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Sommerwetter: Ein Juli, wie er früher einmal war

Von Hochsommer kann in Deutschland gerade keine Rede sein – aber ist das wirklich so ungewöhnlich? Der Klimawandel macht die Sommer zwar wärmer, doch sie bleiben wechselhaft.
Ein älteres Paar steht im Regen unter einem bunten Regenschirm. Der Mann trägt eine Schürze und hält einen Teller mit Essen, während die Frau einen Regenmantel trägt. Im Hintergrund sind ein Grill und ein Garten zu sehen.
Im Juli fielen in Deutschland viele Grillpartys ins Wasser.

Vor einer Woche haben die Hundstage begonnen, die heißesten Tage des Jahres. Von Hitze und Badewetter ist in diesem Jahr allerdings weit und breit nichts zu spüren, der Sommer 2025 ist völlig abgestürzt und an einem neuen Tiefpunkt angelangt. Seit Wochen graben sich immer wieder Tiefdruckgebiete über Mitteleuropa ein, bringen Schauer, Sturm, Gewitter – und sogar Schnee in den Alpen. Nur eines bekam der Juli nicht hin: stabiles Hochsommerwetter.

Viele Menschen fragen sich, ob dieser Sommer noch normal ist – oder einfach nur so, wie er früher einmal war. Früher, damit sind die wechselhaften Sommer der sechziger, siebziger und achtziger Jahre gemeint. Die so kühl und regnerisch verliefen, dass Rudi Carrell seinen berühmten Hit im Jahr 1975 überhaupt erst landen konnte. Vorausgegangen war damals ein Gruselsommer mit einer Durchschnittstemperatur von 15,5 Grad. Und zufälligerweise folgte im Jahr 1976 ein für damalige Klimaverhältnisse außergewöhnlicher Dürre- und Hitzesommer mit einem Temperaturdurchschnitt von 17,7 Grad – Carrells Wunsch wurde erhört. Zum Vergleich: Derzeit stehen wir bei 18,4 Grad Durchschnittstemperatur, der Sommer 2025 gehört bislang zu den zehn wärmsten überhaupt. Trotzdem hat der Norden in diesem Jahr fast noch kein Hochsommerwetter erlebt. Und der große Rest motzt wegen zu viel Regen.

Der unterkühlte Sommerabschnitt mitten im Hochsommer fällt auch deshalb so auf, weil ein Scharlatan der Meteorologiebranche schon im April einen Höllensommer mit bis zu 45 Grad vorhersagte, obwohl solche Langfristprognosen nicht viel besser sind als Würfeln. Gemeint ist Dominik Jung, Geschäftsführer des Portals wetter.net. Es gehört zum Wiesbadener Unternehmen Qmet, das nach eigenen Angaben Partner von etlichen Medienhäusern ist, darunter Axel Springer und die Funke Mediengruppe. Er wird in der »Bild«-Zeitung und etlichen Regionalzeitungen regelmäßig zitiert, sein Youtube-Wetterkanal ist einer der meistbesuchten in Deutschland, für Ippen-Media schreibt er Kolumnen als Wetterexperte. Das wissenschaftliche Fundament allerdings, auf dem er solche Angstschlagzeilen verbreitet, ist meistens dünn oder nicht vorhanden. Skandalisierung und Dramatisierung des Wetters sind zum Geschäftsmodell geworden: Mit grotesken, unsinnigen oder glatt gelogenen Headlines über das Wetter lässt sich Geld verdienen. Clickbaiting über glühende Sommer und gruselige Winter funktioniert offensichtlich besonders gut. Doch damit setzt Jung die Glaubwürdigkeit der ganzen Meteorologie-Branche aufs Spiel.

