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Sexualität: Drei ist nicht immer einer zu viel

Viele fantasieren davon, einige probieren ihn aus: den »flotten Dreier«. Was versprechen sich Menschen von Sex zu dritt? Und wie fühlt er sich wirklich an?
Drei Paar Füße ragen unter einer goldenen Bettdecke hervor, die auf einem Bett mit einem gepolsterten Kopfteil liegt. Die Szene vermittelt ein Gefühl von Entspannung und Gemütlichkeit.
Drei Freunde unter einer Decke – das kann auch gutgehen.

Sex gehörte in Pompeji zum Stadtbild. Phallussymbole an Hausfassaden, anzügliche Graffiti in den Gassen und verführerische Szenen auf den Gemälden privater Villen zeugen von der sexuellen Freizügigkeit der Bewohnerinnen und Bewohner der antiken römischen Stadt. Im Fresko einer Therme ist ein Dreier zwischen zwei Männern und einer Frau zu sehen: Sie hat Geschlechtsverkehr mit einem Mann, der zugleich von einem anderen anal penetriert wird.

Liebe zu dritt ist keine Erfindung der Moderne. Es gab sie in verschiedenen Kulturen und Epochen. Im digitalen Zeitalter ist das Interesse an der Praktik ungebrochen. Das pornografische Onlineportal »Pornhub« wertet jährlich Nutzerdaten aus. Der Dreier landet dort regelmäßig unter den Top 10 der beliebtesten Kategorien, bei Männern wie Frauen. Doch wird nur fantasiert – oder auch ausprobiert?

Forschung zum »flotten Dreier« ist vergleichsweise rar. Geht es in der Fachliteratur um Geschlechtsverkehr, handelt diese meist von sexuell übertragbaren Erkrankungen anstatt von praktizierten Vorlieben. Die wohl umfangreichste Erhebung stammt von einem Team um die US-Sexualwissenschaftlerin Debby Herbenick von der Indiana University School of Public Health in Bloomington. Das Forschungsteam befragte 975 Männer und 1046 Frauen in den USA zwischen 18 und 94 Jahren zu ihren Erfahrungen mit verschiedenen sexuellen Praktiken. Demnach hatten zehn Prozent der Frauen und 18 Prozent der Männer mindestens einmal in ihrem Leben einen Dreier gehabt. Je nach kulturellem Umfeld dürften die Zahlen in anderen Regionen der Welt mehr oder minder davon abweichen.

»Es existiert die Vorstellung, Frauen hätten von Natur aus einen gewissen Hang zur Bisexualität«Ryan Scoats, Soziologe

Ryan Scoats gehört zu den wenigen, die den Dreier wissenschaftlich erforschen. In qualitativen Studien hat der Soziologe von der Coventry University in England mit Menschen darüber gesprochen, was sie am Sex zu dritt reizt – und wie sie ihn erleben. »Wenn von einem Dreier die Rede ist, denken viele gleich an zwei Frauen und einen Mann, jedenfalls in heterosexuellen Kreisen«, so Scoats. »Zumindest in westlichen Gesellschaften ist das eher akzeptiert.« Popstars haben den Klassiker unter den Dreiern in Musikvideos inszeniert, etwa Robbie Williams: In »Come Undone« wacht er nach einer wilden Nacht zwischen zwei Frauen auf. Das weibliche Geschlecht, so Scoats, würde gemeinhin als offener für gleichgeschlechtliche Erfahrungen wahrgenommen. »Es existiert die Vorstellung, Frauen hätten von Natur aus einen gewissen Hang zur Bisexualität.« Männern hingegen wird schnell unterstellt, sie seien schwul. Dreier gibt es aber in allen denkbaren Varianten. »Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt«, so Scoats.

Es gibt Dreier zwischen Männern und Frauen, drei Menschen des gleichen Geschlechts sowie zwischen Trans- und nichtbinären Personen. Die sexuelle Orientierung der Beteiligten kann unterschiedlich sein, die Dynamiken variieren: Nicht immer interagieren alle miteinander. In manchen Fällen laden Paare eine dritte Person in ihr Schlafzimmer ein, in anderen haben drei Freunde Sex; manchmal verabreden sich einander unbekannte Personen zum Verkehr oder es sind Sexarbeiterinnen oder Sexarbeiter involviert. Wer, wie und mit wem – die Möglichkeiten sind vielfältig.

