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Exoplaneten-Premieren: Sie nennen es Super-Erde

Wir sind nicht allein, mit unserem Planeten im All. Was uns allerdings irgendwo da draußen begleitet und wie sehr es uns gleicht, bleibt immer auch eine Frage der Definition.
Planet Gliese 876C - meint der Künstler ...
Was heißt schon ähnlich? Gut, Eier ähneln einander wie eines dem anderen. Irgendwie aber ähnelt doch auch eine Melone einem Ei – zumindest mehr als einem Fahrrad. Im Einsteinjahr sagt man dazu wohl "alles relativ". So gesehen stimmt es, das mit der nun frisch entdeckten "Super-Erde".

Aber mal von Anfang an: Jubel herrschte Anfang der Woche in der Planetenjagdzentrale, Brimborium erhob sich für irdische Berichterstatter – ein neuer Rekord ist erreicht, der wirklich erdähnlichste aller bislang entdeckten erdähnlichen Planeten außerhalb des Sonnensystems ist gefunden. Kommentatoren sprechen von einem "Riesenschritt" vorwärts auf dem Wege zum Beweis, dass unsere Erde nichts Einmaliges im Universum ist. Große Schlagzeilen des Blattes mit den größten Schlagzeilen könnte höchstens noch Michael Jackson verhindern – sonst dürften sie, in lockerer Fortsetzung der jüngsten Wissenschafts-Sensationsberichterstattung (man erinnere sich an "Uranus: Schickt er uns die Todesstrahlen?" und "Wird unsere liebe Sonne jetzt böse?"), vielleicht "Wohnen hier unsere Nachbarn?" heißen. Oder etwas relativ ähnliches.

Was ist eigentlich passiert? Forscher um Geoffrey Marcy von der Universität von Kalifornien in Berkeley hatten seit einigen Jahren den Stern Gliese 876, rund 15 Lichtjahre entfernt im Sternbild Adler, immer mal wieder im Visier des großen Keck-Teleskops auf Hawaii. Schon 1998, dann wieder 2001 konnten sie am Aus-der-Bahn-Wackeln des Sterns erkennen, dass er von Planeten umkreist wird – der Berechnung nach von zwei großen Gasriesen, einer umkreist den Stern in 60, der andere in 30 Tagen. Ein schöner wissenschaftlicher Erfolg – die beiden Planeten sind zwei von mittlerweile rund 150 nachgewiesenen Exoplaneten.

Bahnabweichungen von Gliese 876 | Am besten lassen sich die beobachteten Bahnabweichungen von Gliese 876 erklären, wenn zu den zwei bekannten Planeten noch ein dritter hinzugerechnet wird. In der mittleren Grafik werden die Gravitationseinflüsse der Planeten untereinander verdeutlicht
Nun werteten die Forscher mit verbesserter Optik die Bahndaten erneut aus, rechneten sorgfältig und können nur zu einem Schluss gelangen: Um GJ 876 muss noch ein weiterer Planet kreisen – und zwar innerhalb der Bahn der beiden Gasriesen. Dieser innere Planet sollte nur höchstens etwas mehr Masse haben als sechs Erden – und damit derart klein sein, dass seine Schwerkraft eine große Gashülle wie jene um Uranus, Neptun, Jupiter und Saturn kaum halten könnte. Der Planet müsste also felsig sein. Ein eher schmächtiger, rein felsiger Planet, der eine Sonne innerhalb der Umlaufbahn von äußeren Gasplaneten umkreist? Klingt vertraut: Das ist ein zweites Sonnensystem wie unseres – und somit also eine zweite Erde gefunden! Und tatsächlich macht die geringe Masse den dritten Begleiter von GJ 876 zum irdischsten aller bislang entdeckten Exoplaneten – der nächstähnliche bislang bestätigte ist größer als unser Uranus. Aber wird der Gliese-Orbiter dadurch wirklich irdisch? Alles relativ: Der Zentralstern des Planetensystems, ein schwach glimmender roter Zwerg, jedenfalls ähnelt unserer etwa drei Mal so schweren Sonne nur bedingt. Immerhin ist GJ 876 kein Pulsar – nur um diese waren bislang schon dreimal felsige Planeten gefunden worden. Der mindestens sechsmal erdschwere Neufund umhuscht allerdings seine schwachbrüstige rote Sonne nicht in einem Jahr, sondern in 1,94 Tagen – die Entfernung zum Stern beträgt dabei bloß kuschelige drei Millionen Kilometer, weswegen auf seiner Oberfläche auch so etwa 200 bis 400 Grad Celsius herrschen dürften.

Vielleicht, so meinen die Forscher, besteht der Planet aus einem festen Gemisch aus Nickel, Eisen und Fels, womöglich sogar mit einer dicken Atmosphäre aus Wasserdampf. Der Exoplanet dürfte also irgendwo zwischen einem echten felsigen Planeten wie unserer Erde und einer Art heißen Mini-Neptuns ohne eisige Gasumhüllung anzusiedeln sein.

Trotzdem: Bis zum nächsten Fund nennen wir den überirdisch großen und zugleich bislang kleinsten Exoplaneten um die ziemlich nahe Minisonne mal weiter "Super-Erde". Lange, da sind sich die Forscher ganz sicher, wird der Begleiter von GJ 876 diesen Ehrentitel ohnehin nicht behalten: mit den verbesserten Beobachtungsbedingungen und fast 150 ständig vom Keck-Teleskop beobachteten kleinen roten Klasse-M-Sonnen in der Nähe dürfte bald eine noch – relativ – erdähnlichere Planetenvariante entdeckt werden.

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