Direkt zum Inhalt

Citizen Science: Smartphone-Messungen liefern hochauflösende Erdbebenkarten

Sensoren in Smartphones unterstützen schon heute die Erdbeben-Frühwarnung. Nun lassen sich Erschütterungen in urbanen Regionen mit den Messungen auch präzise kartieren. Das hilft bei der Rettung.
Stadtansicht von Neapel mit dem Vesuv im Hintergrund. Im Vordergrund sind historische Gebäude mit Glockenturm zu sehen. Der Hafen ist mit Kreuzfahrtschiffen und Frachtschiffen belebt. Der Himmel ist klar und blau, was auf einen sonnigen Tag hinweist.
Tausende Smartphonedaten halfen, Erdbeben in den Phlegräischen Feldern bei Neapel präzise zu kartieren.

Dass heute praktisch jeder ein Smartphone in der Tasche hat, erweist sich in Erdbebensituationen als äußerst nützlich. Kleine Beschleunigungssensoren, die in den Geräten eigentlich für das interaktive Spielen oder für die Lageerkennung verbaut sind, können die Erschütterungen während eines Bebens erfassen und die Signale an einen zentralen Server senden. Innerhalb von Sekunden schickt dieser dann Warnungen an Menschen in der Umgebung, die dadurch wertvolle Zeit gewinnen, um sich in Sicherheit zu bringen. Teilweise gehen die Warnungen gut eine halbe Minute, bevor die Erde unter ihren Füßen bebt, ein.

Ob diese Messdaten über die reine Warnung hinaus jedoch auch verwendet werden können, um die lokal unterschiedlich starken Erschütterungen eines Bebens innerhalb eines betroffenen Gebiets auf einer Karte zu verzeichnen, war bislang unklar. Diese Information ist aber vor allem in urbanen Erdbebenregionen wichtig, um frühzeitig abzuschätzen, welche Stadtteile oder Gebäude besonders stark von den Erdstößen betroffen sind.

Im Gegensatz zu professionellen seismischen Instrumenten sind die Smartphones nicht am Boden befestigt. Sie befinden sich in unterschiedlichen Etagen eines Gebäudes, werden in der Hand gehalten oder auch nicht, und ihre Sensoren sind nicht gegen einen Referenzwert kalibriert. In den Messdaten finden sich neben den Bodenvibrationen deswegen auch die speziellen Eigenschaften des Geräts und des Gebäudes, in dem es sich befindet. Eine einzelne Smartphonemessung ist zu stark verrauscht, um damit auf die reale Bodenerschütterung vor Ort zu schließen.

Mithilfe eines statistischen Modells ist es Forschenden der Universität Bergamo, des GFZ Helmholtz-Zentrums für Geoforschung und des Europäisch-Mediterranen Seismologischen Zentrums in Frankreich nun aber gelungen, diese störenden Effekte aus den Messdaten herauszurechnen. Die Forschenden berichten davon im Fachmagazin »Nature Communications«. Das Ergebnis ist eine hochauflösende Erdbebenkarte für die urbane Region westlich von Neapel. Der Detailgrad diese Karte geht weit über das hinaus, was seismische Messstationen allein hätten liefern können.

Als Testregion dienten dem Forschungsteam die Phlegräischen Felder in der Nähe von Italien, eine dicht besiedelte sowie vulkanisch und seismisch aktive Region in der Nähe von Neapel. Im Testzeitraum zwischen April und Juni 2024 bebte die Erde dort etliche Male – und stets zeichneten 7000 bis 9000 an dem Forschungsvorhaben teilnehmende Einwohner in der 130 Quadratkilometer großen »roten Zone« die Aktivität mit ihren Smartphones auf. Demgegenüber standen gerade einmal 29 traditionellen seismische Stationen in derselben Region, deren Standorte aber nur einen Teil der Region abdecken.

Anhand der erstellten Karte erkannten die Forschenden, wie sich ein Beben je nach Standort unterschiedlich stark auswirkt. So dämpfte der Boden unter dem Osten der Zone die Erschütterungen sogar – Ausdruck findet das im sogenannten Verstärkungsfaktor, der dort zwischen 0,25 und 0,5 lag –, während sich das gleiche Beben im zehn Kilometer entfernten Südwesten sogar um den Faktor 2 bis 3 verstärkte. Mithilfe solcher Karten können Verantwortliche bei künftigen Beben frühzeitig Schäden abschätzen und entscheiden, wie Rettungsteams und Notfallmaßnahmen innerhalb eines Erdbebengebiets organisiert werden.

  • Quellen
Finazzi, F. et al., Nature Communications 10.1038/s41467–025–64543–3, 2025

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.