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Planetensystem Trappist-1: Sieben erdgroße Fragezeichen

Gleich sieben Planeten umrunden den Stern Trappist-1. Knapp vier Jahre nach ihrer Entdeckung versuchen Forscher noch immer, Näheres über sie herauszufinden - eine kolossale Herausforderung.
Die sieben neuen Exoerden von TRAPPIST-1

Im Februar 2017 traten die Forschenden vor die Presse: zwei Astronominnen, zwei Astronomen und der Wissenschaftsdirektor der NASA. Sie hatten etwas Wichtiges zu verkünden: Um einen 40 Lichtjahre entfernten Stern kreisen insgesamt sieben erdgroße Planeten, drei von ihnen in der habitablen Zone, in der flüssiges Wasser möglich ist. Der Name des Systems: Trappist-1.

Grafiker der NASA hatten für die Bekanntgabe extra ein Poster entworfen. Es zeigt eine exotische Welt mit Wolken und einem Ozean, unserer Erde nicht unähnlich. Dabei war zu diesem Zeitpunkt kaum mehr über die Planeten von Trappist-1 bekannt als ihre Größe, Masse und ihre Umlaufbahn um ihren Mutterstern.

Dreieinhalb Jahre danach waren die sieben Welten noch immer etwas Besonderes, wie auf einer großen digitalen Fachkonferenz im Sommer 2020 deutlich wurde: Nie wieder haben Forscher ein derart dicht gepacktes und vielseitiges Planetensystem entdeckt, trotz mittlerweile damals rund 4500 bekannter Exoplaneten. Doch noch immer ist unklar, wie es auf »Trappist-1 b« bis »Trappist-1 h« – so die Namen der Planeten – eigentlich aussieht.

Planet Hop | Ein fiktives Werbeplakat der US-Raumfahrtbehörde NASA preist die Planeten von Trappist-1 als künftige Reiseziele an.

Haben die mutmaßlichen Felskugeln eine Atmosphäre? Gibt es auf manchen von ihnen wirklich Ozeane, Wolken und vielleicht sogar Leben? Oder gleicht ihre Oberfläche eher einer öden, verbrannten Steinwüste wie auf Merkur, dem innersten Planeten unseres Sonnensystems?

Dass Wissenschaftler all dies nicht wissen, liegt nicht an ihrem Unvermögen, sondern an den heute verfügbaren Instrumenten. Mit ihnen lassen sich zwar Masse und Durchmesser eines Planeten recht zuverlässig bestimmen. Aber ob viele Lichtjahre entfernte Welten eine Atmosphäre haben und, wenn ja, woraus diese besteht, lässt sich bisher nur bei besonders großen Exoplaneten feststellen oder wenn die Bedingungen besonders gut sind.

Planeten im Gleichtakt

Bei Trappist-1 hatten Forscher zunächst Glück. Die Entdeckung des Systems reicht in das Jahr 2010 zurück. Damals nahmen Astronomen am La-Silla-Observatorium der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile das neue Transiting Planets and Planetesimals Small Telescope, kurz TRAPPIST, in Betrieb. Benannt nach einem belgischen Bier, sollte es mit seinen zwei nur 60 Zentimeter großen Spiegeln 50 recht nahe Zwergsterne am Himmel verfolgen. Die leuchtschwachen Sonnen geben ihre Energie vor allem im infraroten Teil des Lichtspektrums ab.

Keiner der Astronomen rechnete damals mit einer großen Entdeckung: Zwergsterne galten als eher unwahrscheinliche Heimat für erdgroße Planeten. Das Team um Michaël Gillon von der Université de Liège in Belgien wollte mit dem Projekt daher vor allem erproben, was für Daten mit einem später geplanten Teleskop zu erwarten wären. Doch schon die ersten Lichtkurven ließen die Forscher stutzen: Einer der Sterne auf ihrer Liste verdunkelte sich alle ein bis zwei Tage. Klare Anzeichen für die – wie wir heute wissen – innersten drei Planeten des Trappist-1-Systems.

