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Sicher helfen : Wie hilft man Ertrinkenden?

Kinder gehen leicht im Wasser unbemerkt unter, während viele Schwimmer ihre Fähigkeiten überschätzen. Warum beinahe Ertrunkene auch nach der Rettung gefährdet sind, kurz erklärt.
Ei Rettungsring schwimmt auf der Wasseroberfläche
Ertrinkenden kann man vom Ufer aus einen Rettungsring oder ein anderes schwimmfähiges Hilfsmittel zuwerfen, um sich selbst nicht in Gefahr zu bringen.

Achtung: Dieser Text bietet lediglich einen Überblick über Erste-Hilfe-Maßnahmen. Er ersetzt keinen Erste-Hilfe-Kurs. Kursangebote bieten unter anderem das Deutsche Rote Kreuz, die Malteser, die Johanniter, der Arbeiter-Samariter-Bund und auch viele private Ausbildungsstellen in ganz Deutschland an.

Sie wollen im örtlichen Hallenbad schwimmen gehen. Als Sie am vollen Nichtschwimmerbecken vorbeigehen, fällt Ihnen ein Kind auf, das mit dem Gesicht nach unten im Wasser treibt.

Was ist los?

Das Kind ist dabei, zu ertrinken. Dabei geraten die Atemwege unter Wasser, so dass die Gefahr eines lebensbedrohlichen Sauerstoffmangels besteht. Die Mehrheit der Badeunfälle ereignet sich in den Sommermonaten in Seen und Flüssen; Männer und Jungen sind deutlich häufiger betroffen als Frauen und Mädchen. Entscheidend ist aber nicht die Art des Gewässers: Gerade Kleinkinder können auch im Gartenteich oder im kleinen Plastikpool ertrinken, wenn sie unbeaufsichtigt mit dem Gesicht nach vorne ins Wasser fallen und sich von allein nicht wieder aufrichten können. Auch ältere Kinder sind gefährdet: Nur etwa 40 Prozent der Zehnjährigen können sicher schwimmen. Verschärfend kommt hinzu, dass während der Corona-Pandemie viele Schwimmkurse ausgefallen sind, so dass zehntausende Kinder nicht schwimmen gelernt haben.

Aber auch viele geübte Schwimmerinnen und Schwimmer überschätzen immer wieder ihre eigenen Fähigkeiten: Sie missachten Warnhinweise und geraten in eine Strömung, überanstrengen sich beim Zurücklegen von zu langen Strecken oder bekommen einen Krampf. Im Jahr 2021 war mehr als die Hälfte der Ertrunkenen älter als 50 Jahre. Andere häufige Ursachen für einen Badeunfall sind Alkohol- oder Drogenkonsum, Panik sowie medizinische Notfälle wie eine Verletzung oder ein Herzinfarkt.

Warum ist das gefährlich?

Im Jahr 2022 sind laut der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) mindestens 289 Menschen bis Ende des Sommers ertrunken. Typischerweise halten die Ertrinkenden zunächst reflexartig die Luft an, wenn sie unter Wasser geraten. Wenn sie den Atemreflex nicht mehr unterdrücken können, gelangt Wasser in die Atemwege und in den Magen. Durch den zunehmenden Sauerstoffmangel werden sie bewusstlos; Herzrhythmusstörungen, Krämpfe und ein Kreislaufkollaps können auftreten.

Aber selbst wenn man gerettet wurde, ist man nicht außer Gefahr: Noch Stunden später können lebensgefährliche Komplikationen wie Flüssigkeitsansammlungen im Lungengewebe oder ein akutes Atemnotsyndrom auftreten. Zu wenig Sauerstoff über eine längere Zeit schädigt das Gehirn; zudem kann eine zusätzliche Unterkühlung Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen verursachen. Auch eine Lungenentzündung kann Spätfolge eines Badeunfalls sein.

