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News: Siebzig auf einen Streich

In den biologischen Wissenschaften ist das Ganze häufig mehr als die Summe seiner Teile. Durch Einsatz einer Reihe moderner Techniken zur Protein- und Genanalyse ist es einem europäischen Team gelungen, die Gene für praktisch alle der rund 70 Proteine im menschlichen Spleißosom auf einen Schlag zu identifizieren.
Zelluläre Proteine arbeiten selten alleine. Viele der komplexeren Aufgaben der Zelle, wie Aktivieren von Genen oder die Verdopplung von DNA, werden von Protein-Komplexen mit Dutzenden von Komponenten ausgeführt. Die Identifizierung der einzelnen Proteine in diesen Komplexen ist eine Herkulesarbeit, denn die Forscher müssen die Proteine eines nach dem anderen isolieren und für jedes einzelne das Gen finden.

Ein Multiproteinkomplex, an dem die Wissenschaftler schon lange arbeiten, ist das Spleißosom. Das Spleißosom wandelt neu synthetisierte RNA-Moleküle in Boten-RNA um, eine Art Mustervorlage der Zelle für die Proteinproduktion. Obwohl Forscher seit Jahrzehnten am Spleißosom gearbeitet haben, hatten sie nur Gene für ungefähr die Hälfte der Proteine identifiziert.

Matthias Mann vom European Molecular Biology Laboratory und seine Kollegen spürten auf einem Schlag die Gene für nahezu alle restlichen Komponenten im Spleißosom auf. Zunächst wurden alle Spleißosom-Proteine mit Hilfe der zweidimensionalen Gelelektrophorese getrennt. Die Wissenschaftler gaben dann jedes in ein Massenspektrometer – dieses war in der Lage, die Aminosäuresequenz des Proteins zu identifizieren, indem es sie spaltet, seine Fragmente zu wiegen und mit einem Computer die korrekte Reihenfolge wieder herzustellen. Schließlich übersetzten sie jede Proteinsequenz in eine Nukleinsäure-Gensequenz und verglichen diese Sequenz mit einer öffentlichen Datenbank der menschlichen Genfragmente, genannt expressed sequence tags.

Von den 69 Spleißosom-Proteinen, die das Team sequenzierte, besaßen 65 genaue Gegenstücke in der Genfragment-Datenbank. Von diesen 65 Proteinen waren 19 bisher unbekannt. Zur Bestätigung, daß alle neuen Proteine wirklich Teil des Spleißosoms waren, markierten sie jedes von ihnen mit einer fluoreszierenden Substanz und wiesen damit nach, daß die Hybrid-Proteine dort leuchteten, wo Spleißosome erwartet wurden (Nature Genetics vom September 1998).

Nach Ansicht anderer Experten ist diese Kombination verschiedener Methoden der richtige Weg. "Sie haben die Arbeit von Jahren übersprungen", sagt Francis Collins, Direktor des National Human Genome Research Institute.

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