Wenige Monate später bat einer der belgischen Forscher Eric Agol um Hilfe: Der Forscher an der University of Washington hatte Jahre zuvor einen Effekt beschrieben, der nun von Nutzen sein konnte. Die »transit-timing variation« nutzt aus, dass sich Planeten, die denselben Stern umkreisen, mittels Schwerkraft gegenseitig beeinflussen. Dadurch verändert sich der Zeitpunkt, in dem sich einer der Planeten vor dem Stern entlangbewegt und ihn – aus unserer Sicht – kurz verdunkelt. Bei Systemen mit vielen Planeten sollte der Zeitpunkt dieser Transits wegen der schwankenden Schwereanziehung zwischen den Himmelskörpern leicht variieren.

Aussicht auf Leben

Mit der »transit-timing variation« und dem NASA-Weltraumteleskop Spitzer gelang es schließlich, auch die vier anderen Planeten von Trappist-1 aufzuspüren. Bis zu seinem Missionsende im Januar 2020 blickte das Infrarotteleskop Spitzer immer wieder auf das besondere Sternsystem, in Summe mehr als 1000 Stunden lang.

Wie sich die Umlaufbahnen der jeweiligen Planeten zueinander verhalten, verriet den Forschern auch viel über die Geschichte des Planetensystems. Denn das Verhältnis der Umlaufzeiten entspricht bei Trappist-1 gerade dem Verhältnis ganzer Zahlen, was auf sehr stabile Umlaufbahnen hindeutet, die schon mehrere Milliarden Jahre bestehen dürften. Mögliche Lebensformen hätten somit genügend Zeit gehabt, sich zu entwickeln.

Wie wahrscheinlich Leben auf einem der sieben Planeten wirklich ist, lässt sich aber trotz Spitzers Beobachtungsmarathon bis heute nicht sagen. Nach der Entdeckung des Trappist-Septetts spekulierten manche Forscher, dass die Planeten dichte, weit ausgedehnte Atmosphären aus Wasserstoff besitzen. Damit würden sie eher der Klasse lebensfeindlicher Mini-Neptune angehören als der Gruppe terrestrischer Felsplaneten à la Erde, Venus oder Mars. Mit Lichtspektren, die das Hubble-Teleskop aufgezeichnet hatte, konnten Experten diese Möglichkeit 2018 zwar recht sicher ausschließen – doch Zweifel blieben bis heute bestehen.

Die Planeten von Trappist-1 | Die Planeten, dargestellt im Vergleich zu den Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars, unserem Mond und dem Zwergplaneten Ceres: Letzterer ist das größte Objekt im Asteroidengürtel. Die x-Achse zeigt die vom Stern stammende Strahlung, welche auf die Oberflächen der jeweiligen Planeten fällt, sie ist abhängig vom Abstand zum Stern. Auf der y-Achse sind die mittleren Dichten der Planeten wiedergegeben, jeweils im Vergleich zu den irdischen Werten. Die Himmelskörper sind in unterschiedlicher Größe entsprechend ihrem Durchmesser eingezeichnet.

Forscher hoffen, dass einige der Welten stattdessen von eher dünnen, leichten Atmosphären umhüllt sind, so wie unsere Erde. Hinweise darauf gibt es allerdings noch keine; das Auflösungsvermögen von Hubble und Spitzer reicht hierfür nicht aus. Astrophysiker führen jedoch die Dichten der Trappist-1-Planeten ins Feld, die dank der häufigen Transits vor dem Stern recht gut bekannt ist – anders als bei den meisten der gut 40 bekannten Habitable-Zone-Exoplaneten in anderen Sternsystemen, bei denen es oft nicht gelungen ist, sowohl Masse als auch Durchmesser genau zu bestimmen.