Sicher helfen

Erste Hilfe rettet Leben. Wenn jemand in eine medizinische Notsituation gerät, sind wir deshalb alle verpflichtet, zu helfen. Trotzdem zögern viele Menschen im Ernstfall, oft aus Angst vor Fehlern. Diese Unsicherheit muss aber nicht bleiben. In unserer Serie »Sicher helfen« erklären wir, was im Notfall zu tun ist: Wie erkennt man eine Vergiftung? Welche Informationen braucht der Notruf? Und wann muss man reanimieren?

Wie kann man helfen?

Es handelt sich um einen Notfall! Helfende müssen daher umgehend den Notruf 112 alarmieren. Rettungsversuche sollte man nur auf eigene Faust starten, wenn man sich nicht selbst in Gefahr bringt und dazu in der Lage ist, weil man etwa als Rettungsschwimmerin ausgebildet wurde. Vom Ufer aus kann man der verunfallten Person einen Rettungsring oder ein anderes schwimmfähiges Hilfsmittel zuwerfen. Die eigene Sicherheit geht aber stets vor. Wurde die Person aus dem Wasser gezogen, dreht man ihren Kopf zur Seite, um Erbrochenes, Wasser oder andere Fremdkörper aus dem Mund zu entfernen. Man sollte jedoch keine weiteren Versuche unternehmen, das Wasser aus den Atemwegen zu entfernen. Anschließend überprüft man, ob die Person bei Bewusstsein ist und regelmäßig atmet. Ist sie bewusstlos, atmet aber normal, bringt man sie in die stabile Seitenlage. Hat die Atmung ausgesetzt oder läuft sie nicht normal ab, beginnt man mit den Wiederbelebungsmaßnahmen. Dabei darf man eine Schnappatmung nicht mit einer normalen Atmung verwechseln, erkennbar an einzelnen schnappenden Atemzügen, denen längere Pausen folgen.

Sind andere Menschen in der Nähe, fordert man sie zur Mithilfe auf. Anders als sonst üblich startet man die Wiederbelebung zunächst mit fünf Beatmungen. Ist die Atmung auch danach nicht normal, reanimiert man gewohnt in einem 30:2-Rhythmus, bis der Rettungsdienst eintritt: Auf 30 Herzdruckmassagen folgen zwei Beatmungen. Auch Menschen, die länger unter Wasser waren oder unterkühlt sind, können noch wiederbelebt werden. Ansprechbare Personen beruhigt man und wärmt sie auf, indem man ihnen die nasse Kleidung entfernt und sie in eine Decke oder andere warme Kleidung wickelt. Selbst wenn sie auf den ersten Blick gesund wirken, müssen sie unbedingt ärztlich untersucht werden, da die Gefahr von Komplikationen besteht.

Wie geht es weiter?

Falls die Person sich noch im Wasser befindet, retten die Einsatzkräfte sie als Erstes. Dann prüfen sie Bewusstsein und Kreislauf und reanimieren, wenn nötig. Bei normaler Atmung geben sie Sauerstoff über eine Atemmaske oder beatmen über einen Schlauch. Wenn beispielsweise nach einem Kopfsprung ins Wasser eine Verletzung der Halswirbelsäule besteht, wird diese geschient. Mit Rettungsdecken halten sie die Person warm. Anschließend bringen sie sie in ein geeignetes Krankenhaus.

In der Klinik werden zunächst alle Menschen nach einem Ertrinkungsunfall überwacht, damit Komplikationen rechtzeitig erkannt und behandelt oder sogar verhindert werden können. Die Medizinerinnen und Mediziner überprüfen regelmäßig die Kreislauffunktion und die Atemwege, schauen nach den Blutwerten und der Herzfunktion. Mögliche Hirnschädigungen schließen sie mit bildgebenden Verfahren aus. Die Behandlung orientiert sich an den vorliegenden Beschwerden: Ist die Person unterkühlt, wird sie wieder erwärmt, hat sie mit Keimen belastete Flüssigkeiten oder Magensaft eingeatmet oder eine Lungenentzündung, helfen Antibiotika. Versagt die Lunge, muss die Person beatmet werden.

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