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News: Sieben auf einen Streich

Nur wenige Pioniere schafften es bis nach Madagaskar - die einzigartige Pflanzen- und Tierwelt der Insel ist das Ergebnis dieser Jahrmillionen andauernden Isolation. Die heute hier lebenden sieben Raubtierarten blicken vermutlich auf einen einzigen Vorfahren zurück.
<i>Eupleres goudotii</i>
Vor 165 Millionen Jahren begann der Superkontinent Gondwana auseinanderzubrechen. Das heutige Madagaskar löste sich, noch im Verbund mit dem indischen Subkontinent, von seinem afrikanischen Mutterland und driftete nach Südosten ab, bis es schließlich vor 121 Millionen Jahre seine heutige Position im Indischen Ozean erreichte. Vor 88 Millionen Jahre trennte sich dann der indische Teil ab, zog nordwärts und prallte schließlich, den Himalaya auftürmend, gegen Asien. Seitdem herrscht auf Madagaskar – geologisch betrachtet – einigermaßen Ruhe; die Insel schlummerte in friedlicher Isolation.

Und diese 88 Millionen Jahre andauernde Isolation machen die Insel für heutige Botaniker und Zoologen zu einem El Dorado. Denn in dieser Zeit hat sich hier eine Pflanzen- und Tierwelt entwickelt, die sonst nirgendwo auf der Welt zu finden ist. Von den heute bekannten 101 Säugerarten sind die meisten endemisch, also auf Madagaskar beschränkt, und vertreten lediglich die Ordnungen Nagetiere, Insektenfresser, Raubtiere und Primaten.

Wie kamen diese Tiere nun auf die abgelegene Insel? Zwei miteinander konkurrierende Hypothesen wollen diese Besiedlung erklären: Zum einen könnten die heutigen Säuger von den Tieren abstammen, die hier vor 165 Millionen Jahren lebten, als Madagaskar sein Eigenleben begann. Andere Forscher vermuten eher eine Landbrücke zum afrikanischen Kontinent, die vor 45 bis 26 Millionen Jahren existiert haben könnte und Einwanderern als Einfallstor diente.

Wer hat Recht? Keiner, lautet die Antwort von Anne Yoder. Die Biologin von der Yale University hat zusammen mit anderen Forschern versucht, einen Stammbaum der madagassischen Raubtiere aufzustellen. Hiervon kennt die Wissenschaft lediglich sieben Arten, dennoch führen einige Forscher diese Spezies auf bis zu vier Linien zurück, die irgendwann Madagaskar erreicht haben.

Yoder und ihre Kollegen haben nun bei den sieben Arten vier Gene von unterschiedlichen Chromosomen ausgesucht und diese untereinander sowie mit denen afrikanischer Verwandter verglichen. Als Kontrolle dienten ihnen zwei Arten, deren geringe Verwandtschaft mit den sieben madagassischen Räubern außer Frage steht: der Ostamerikanische Maulwurf und der Mensch.

Ihr Ergebnis wirft die bisherige systematische Ordnung der madagassischen Raubtiere über den Haufen. Die bisherige Zuordnung der Arten zu den Familien Schleichkatzen (Viverridae) und Mangusten (Herpestidae) lässt sich nach Ansicht der Forscher nicht mehr halten. Und mehr noch: Alle sieben Arten blicken auf einen gemeinsamen Vorfahren zurück, der irgendwann vor 24 bis 18 Millionen Jahren – also nachdem die vermutete Landbrücke wieder verschwunden war – von Afrika kommend an die Gestade der Insel gespült wurde.

Auf ein ähnliches Ereignis, das allerdings wesentlich früher stattfand, können, so vermuten die Forscher weiter, auch die Lemuren Madagaskars zurückblicken: Vermutlich vor 66 bis 62 Millionen Jahren erreichte ein Affenpärchen die entfernte Insel, um hier die Säugerordnung der Primaten zu etablieren. Die Besiedlungsgeschichte Madagaskars wird demnach übersichtlich. "Tatsächlich können jetzt alle der etwa 100 heute bekannten terrestrischen Säugerarten Madagaskars, die sich auf vier Ordnungen aufteilen, auf lediglich vier Kolonisationsereignisse zurückgeführt werden", erklärt Yoder.

Bleibt nur die Frage, wie diese Einwanderer die weite Seereise überstanden haben. Denn schließlich sind 400 Kilometer, ohne Wasser und Brot, kein Pappenstiel. Die Wissenschaftler spekulieren, dass die Seereisenden ihren Stoffwechsel in einer Art Winterstarre auf das Nötigste abgesenkt haben. Wie dem auch sei, nur wenige dürften das rettende Festland der neuen Heimat lebend erreicht haben.

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