Ein typisch deutscher Sommer ist wechselhaft

Denn die Häme über den versprochenen Hitzesommer ist derzeit ausgesprochen groß. Der Kontrast zur Höllenhitze könnte bei 14 Grad und Dauerregen nicht größer sein. Dabei erlebt das Land nur einen typisch deutschen Sommer, wie er viele Jahrzehnte und Jahrhunderte völlig normal war. Mitteleuropa liegt zwischen dem südtropischen Hochdruckgürtel und der außertropischen Westwindzone, ein Wechsel zwischen Hoch- und Tiefdrucklagen ist auch im Sommer üblich, selbst wenn zu dieser Jahreszeit der Hochdruckgürtel Deutschland näher ist als im Winter – und sich immer wieder nach Norden verschiebt. Dadurch kann es längere Zeit stabile Hochdrucklagen geben, die Mitteleuropa trockenes, warmes bis heißes Wetter bescheren. Manchmal allerdings dominiert auch im Juli der Atlantik unser Wetter, dann fegen die Tiefs vom Atlantik wie auf einer Rutschbahn nach Mitteleuropa.

Der deutsche Sommer schwankt deshalb von Jahr zu Jahr erheblich. Ein durchschnittlicher Sommer (Referenzperiode von 1991 bis 2020) ist 17,6 Grad warm, bringt 241 Liter Regen pro Quadratmeter und 654 Stunden Sonne. Der Juli ist der wärmste Monat in Deutschland, er ist im Mittel 18,3 Grad warm, bringt 87 Liter Regen und 226 Sonnenscheinstunden. Und er hat zwei Gesichter, wie die Historie zeigt: Den heißesten Juli seit Aufzeichnungsbeginn im Jahr 1881 erlebte Deutschland während des Sommermärchens 2006 mit einer Temperatur von 22,0 Grad, den kältesten während des Wunders von Bern im Regensommer 1954 mit einer Durchschnittstemperatur von 14,4 Grad (zusammen mit 1919 und 1898), der mit einer Regensumme von 169 Litern pro Quadratmeter gleichzeitig auch der nasseste war. Am wenigsten Regen fiel im Juli 1983 mit nur 28 Litern. Der Juli während des Sommermärchens brachte auch die meiste Sonne mit 335 Stunden, die wenigste Sonne mit 125 Stunden gab es im Juli 2000.

Der Juli 2025 wird als durchschnittlicher Sommermonat in die Geschichte eingehen, wie der Deutsche Wetterdienst in einer vorläufigen Bilanz mitteilt. Mit 18,4 Grad ist er sogar leicht wärmer als im langjährigen Schnitt und fällt um anderthalb Grad zu warm aus, wenn man ihn mit den Gruselsommern von 1961 bis 1990 vergleicht. Überdurchschnittlich sind die Regenmengen, die im Juli fielen. Bundesweit summieren sie sich auf 114 Liter, damit kam mehr als ein Drittel als üblich vom Himmel. Besonders nass war es im Osten, im sonst trockenen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern fiel verbreitet das Doppelte bis Dreifache, an manchen Orten sogar das Vierfache. Die Folge: Die Sonne schien seltener, im Schnitt nur 189 Stunden und damit um ein Sechstel weniger. Auffallend trüb war es im Norden, Osten, Südosten und vor allem direkt am Alpenrand. Die einzige Region, die mehr Sonne bekam als normal, war der äußerste Westen.

Ein warmer Juli? Diesen Eindruck werden viele Menschen nicht teilen. Aber die Statistik lügt nicht, vielmehr haben sich die meisten Menschen längst an eine neue Klimarealität gewöhnt, das Gefühl für einen normalen deutschen Sommer ist verlorengegangen. Viele Menschen gehen davon aus, dass viel Sonne und hohe Temperaturen von Juni bis August in Mitteleuropa normal wären – immerhin brachten die Sommer seit dem Jahr 2018 viel Hitze und wenig Regen. Seit der Jahrtausendwende sind die Temperaturen sprunghaft angestiegen, immer wieder gab es extreme Hitzewellen wie im Jahrhundertsommer 2003, im Juni und Juli 2006, im Juli 2010 und 2015 sowie fast durchgängig in den Jahren 2018, 2019 und 2022. Der Klimawandel hat den Sommer auf ein neues Niveau gelupft, jeder Sommer hat heute im Vergleich zu früher einen Temperaturaufschlag.

