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News: Sintflut

Vor 8200 Jahren stürzten auf der Nordhalbkugel mit einem Mal die Temperaturen in den Keller. Vermutlich war unvermittelt der Golfstrom ins Stocken geraten - und zwar, weil in Nordamerika die Dämme eines riesigen Sees gebrochen waren.
Agassiz-See
Das muss schon ein mächtiges Spektakel gewesen sein, damals, vor 8200 Jahren, als in Nordamerika mit einem Mal die Dämme eines riesigen Sees brachen und sich innerhalb von Tagen, Wochen und Monaten über 160 000 Kubikkilometer Wasser – das entspricht drei Nordseen – über den Mississippi in den Golf von Mexiko und über den St.-Lorenz-Strom in den Nordatlantik ergossen.

So oder so ähnlich hat sich eine Katastrophe abgespielt, die in den Eiskernen Grönlands ihre verräterischen Spuren hinterlassen hat. Millimeter für Millimeter ist hier die Beschaffenheit der Niederschläge der Vergangenheit konserviert und zeugt vom Klima jener Zeit.

Wie Garry Clarke von der University of British Columbia in Vancouver und seine Mitarbeiter anhand dieser Archive feststellten, waren die Folgen der Sintflut in der ganzen nördlichen Hemisphäre zu spüren. In Europa etwa dürften die mittleren Jahrestemperaturen um ganze neun Grad gefallen sein – das glich einem Rückfall in die vor gerade erst 2000 Jahren zu Ende gegangene Eiszeit.

Nun waren solche heftigen Temperaturschwankungen während der Eiszeit gar nichts Ungewöhnliches, erstaunlich ist in diesem Fall die rasche und nur 200 Jahre andauernde Abkühlung. Und dafür machen die Forscher den plötzlichen Ausfall des Wärme bringenden Golfstroms verantwortlich. Der ist Teil eines Förderbands im Nordatlantik, welches am Meeresboden kaltes und deshalb dichteres Wasser aus der Arktis in Richtung Äquator schafft, wo es aufsteigt, sich erwärmt und oberflächennah als warmer Golfstrom nach Norden zurückströmt. Ohne ihn wäre es bei uns um einige Grad kühler, und in Irland gäbe es keine Palmen.

Ins Stocken kann dieses Förderband insbesondere dann geraten, wenn in kurzer Zeit große Mengen Süßwasser in den Atlantik gelangen. Weil es eine geringere Dichte hat als das salzige Meerwasser, vermag es im Norden nicht mehr abzusinken. Die Folge: Das Fließband reißt, und die Temperaturen sinken.

Langfristig könnte dies etwa geschehen, wenn im Rahmen des Klimawandels die arktischen Eismassen abschmelzen und auf diese Weise große Süßwassermengen in den Nordatlantik gelangten. Angesichts des plötzlichen Temperatursturzes vor 8200 Jahren, kommt somit nur eine unvorstellbare Katastrophe als Auslöser in Frage.

Und die nahm ihren Lauf, als in Nordamerika, welches damals, genau wie Nordeuropa, unter einem mehrere Kilometer mächtigen Eispanzer verborgen war, gegen Ende der Eiszeit die große Schmelze einsetzte. Sie schritt rasch voran, doch im Umfeld der heutigen Großen Seen blockierten noch immer riesige Inlandeismassen den ungehinderten Abfluss des Schmelzwassers. Hinter ihnen bildete sich der riesige Agassiz-See, dessen Spiegel sich schließlich bis auf 230 Meter über dem Meeresspiegel staute.

Und dann kam, was kommen musste: Während der Druck auf die eisigen Dämme stieg, wurden diese immer mürber – bis sie brachen, und sich die ungeheuren Wassermassen ihren Weg in den Atlantik bahnten. Ungefähr ein Jahr hat es wohl gedauert, dann hatte sich der Agassiz-See, der bis dahin eine Fläche so groß wie Deutschland bedeckte, bis auf Meeresspiegelhöhe entleert. Das "leichte" Süßwasser blockierte alsbald den Golfstrom, und auf der Nordhalbkugel wurde es noch einmal eiszeitlich kalt.

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