wahrgenommen als ihre männlichen Kollegen, Männer mit Erfolg in »weiblichen« Berufen hingegen als schwächer und weniger respektiert.

Für Männer ist das ein Problem, weil mittlerweile einige Berufe größtenteils von Frauen ausgeübt werden – etwa im Schuldienst oder in der Psychotherapie. In Deutschland sind 73 Prozent aller Lehrkräfte und rund 77 Prozent der psychologischen Psychotherapeuten weiblich. Das ist nicht nur bedauerlich für Männer, die diese Berufe gerne ergreifen würden, sich jedoch von ihrer starken weiblichen Prägung abschrecken lassen. Auch männlichen Schülern fehlen so womöglich Vorbilder. Patienten wiederum, die einen männlichen Therapeuten bevorzugen, haben es bei der ohnehin oft langwierigen Suche nach einem Therapieplatz noch schwerer. 

Für Frauen sind die Hürden auf dem Weg in eine Führungsposition weiterhin hoch. Zwar gelten sie oft als »wundervoll«, werden jedoch zugleich als weniger kompetent und handlungsfähig eingeschätzt. Streben sie dennoch nach oben, laufen sie Gefahr, als kalt wahrgenommen zu werden, weil sie die erwartete mütterlich-umsorgende Rolle nicht erfüllen. Die Psychologin Madeline Heilman hat auch diesen Effekt untersucht. Probanden erhielten Profile von acht Managern und einer Managerin, alle als eindeutig kompetent beschrieben. Zusätzlich enthielten die Profile unterschiedlich viele Informationen zur sozialen Kompetenz. Wurde bei allen vor allem die fachliche Kompetenz betont, schnitten die Männer in der Beliebtheit deutlich besser ab. Umgekehrt stieg die Sympathie für die Managerin signifikant, wenn generell viele positive soziale Eigenschaften erwähnt wurden. Besonders aufschlussreich: Wurde angegeben, dass die Managerin Mutter war, war sie genauso beliebt wie ihre männlichen Kollegen. Offenbar legen sowohl Männer als auch Frauen Wert darauf, dass eine Chefin auch ihre Rolle als fürsorgliche Frau erfüllt.

Das kann allerdings dazu führen, dass mehr Arbeit von ihnen verlangt wird als von Männern. Heilman untersuchte weiter, wie das altruistische Verhalten von Männern und Frauen in Firmen bewertet wird. Probanden wurden Szenarien vorgelegt, in denen fiktive Männer oder Frauen kurz vor Arbeitsschluss von Kollegen um Hilfe bei einem dringenden Problem gebeten wurden. Entweder gingen sie darauf ein oder sie schlugen die Bitte ab.

Dabei zeigte sich das Muster, das die Forscherin erwartet hatte: Von Frauen wurde wie selbstverständlich erwartet, dass sie ihren Kollegen bereitwillig zur Hand gehen, bei Männern wurde dies vielmehr als freiwillige Leistung angesehen. Frauen, die halfen, wurden im Anschluss nicht höher in ihrer Job-Performance bewertet, ebenso wenig wurden sie häufiger für eine Beförderung vorgeschlagen – Männer hingegen schon. Gleichzeitig wurde die Job-Performance von Frauen als geringer bewertet, wenn sie nicht halfen, bei Männern war das nicht der Fall. Allerdings waren Männer nicht vollends aus dem Schneider. In anderen Szenarien wurde von ihnen erwartet, dass sie das obere Management auf Probleme hinweisen oder dass sie mehr Überstunden leisten, wenn ein Projekt fertiggestellt werden muss. Während Frauen sich also um das Miteinander der Kollegen kümmern sollen, sollen Männer Mehrarbeit leisten und Konflikte mit Vorgesetzten austragen.

Wie entbehrlich sind Männer?

Der Men-are-bold-Effekt fördert den Aufstieg in hohe Positionen. Er hat allerdings auch seine Schattenseiten: Männern wird oft weniger Empathie entgegengebracht, ein Phänomen, das als »gender empathy gap« bezeichnet wird. Ein Video aus dem Jahr 2014, das mit versteckter Kamera auf einem Platz in London aufgenommen wurde, verdeutlicht dies: Ein Mann und eine Frau, die sich öffentlich streiten und körperlich angehen, erfahren ganz unterschiedliche Reaktionen von Passanten. Attackiert der Mann die Frau, greifen Zeugen schnell ein und belehren ihn. Im umgekehrten Fall reagieren sie eher amüsiert und halten sich raus. Dies hängt sicher auch mit der wahrgenommenen physischen Überlegenheit des Mannes und der unterschiedlichen Bedrohungslage in Partnerschaften zusammen. Doch auch in anderen Situationen wird Leib und Leben von Männern ein geringerer Stellenwert zugewiesen. So etwa im Krieg, wo zwar alle Zivilisten Opfer von Angriffen oder Massakern werden können, eine Gesellschaft jedoch meist nur die männliche Bevölkerung in den Kampf zum Töten und Sterben schickt. Männer üben außerdem überwiegend die riskanteren Jobs aus. Mehr als 90 Prozent aller Todesfälle am Arbeitsplatz in Deutschland betrafen Männer. Sie sind zudem einsamer und sterben häufiger »deaths of despair« – also Elendstode aufgrund von Alkohol oder anderen Drogen oder an Suizid. Stellenweise schlägt Geschlecht sogar Wohlstand, was Überlebenschancen anbelangt: Auf der Titanic hatten Herren, die in der ersten Klasse gereist waren, eine geringere Überlebenswahrscheinlichkeit als Damen in der dritten Klasse.

