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Feuerwerk: Wie oft die Böller ins Auge gehen

Verbrennungen, amputierte Finger, schwere Augenverletzungen: die typischen Folgen einer Silvesternacht. Wer besonders gefährdet ist – und wie andere Länder ihre Bürger schützen.
Ein Kind in einem gestreiften Pullover und Latzhose hält eine Wunderkerze in der Hand. Es ist Nacht, und im Hintergrund sind weitere Lichter zu sehen. Eine andere Hand reicht dem Kind eine weitere Wunderkerze. Die Szene ist in warmes Licht getaucht und vermittelt eine festliche Atmosphäre.
Kinder und Feuerwerk: keine gute Kombination – höchstens bei großem Sicherheitsabstand.

Hunderte von Augenverletzungen, schwere Verbrennungen am ganzen Körper, amputierte Finger – das ist die typische Bilanz einer Silvesternacht in Deutschland. Neu ist das nicht. Doch Studien aus dem Jahr 2025 zeigen auch, dass das private Feuerwerk nicht nur für die fatale Folgen hat, die selbst böllern. Lediglich knapp die Hälfte der Verletzungen sind selbst verschuldet; fast ebenso oft trifft es die Zuschauenden, darunter häufig auch Kinder.

In nahezu der Hälfte der Fälle bleiben dauerhafte Schäden zurück, berichtet ein Team um Helena Wegmann vom Universitätsklinikum Leipzig 2025. Die Gruppe zählte zwischen 2013 und 2023 in der Notaufnahme des Uniklinikums 155 Patienten mit Silvesterfeuerwerksverletzungen. Das Durchschnittsalter lag bei 24 Jahren; 80 Prozent waren männlich. Die Verletzungen ereigneten sich überwiegend innerhalb von zwei Stunden nach Mitternacht – und bei allen dokumentierten Vorfällen wurden Sicherheitsvorschriften missachtet. Aber nur knapp die Hälfte war selbst verschuldet; ungefähr ebenso oft traf es unbeteiligte Zuschauer. 46,5 Prozent trugen dauerhafte körperliche Einschränkungen davon. Mit 53 Prozent am häufigsten betroffen waren die Hände, gefolgt vom Kopf mit 29 Prozent. 51 Prozent erlitten Verletzungen in mehreren Körperregionen.

Verletzungen, die allein die Augen oder das Gehör betrafen, wurden in der Leipziger Studie nicht erfasst. Feuerwerkslärm kann zu einem akustischen Trauma und dauerhaftem Hörverlust führen. Selbst während des pandemiebedingten Feuerwerksverbots wurden in Deutschland einige solcher Fälle erfasst. Besser untersucht sind jedoch feuerwerksbedingte Augenverletzungen: Diese haben zugenommen, berichtete 2025 ein Team um die »German firework study group«, eine große deutsche Forschungsgruppe zu den Folgen von Feuerwerk. Sie sammelte ab 2016 anonyme Daten zu feuerwerksbedingten Augenverletzungen, die rund um Silvester in deutschen Krankenhäusern behandelt wurden. Rund 90 Prozent der angefragten Augenkliniken nahmen teil.

Über sieben Jahre wurden so insgesamt 3589 Augenverletzungen dokumentiert, fast ein Drittel davon bei Minderjährigen. Darunter waren stets mehr Kinder unter zwölf Jahren als Jugendliche – obwohl Kinder nur vergleichsweise harmloses Feuerwerk wie Wunderkerzen in die Hände bekommen sollten. Die Forschungsgruppe vermutet, dass die Jüngeren dennoch Zugang zu Feuerwerkskörpern erhalten oder sich an den Resten von gezündetem Feuerwerk verletzt hatten.

An Neujahr 2023 zählte die Gruppe insgesamt 838 Augenverletzungen – was ungefähr einem von 100 000 Menschen entspricht. Unter den Minderjährigen waren es 334, ein Vielfaches mehr als die 14, die sich im ersten Pandemiejahr verletzt hatten. Die coronabedingten Verkaufsverbote hatten die Verletzungszahlen insgesamt um etwa 85 Prozent reduziert. »Ein Verkaufsverbot scheint die effektivste Methode zu sein, um die Menge an Feuerwerkskörpern in privaten Händen zu reduzieren«, schlussfolgern die Forschenden. 

Beide deutsche Studien betonen, dass Feuerwerksverletzungen vermeidbar wären, unter anderem durch striktere Regulierung des Verkaufs. Die Leipziger Gruppe plädiert aber vielmehr für Kampagnen nach dänischem Vorbild, die über die Risiken und den richtigen Gebrauch von Feuerwerkskörpern aufklären und professionelle öffentliche Feuerwerke als Alternative zum privaten Böllern fördern.

Regulierung wirkt, Aufklärung bringt wenig

US-Fachleute widersprechen in einem Punkt: Aufklärung habe kaum messbare Auswirkungen, schreibt ein Team von der University of Nebraska 2025. »Verletzungen durch Feuerwerkskörper werden häufiger und schwerer. Und das vor allem da, wo die Regulierung am schwächsten ist.« Niedriger lagen die Raten in jenen US-Bundesstaaten, die den Verkauf stärker beschränkten. Langzeitdaten bestätigten: Werden die Regeln gelockert, steigt die Zahl der Verletzungen. Werden sie verschärft, gehen diese Zahlen zurück.

Auch in den USA nehmen Böller-Verletzungen zu, und auch dort sind überproportional viele junge Männer die Leidtragenden. Den Höhepunkt erreichte die Inzidenz mit knapp 5 auf 100 000 Einwohner im Pandemiejahr 2020, weil die Amerikaner mangels öffentlicher Feuerwerke mehr privat böllerten. Eine repräsentative Stichprobe von mehr als 100 Notaufnahmen in den USA ergab: Zuletzt stiegen vor allem schwere Verletzungen an, verursacht durch Flugkörper und illegale Feuerwerkskörper. Verbrennungen machten knapp die Hälfte aller Verletzungen aus, gefolgt von Prellungen, Schnittwunden, Brüchen und Verstauchungen. Danach folgten Amputationen mit 4,2 Prozent der Fälle. Die meisten Verletzungen betreffen Hände und Arme sowie den Kopf. Und auch in den USA sind Kinder besonders häufig die Opfer – sogar häufiger als etwa Mittdreißiger.

Die Gruppe aus Nebraska fordert deshalb strengere Vorschriften und Kontrollen, insbesondere für Hochrisiko-Feuerwerkskörper. Beispiele aus Finnland und den Niederlanden würden zeigen, wie es besser geht: Die beiden Länder haben ihre Silvesteropfer halbiert, unter anderem indem sie den Verkauf und den Zeitraum für privates Feuerwerk streng reguliert haben.

Inzwischen haben die Niederlande privates Feuerwerk für Silvester 2026/2027 verboten – zwei Drittel der Bevölkerung waren dafür. Auch die Mehrheit der Deutschen sprach sich in einer Forsa-Umfrage Ende 2025 für ein Böllerverbot aus. Zu den Gründen zählen neben der Verletzungsgefahr auch die Umweltfolgen durch Müll, Luftverschmutzung und die unter dem Lärm leidenden Tiere.

  • Quellen

Gabel-Pfisterer, A. et al., Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol 10.1007/s00417–024–06677–6, 2025

Muldiiarov, V. et al.,The American Surgeon 10.1177/00031348251393929, 2025

Wegmann, H. et al., European Journal of Trauma and Emergency Surgery 10.1007/s00068–025–02785-y, 2025

Winicki, N.M. et al., Injury Epidemiology 10.1186/s40621–023–00446–5, 2023

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