In einer Studie befragte Scoats 16 Frauen, was sie über Sex mit zwei Männern denken. »Viele empfanden die Vorstellung als einschüchternd«, sagt er. »Sie äußerten die Sorge, objektiviert zu werden, sich wie ein ›Stück Fleisch‹ zu fühlen. Manche fürchteten auch um die Sicherheit der Frau.« Ihren Vorbehalten lag jedoch die unausgesprochene Annahme zugrunde, dass die Männer sich ausschließlich auf die Frau konzentrieren würden. Als Scoats die Idee einbrachte, dass ja auch die Männer sexuell interagieren könnten, änderten die meisten ihre Einstellung. »Viele empfanden das als ausgeglichener, manche sogar als besonders erotisch.«

Die sexuelle Neugier ausleben

Für Männer könnte ein Dreier mit einem weiteren Mann und einer Frau ein geschützter Rahmen sein, um gleichgeschlechtliche Erfahrungen zu machen, glaubt Ashley Thompson von der University of Minnesota Duluth. In einer Studie von 2025 legte die Sexualforscherin 826 Versuchspersonen fiktive Szenarien vor, in denen Personen entweder einen Dreier oder Sex zu zweit initiierten, entweder mit Menschen des gleichen oder des anderen Geschlechts. Männer, die gleichgeschlechtlichen Sex in einer Zweierkonstellation suchten, wurden deutlich häufiger als homosexuell wahrgenommen als solche, die einen Dreier mit einem Mann und einer Frau initiierten. Thompson folgerte: Im Dreier können Männer ihre sexuelle Neugier ausleben, ohne dass sofort Fragen zu ihrer sexuellen Identität aufkommen.

Unterm Strich stehen Männer dem Thema Dreier offener gegenüber als Frauen. Das könnte teilweise an einem generell ausgeprägteren sexuellen Interesse liegen, vermutet Scoats. Aber sie stoßen auch auf weniger gesellschaftlichen Gegenwind. Statt schiefer Blicke oder Kritik gibt es für Männer, die einen Dreier hatten, oft anerkennendes Schulterklopfen von Freunden. »Ein Dreier kann ein Männlichkeitsbooster sein.« Frauen hingegen müssen um ihren Ruf fürchten. Eine noch unveröffentlichte Forschungsarbeit legt nahe, dass heterosexuelle Frauen Dreiern skeptisch gegenüberstehen, weil sie befürchten, als »Schlampe« abgestempelt zu werden. Man spricht hier auch von »Slut-Shaming«: der gesellschaftlichen Abwertung von Frauen aufgrund ihrer Sexualität oder ihres Sexuallebens.

Als Scoats vor rund zehn Jahren mit seiner Forschung zu Dreiern begann, galten diese häufiger als heute als seltsames, sexuell abweichendes Verhalten, mit dem man seine Beziehung aufs Spiel setzt, sagt er. Heute stünden vor allem junge Menschen dem Thema deutlich entspannter gegenüber. In Serien, Musikvideos und Social Media sind Dreier längst kein Tabu mehr, sondern Teil moderner Beziehungswelten. »Es gibt bei jungen Menschen den Wunsch nach einem aufregenden Sexualleben. Für manche gehört ein Dreier auf die Bucketlist – etwas, was man gemacht haben sollte, bevor man ›alt und vernünftig‹ wird.« Dating-Apps machen die Umsetzung einfacher denn je. Doch ob die Generation Z wirklich häufiger Dreier hat als ältere Generationen? Daten dazu fehlen, aber Scoats bezweifelt das: »Es ist eine Sache, offener zu sein, und eine andere, etwas auch wirklich umzusetzen«.

Langjährig Liierte haben oft andere Motive, suchen beispielsweise nach »frischem Wind« im Schlafzimmer. Ersten Studien zufolge könnte es auch Menschen geben, die sich von der sexuellen Energie von Paaren angezogen fühlen. Die Beziehungsforscherin Sally Johnston von der Seattle University, die das Phänomen untersucht hat, spricht von Symbiosexualität (siehe »Was bedeutet ›symbiosexuell‹?«). Manchen genügt auch ein »mentaler Dreier«: Paare reden darüber, wie es wohl wäre, eine dritte Person in ihr Schlafzimmer einzuladen. Allein die Vorstellung kann neue Impulse fürs gemeinsame Sexualleben bringen.