Männer können in patriarchalen Gesellschaften seit jeher also müheloser aufsteigen als Frauen. Allerdings können sie auch deutlich tiefer fallen. Der Sozialpsychologe Roy Baumeister von der University of Queensland spricht in diesem Zusammenhang von »male expendability«, männlicher Entbehrlichkeit. Er führt diese relative Geringschätzung männlichen Lebens auf evolutionspsychologische Mechanismen zurück.

Baumeister verweist auf Studien, denen zufolge in der Vor- und Frühgeschichte nur etwa ein Drittel aller Männer, aber rund zwei Drittel aller Frauen Nachkommen hatten. Die Männer, die heute leben, stammen demnach von jenen ab, die sich im harten Wettbewerb um Partnerinnen durchsetzen konnten – sei es durch besondere Fähigkeiten wie Kreativität, Wagemut und Geschick oder durch aggressives und opportunistisches Verhalten. Dadurch konnten sich extreme Ausprägungen sowohl positiver als auch negativer Eigenschaften im männlichen Genpool eher verfestigen. Frauen hätten zudem schlicht nicht die gleiche Motivation, alles aufs Spiel zu setzen, um möglichst viel Reichtum und Status zu erlangen. Solange sie attraktiv genug waren, konnten sich die meisten Frauen in der Geschichte der menschlichen Spezies auch so fortpflanzen.

Laut Baumeister haben sich Gesellschaften diese charakteristischen Eigenschaften und Motive zunutze gemacht, um sich Männern und Frauen auf verschiedene Weise zu bedienen. Männer seien in losen, aber großen sozialen Organisationen wie etwa dem Militär, wirtschaftlichen Unternehmen oder der Wissenschaft formiert worden, um die eigene Kultur zu stärken und gegen andere im Kampf anzutreten. Frauen hingegen seien in die Rolle gedrängt worden, sich um die familiären Beziehungen zu kümmern und den Haushalt zu führen.

Baumeister argumentiert an vielen Stellen spekulativ und bezeichnet Unterschiede als natürlich, die es nicht notwendigerweise sind. Denn wie sehr lassen sich die Unterschiede in der Motivation von Männern und Frauen, bestimmte Berufe zu ergreifen oder mehr oder weniger Überstunden zu leisten, wirklich auf die Evolution zurückführen? Sind sie nicht doch eher darauf zurückzuführen, dass Frauen jahrtausendelang der Zugang zu den meisten Institutionen verwehrt blieb? Oder auf die selbsterfüllende Prophezeiung von Rollenvorstellungen? Wie so oft bei der Natur-Kultur-Frage wird die Antwort eher ein Sowohl-als-auch als ein Entweder-oder sein.

Dennoch verweist Baumeister auf einen wichtigen Punkt: Bilder von männlichem Heroismus und weiblicher Hingabe sind nützlich für Gesellschaften, in denen gefährliche Jobs erledigt und Kinder versorgt werden müssen. Die klassischen Formen von Männlichkeit und Weiblichkeit dienen demnach weniger den Einzelnen als vielmehr den Systemen und Institutionen, in denen sie sich bewegen. Nur wenige Männer und Frauen können hoffen, von diesen alten Bildern stark zu profitieren.

Was aber nicht heißt, dass sie nicht hoffen, zu diesen Auserwählten zu gehören. Tradwives und Anhänger der Manosphere berufen sich auf klassische Rollen, in der Hoffnung, den jeweiligen benevolent-sexistischen Zuspruch zu erlangen. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher und ökonomischer Unsicherheit sind diese Bilder wirkungsvoll. Frauen zeigen ihren Wert, indem sie sich um andere – insbesondere erfolgreiche Männer – kümmern, und erlangen so eine gewisse Sicherheit. Männer wiederum versuchen sich durch Macho-Verhalten von der Konkurrenz abzuheben.

»Wenn ihr euch so verhaltet wie echte Männer und Frauen, wird alles gut«, so das Versprechen beider Arten von Influencern. Die negativen Seiten des wohlwollenden Sexismus – die enge Verbindung mit feindseligen Einstellungen, das Zementieren von Ungleichheit, der Paternalismus und das Aufopfern für Arbeit und Gesellschaft – haben in diesem Heilsversprechen keinen Platz.

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

  • Quellen

Abrams, D. et al., Journal of personality and social psychology 10.1177/0886260506297210, 2003

Baumeister, R. F.: Is There Anything Good About Men? How Cultures Flourish by Exploiting Men, 2010

Eagly, A., Mladinic, A., European Review of Social Psychology 10.1080/14792779543000002, 1994

Glick, P. et al., Journal of Personality and Social Psychology 10.1037/0022–3514.86.5.713, 2004

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.