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Neolithikum: Sintflut war höchstens mittelkatastrophal

Als das Mittelmeer vor 9500 Jahren zum Becken des bis dahin isolierten heutigen Schwarzen Meeres durchbrach und es urplötzlich flutete, erhöhte sich der Wasserspiegel des Binnenmeeres womöglich nicht ganz so dramatisch wie bislang vermutet. Jungsteinzeitliche Anrainer waren davon zwar betroffen, sind aber wohl nicht massenhaft gezwungen gewesen, sich in alle Winde zu zerstreuen und in einer großen Fluchtbewegung etwa Zentraleuropa zu besiedeln. Der Pegelhub war wohl auch kein ausreichender Anlass, Flutmythen wie jene der biblischen Sintflut ins anektodale Kollektivgedächtnis der Menschheit zu speisen. Dies alles schlussfolgern Forscher von der Woods Hole Oceanographic Institution nach ihrer Untersuchung alter Sedimentschichten im Donaudelta.

Wahre Sintflut ins Schwarzes Meer? | Am Ende der Eiszeiten vor 10 000 Jahren war das Schwarze Meer ein vom Marmarameer durch einen schmalen Damm am Bosporus abgeschlossener Binnenesee. Manche Forscher vermuten, dass der Seepegel damals 80 Meter unter dem heutigen Meeresspiegel lag (die hypothetische Ausdehnung ist schwarzblau gekennzeichnet). Vor 9500 Jahren brach der Damm, und einströmendes Wasser hob den Spiegel um rund 50 Meter (helleres Blau). Bei einer derartigen Flutkatastrophe wären etwa 70 000 Quadratmeter überflutet und die jungsteinzeitlichen Anrainer-Kulturen sicherlich vernichtet worden.
Liviu Giosan und seine Kollegen analysierten bis zu 42 Meter tiefe Bohrproben und datierten die Ablagerungen mit einer aufwändigen, aber wenig fehleranfälligen Methode. Dazu bestimmten sie mit Hilfe der Beschleuniger-Massenspektrometrie das Alter der in den Sedimenten gefundenen Muscheln. Dabei nutzten sie aber nur Exemplare mit noch zusammenhängenden Schalenhälften, weil solche kaum aus anderen Schichten artifiziell in die jeweils untersuchte Sedimentlage gespült worden sein können. Die Forscher rekonstruierten damit die Deltaentwicklungsgeschichte der letzten 10 000 Jahre genauer als zuvor.

Aus der Faunenzusammensetzung in den Sedimenten erkannten die Wissenschaftler, dass das erst hundert Jahre alte Donaudelta einst tatsächlich bei einem Pegelanstieg von Meerwasser überspült wurde. Die Daten belegen allerdings, dass der Pegel des dem Schwarzen Meeres vorausgehenden Binnensees zum Zeitpunkt der Flut nur etwa 30 Meter unter dem heutigen Meeresspiegel lag.

Moderater Anstieg nach dem Dammbruch | Nach neuen Sedimentanalysen im Donaudelta schätzen Forscher nun, dass der Pegel des Schwarzen Meeres (Dunkelblau) vor dem Einbrechen des Dammes zum Mittelmeer vor 9500 Jahren nur 30 Meter tiefer lag als heute. Der Wasserspiegel stieg höchstens um 5 bis 10 Meter an (hellblau) – nicht um das zehnfache, wie früher vermutet.
Frühere Untersuchungen hatten ergeben, dass der Binnensee 80 Meter unter dem heutigen Wert gelegen habe. Damit hätten weitaus größere Wassermengen in das Becken strömen müssen, als im Holozän der Bosporusdamm zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer überspült wurde und eine Verbindung entstand. Die resultierende Flut in das Schwarze Meer hätte dann rasch bis zu 70 000 Quadratkilometer bedeckt, was derart umwälzende Folgen etwa für die neolithischen Menschen der Umgebung gehabt hätte, dass sie auswandern mussten. Amerikanische Forscher hatten sogar spekuliert, dass in dem Ereignis die historischen Wurzeln von Katastrophenmythen wie jener liegen, die als Noah-Sintflut Eingang in die Bibel fand.

Tatsächlich vermuten Giosan und Kollegen nun, dass sich der Meeresspiegel damals nur um etwa fünf bis zehn Meter hob, wobei wohl nur rund 2000 Quadratkilometer überflutet wurden. Auch dieses Ereignis, so der Forscher, könne natürlich Auswirkungen auf die neolithischen Anwohner gehabt haben. Anzeichen für die von anderen Forschern angenommene Flutkatastrophe biblischen Ausmaßes seien jedoch bei ihren Untersuchungen nicht aufgetaucht. (jo)
  • Quellen
Giosan, L. et al.: Was the Black Sea catastrophically flooded in the early Holocene? In: Quaternary Science Reviews 28, S. 1–6, 2009.

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