Die Dichte spricht für Ozeanwelten

Im Fall von Trappist-1 c, e und g passt die Dichte nicht zu toten Welten aus purem Gestein, sondern deutet auf weichere Bestandteile hin, beispielsweise ausgedehnte Ozeane und eine Lufthülle. Wissenschaftler sind auch der Frage nachgegangen, auf welchem der sieben Planeten sich Pflanzen entwickelt haben könnten. Laut einer aktuellen Analyse kommt hier am ehesten Trappist-1 e in Frage.

In der kosmischen Lotterie gibt es viele Variablen, die die Entstehung von Leben begünstigen oder behindern können. Dazu gehören einfache organische Moleküle, die Grundbausteine des Lebens, aber auch der Stern selbst. Denn die organischen Moleküle müssen aufgespalten worden sein, um aus der noch unbelebten Materie erst komplexere Verbindungen zu machen, die sich dann zu belebter Materie entwickelt haben könnten.

Zumindest im Fall der Erde hat wohl die UV-Strahlung unserer Sonne diese Startenergie für das Leben geliefert. Doch der Rote Zwerg Trappist-1 hat in dieser Hinsicht ein ruhigeres Naturell: Anders als unsere Sonne strahlt er im ultravioletten Teil des Spektrums viel schwächer als im Infraroten. Forscher um Elsa Ducrot von der Université de Liège argumentieren daher, dass Trappist-1 in seiner Jugendzeit wohl zu wenig UV-Licht lieferte, um biologischer Aktivität eine Starthilfe zu geben.

Andererseits weiß man bisher nur wenig über die Physik roter Zwergsterne. So gehen die meisten Astrophysiker davon aus, dass die Ministerne in ihrer Jugend zu häufigen Strahlungsausbrüchen neigen. Diese Flares sind mit Episoden starker UV-Strahlung verbunden. Das könnte einerseits die Chancen für die Entstehung von Leben auf den Trappist-1-Planeten erhöhen. Andererseits sind solche Strahlungsausbrüche natürlich auch eine Gefahr: Finden sie zu oft statt, können sie Organismen auf der Oberfläche von Planeten schädigen oder die Atmosphäre dezimieren.

Dieses Risiko wächst mit der Nähe eines Planeten zu seinem Stern. Und alle sieben Trappist-1-Planeten kreisen auf extrem engen Bahnen, in unserem Sonnensystem lägen diese innerhalb der Merkurbahn. Da der rote Zwergstern weniger Energie abstrahlt, dürfte es dort dennoch nicht zu warm sein.

Die Nähe zum Stern vergrößert indes nicht nur die Folgen eines stellaren Bombardements. Die Eigendrehung aller sieben Planeten dürfte dadurch auch stark verlangsamt sein, so wie es bei unserem Mond der Fall ist. Manche der Trappist-1-Welten würden daher ihrem Stern wohl dauerhaft dieselbe Hemisphäre zuwenden, Experten sprechen von gebundener Rotation.

Aber auch hier sind Experten seit Jahren eifrig am Debattieren: Galt die gebundene Rotation zunächst als wahrer Biosphärenkiller, sind die Forscher mittlerweile optimistischer: Eine dichte Atmosphäre oder ein besonders tiefer Ozean könnte die Wärme der sonnenzugewandten Seite auf die Nachtseite transportieren und dort die Luft daran hindern, zu kalt zu werden.

Warten auf James Webb

All diese Überlegungen kranken daran, dass sie auf Modellrechnungen beruhen. Viele Fragen zu den Trappist-1-Planeten werden daher erst von besseren Daten beantwortet werden. Dazu zählt, woher die gemessenen Unterschiede bei der mittleren Dichte der Planeten kommen. Denkbar ist hier zum Beispiel, dass manche der Planeten riesige Ozeane besitzen, während andere durch einen extremen Treibhauseffekt ihr Wasser bereits verloren haben, so wie die Venus im Sonnensystem. Andererseits könnten auch schlicht unterschiedlich große Eisenkerne im Inneren der Planeten für die Dichteunterschiede verantwortlich sein, sagt Eric Agol. »Wir wissen es schlicht nicht.«