In der schwulen Community spielen Apps wie »Grindr« eine besondere Rolle. »Manche suchen gar nicht gezielt nach einem Dreier, sie bekommen ihn dort einfach angeboten«, sagt Scoats. Und wo sich Gelegenheiten bieten, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass man sie nutzt. In einer Onlinebefragung hat der Soziologe 87 homosexuelle Männer zu ihren Erfahrungen mit gleichgeschlechtlichen Dreiern befragt, die meisten von ihnen aus England, einige aus den USA. Dabei zeigte sich: Die Wahrnehmung kann sich mit der Zeit verändern. Anfangs wirkten Dreier auf die Befragten oft aufregend und besonders, wurden für viele im Lauf der Zeit aber ganz normal – kaum noch anders als Sex zu zweit.

Ebenso vielfältig wie die Motive der Beteiligten sind ihre Erfahrungen mit Dreiern. »Sie können gut oder schlecht sein – so wie beim Dyadensex«, so Scoats. Dennoch zeigt sich ein Muster, das der Soziologe in seinem Buch beschreibt. Männer waren nach dem ersten Mal zu dritt häufig ein wenig ernüchtert. Einer seiner Gesprächspartner, Kyle, sagte, er hätte den Dreier für »den heiligen Gral des Sex« gehalten, musste dann aber feststellen, dass es »gar nicht so toll« war. Ein anderer beschrieb seine erste Erfahrung ebenfalls als »ziemlich enttäuschend«. Ihm fehlte es vor allem an Intimität. »Wenn ich ehrlich bin, würde ich Sex zu zweit vorziehen«, sagte er.

»Männer gehen eher mit überzogenen Fantasien in einen Dreier, während Frauen eher skeptisch sind und dann positiv überrascht werden«Ryan Scoats, Soziologe

Bei den Frauen war das anders: Keine der Interviewten war vom ersten Dreier enttäuscht. Im Gegenteil. Cathy etwa hatte die Praktik für etwas »Schmuddeliges« gehalten, »aber so war das gar nicht«. Joanna hatte befürchtet, dass Eifersucht ein Problem sein könnte, doch das sei nicht der Fall gewesen. Und Eva hatte Dreier als etwas »Bedürftiges, Schäbiges und Krankhaftes« empfunden – bis sie selbst einen hatte und ihn als »freudig und frei« erlebte. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern habe vermutlich damit zu tun, so Scoats, dass Männer eher mit überzogenen Fantasien in einen Dreier gehen, während Frauen eher skeptisch sind und dann positiv überrascht werden.

Fehlt der Austausch im Freundeskreis, in sozialen Netzwerken oder im Schulunterricht, orientieren sich viele in Sachen Sex an Pornografie – auch, wenn es um Dreier geht. »Dort wird oftmals ein sehr verzerrtes Bild vermittelt. Auf manche Menschen könnte ein Dreier dadurch ziemlich furchtbar wirken«, erklärt der Soziologe.

Wie wird ein Dreier zur guten Erfahrung? Das hängt stark davon ab, was sich die Beteiligten davon erhoffen, sagt Scoats. Für manche Paare sei er eine Möglichkeit, langjährige Beziehungen lebendig zu halten – durch Abwechslung und Nervenkitzel, aber ohne heimliche Seitensprünge. Doch das funktioniere nur, wenn es wirklich um Lust und Neugier gehe und nicht um die stille Hoffnung, emotionale Leere durch eine dritte Person zu füllen. Dann kann der Schuss nach hinten losgehen und ein Dreier das Ende der Beziehung bedeuten.

Eifersucht ist nicht selten. In einer Studie befragte Scoats zwölf Männer und 16 Frauen zu ihren Erfahrungen mit gemischtgeschlechtlichen Dreiern und stellte fest: Waren Paare beteiligt, kam es bei ihnen recht häufig zu Gefühlen des Ausgeschlossenseins. Das ließ sich durch offene Gespräche und klare Absprachen abmildern. Manche legten vorab Regeln fest, etwa, dass bestimmte intime Handlungen nur mit dem eigenen Partner erlaubt sind. Zum Beispiel: Du darfst einen Orgasmus nur beim Sex mit der Partnerin oder dem Partner haben. Oder: Der Dreier bleibt eine einmalige Sache. So lassen sich Erwartungen klären und Enttäuschungen vermeiden. Allerdings haben solche Vorkehrungen auch ihren Preis. Wer zu viel darüber redet, nimmt dem Ganzen leicht den Reiz. »Manche wünschen sich gerade das Spontane und Aufregende«, so Scoats. »Aber wer keine Regeln festlegt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er ein höheres Risiko eingeht.« Zumindest sollten sich alle Beteiligten darüber Gedanken machen, was sie sich vom Dreier erhoffen und was die Beweggründe der anderen Beteiligten sind.