Die langfristigen Trends sind schwach

Doch war es früher nicht auch viel wechselhafter als heute? Haben sich durch den Klimawandel auch die Großwetterlagen geändert? Dafür gibt es bislang nur wenig Hinweise, wie eine Analyse des Deutschen Wetterdienstes belegt. Der Juli 2025 zeige eine hohe Anzahl von Tagen mit zyklonaler Großwetterlage, erklärt Klimatologe Frank Kaspar; damit sind Wetterlagen gemeint, die von Tiefdruck geprägt sind. Sehr dominant im Juli war die Wetterlage Trog Mitteleuropa, bei der die Höhenströmung über Europa weit nach Süden ausschwingt und ein Gebiet mit tiefem Luftdruck einschließt. Allerdings weise die gesamte Zeitreihe seit 1881 keinen starken Trend auf, ergänzt der Forscher vom Deutschen Wetterdienst (DWD), vergleichbare Juli-Monate gab es schon zuvor, wie eine Auswertung illustriert.

Großwetterlagen im Juli | Zeitliche Entwicklung der von Tiefdruckgebieten über Europa geprägten Großwetterlagen. Deren Häufigkeit hat sich in den letzten 60 Jahren nahezu nicht verändert (oben). Hochdruckwetterlagen im gleichen Zeitraum. Auch hier ist die Veränderung sehr gering (unten).

Auch grundsätzlich zeigen sich nur schwache lineare Trends, sagt Kaspar. Alle 29 klassifizierten Großwetterlagen haben sich in ihrer Häufigkeit im Zeitraum von 1961 bis 2020 kaum verändert. Statistisch signifikant hat nur die sogenannte Hochdruckbrücke Mitteleuropa zugenommen, eine ausgedehnte Zone hohen Luftdrucks, die sich von den Azoren bis nach Osteuropa erstreckt. Insgesamt sind Warmluftlagen tatsächlich etwas häufiger geworden, die stärksten Abnahmen kalter Tiefdrucklagen waren im Frühjahr und Sommer zu beobachten.

Mehr Hochdruck im Sommerhalbjahr bedeutet gleichzeitig mehr Sonnenschein und höhere Einstrahlung – und dadurch mehr Verdunstung. Deshalb geht ebenfalls seit der Jahrtausendwende der Trend zu mehr Frühjahrstrockenheit und häufigeren und intensiveren Hitzewellen im Sommer, die wiederum mit höherer Dürregefahr einhergehen. Kurzum: In einer wärmeren Welt müsste es mehr regnen, um die höheren Verluste durch die Verdunstung auszugleichen. Doch das Gegenteil geschieht: Die Sommer werden trockener, Hitzewellen werden heißer und länger.

Seinen wechselhaften Charakter verliert das Wetter im Sommer dadurch aber nicht. Die Ausschläge könnten in Zukunft sogar zunehmen, belegt eine aktuelle Studie des Max-Planck-Instituts für Meteorologie und der Universität Hamburg, die im Juni in der Fachzeitschrift »Nature Communications Earth & Environment« erschien. Die Meteorologen hatten sich dafür in fünf Wettermodellen die Nordatlantische Oszillation (NAO) genauer angesehen, die den Luftdruckunterschied zwischen Island und den Azoren darstellt und das Wetter in Europa stark beeinflusst. Das überraschende Ergebnis, das über alle Modelle hinweg robust war: Die NAO schwankt künftig stärker, die Variabilität nimmt zu: »Extremwetter wird also häufiger«, sagt Johann Jungclaus, der an der Studie beteiligt war; die Ausschläge in beide Richtungen würden größer. Heiße, trockene Phasen werden demnach heißer, kühle, wechselhafte Phasen kühler. Die Anomalien steigen. Und damit extreme Wetterwechsel.

Vorerst scheint der Sommer 2025 nach dem Absturz im Juli jedoch nicht wieder ins andere Extrem zu kippen. Stabileres Wetter ist erst zum zweiten Augustwochenende in Sicht, große Hitze kein Thema. Bis dahin ziehen weitere Schauerstaffeln durchs Land, der Hochsommer bleibt unterkühlt. Der Höllensommer bleibt eine Erfindung dreister Meteorologen.

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