Dass die Forscher trotz all der Unsicherheit nicht von Trappist-1 lassen können, liegt an den Aussichten, bald mehr erfahren zu können: Im Dezember 2021 hat, pandemiebedingt ein Jahr später als zuletzt geplant, das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) abgehoben. Eine Studie kam kürzlich zu dem Schluss, dass dessen tiefgekühlte Infrarotdetektoren und der 6,5 Meter große Spiegel gut geeignet sind, um planetare Atmosphären naher roter Zwergsterne zu untersuchen. Allerdings müssten diese weniger als 65 Lichtjahre von uns entfernt sein.

Eine Inventur der in Frage kommenden Sterne auf Basis neuer Entfernungsmessungen der Gaia-Mission der ESA zeigt: Damit liegen zwar 44 Zwergsterne in Reichweite des neuen Flaggschiff-Teleskops, aber statistisch gesehen kreuzen nur 2,5 Prozent der Planeten die Sichtlinie zwischen ihrem Stern und uns. Transits sind jedoch eine zwingende Voraussetzung, um mehr über die Atmosphären herauszufinden.

In dieser Rechnung bleibt am Ende womöglich bloß ein einziger Roter Zwerg übrig, dessen Planeten das James-Webb-Teleskop ohne Weiteres beobachten könnte: Trappist-1. Somit glauben die meisten Exoplanetenforscher, dass der erste Blick in die Atmosphäre eines erdgroßen, potenziell habitablen Exoplaneten dort gelingen wird.

1000 Beobachtungsstunden pro Planet

Wer sich unter Astronomen umhört, stößt hier jedoch auf eher gedämpfte Erwartungen: Pro Planet sind 1000 Beobachtungsstunden mit dem JWST nötig, um auch nur die häufigsten Bestandteile einer der Atmosphären zu identifizieren. Und das mit einem Teleskop, das nicht nur Exoplanetenforscher gerne nutzen wollen, sondern fast alle astronomischen Disziplinen. Die Lebensdauer von James Webb wird aber wohl – anders als bei seinem mittlerweile 30 Jahre alten Vorgänger Hubble – bei lediglich fünf bis zehn Jahren liegen, da dann der Treibstoff ausgeht.

Schon deshalb fordert eine Gruppe von Astronomen um die Trappist-1-Entdecker Michaël Gillon und Eric Agol derzeit, die Exoplaneten-Beobachtung mit dem neuen großen Weltraumteleskop gut zu koordinieren. Was dabei am Ende herauskommt, ist noch völlig offen. Die Szenarien reichen hier von trockenen Felskugeln wie dem Merkur über extreme Treibhausplaneten wie der Venus bis hin zu Welten mit einer exotischen Atmosphäre aus anorganisch erzeugtem Sauerstoff und Kohlenstoffmonoxid, für die es in unserem Sonnensystem kein Vorbild gibt. Auch die fluffigen Wasserstoffatmosphären, von Hubble eigentlich ausgeschlossen, könnten aus Sicht mancher Forscher ein Comeback erleben, wenn sie etwa von hoch fliegenden Wolken verdeckt werden.

Oder das James-Webb-Teleskop findet bei ein oder zwei Planeten eine Atmosphäre, die der unserer Erde ähnelt. Selbst in diesem Fall wäre wohl weiterhin Geduld gefragt, schließlich müssen potenzielle »Biomarker« wie Sauerstoff oder Methan nicht zwangsläufig auf Leben zurückgehen. Eine große NASA-Pressekonferenz gäbe es wohl trotzdem – gefolgt von vielen weiteren Beobachtungen, um ganz sicher zu sein.

(Anm. der Red.: Der Artikel wurde am 9.2.2022 bezüglich des Starts des JWST aktualisiert.)

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