Es gibt Vor- und Nachteile, sich mit bekannten oder unbekannten Personen zum Sex zu verabreden. Ist man unter Freunden, fällt es leichter, die Situation zu steuern. Gleichzeitig steht mehr auf dem Spiel: Wenn etwas schiefläuft, leidet die Freundschaft. Fremde bergen ein geringeres Risiko für emotionale Verwicklungen. Dafür ist das Risiko größer, dass sie nur ihre eigenen Bedürfnisse im Blick haben.

Befürworter offener Beziehungen argumentieren manchmal, Monogamie sei unnatürlich, ein kulturelles Konstrukt, das unserer biologischen Veranlagung widerspricht. Bei unseren Verwandten aus dem Tierreich, den Bonobos, gäbe es ja auch Dreier. Für Schimpansen sind wechselnde Sexualpartner ebenfalls ganz normal. Daraus leiten einige ab, dass auch wir Menschen offener leben sollten – inklusive Sex zu dritt. Für Scoats greift dieses Argument jedoch zu kurz: »Tiere zeigen zahlreiche Verhaltensweisen, die wir überwunden haben. Ich halte es vor allem für wichtig, Diversität anzuerkennen. Es gibt viele Wege, etwas zu tun.«

Was bedeutet »symbiosexuell«?

Die US-Sexualwissenschaftlerin Sally Johnston von der Seattle University prägte 2021 den Begriff Symbiosexualität. Er leitet sich ab vom griechischen Wort »symbiosis«, das für das Zusammenleben verschiedener Lebewesen steht. Gemeint ist, wenn jemand sich nicht von einer Einzelperson angezogen fühlt, sondern von der Dynamik zwischen zwei Menschen in einer Beziehung: Es geht um die Energie, Intimität und Nähe, die das Paar ausstrahlt.

In Interviews hat Johnston symbiosexuelle Menschen unterschiedlichen Geschlechts, kulturellen Hintergrunds und mit verschiedener sexueller Orientierung zu ihren Neigungen und Erfahrungen befragt. Sage, 39 Jahre, wünscht sich: »Ich würde gerne in diese Beziehung aufgenommen werden. Ich glaube wirklich, die ideale Dynamik könnten ich und ein Paar sein.« Ellis, 33, fragt sich: »Wie wäre es wohl, wenn ich (…) Teil ihrer Beziehung wäre? Wie würde das sein? Wissen Sie, es wäre wirklich großartig (…) zu sehen, wie sie miteinander umgehen, wie sie eine Beziehung zueinander haben.« Und Peyton, 30, beschrieb den ersten Sex mit einem Paar als »eine Art religiöse Erfahrung. (…) Da war diese Synchronizität zwischen den beiden. Ich fühlte mich in guten Händen und extrem sicher (…) von beiden wirklich umsorgt.«

Menschen, die gezielt nach Paaren suchen, um sexuelle oder romantische Erfahrungen zu teilen, bezeichnen sich manchmal als »Unicorn«. Häufig geschieht das in Dating-Apps und innerhalb der queeren und polyamoren Szene. Doch nicht alle »Unicorns« empfinden tatsächlich eine Anziehung zur Beziehung als solcher – manche treibt auch die sexuelle Neugier an, ohne dass die Dynamik zwischen den Partnern im Zentrum ihres Begehrens steht.

Johnston glaubt, dass Symbiosexualität eine eigenständige Form der sexuellen Anziehung ist. Viele Menschen empfinden sie als angeboren. Doch sie könnte auch psychologische Wurzeln haben, etwa die Sehnsucht nach einer liebevollen Dreierbindung, wie man sie in der Kindheit vielleicht vermisst hat. Das Phänomen ist noch wenig erforscht.

Quellen: Johnston, S. W., Archives of Sexual Behavior 10.1007/s10508-025-03095-5, 2025; Johnston, S. W., Sexuality & Culture 10.1007/s12119-023-10182-z, 2024

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  • Quellen

Herbenick, D. et al., PLOS ONE 10.1371/journal.pone.0181198, 2017

Scoats, R., Psychology & Sexuality 10.1080/19419899.2018.1546766, 2018

Scoats, R. et al., Journal of Bodies, Sexualities, and Masculinities 10.3167/jbsm.2021.020206, 2021

Thompson, A. E., Journal of Homosexuality 10.1080/00918369.2025.2512114, 2025

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