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Sommerhitze: Gefahr für Infektion mit Vibrionen steigt

Mit der Hitze kommen die Bakterien: Vibrionen können beim Baden schwere Infektionen auslösen. Wer gefährdet ist – und wie man sich schützt.
Man sieht ein Kind am Strand von hinten in einer rot-blau gestreiften Badehose, das freudig in die Wellen springt. Der Himmel ist klar und blau, das Meer zeigt leichte Wellen. Die Szene vermittelt ein Gefühl von Sommer und Unbeschwertheit.
Steigende Wassertemperaturen begünstigen die Infektion mit Vibrionen. Besonders betroffen sind salzhaltige Gewässer in Küstennähe.

Mit der sommerlichen Hitze steigt das Risiko für Vibrioneninfektionen an Nord- und Ostsee. Bei Wassertemperaturen über 20 Grad Celsius - wie sie zuletzt vielerorts erreicht waren - könnten sich für den Menschen gefährliche Vibrionen in Oberflächengewässern stark vermehren, heißt es vom Robert Koch-Institut (RKI). Bis Anfang Juli wurden demnach in diesem Jahr mindestens zwei Infektionen gemeldet, die wahrscheinlich auf eine Ansteckung hier zu Lande zurückgehen (Stand: 7.7.2025).

Gerade in flachen, sich schnell erwärmenden Küstenbereichen können sich die Bakterien bei höheren Temperaturen stark vermehren. Die Ostsee ist auf Grund ihres niedrigen Salzgehalts besonders betroffen. Gefährdet sind vor allem Menschen mit offenen Wunden oder geschwächtem Immunsystem. Behandelt werden die Infektionen mit Antibiotika, die möglichst früh zum Einsatz kommen sollten.

Wie viele Fälle gibt es?

Erst seit 2020 besteht in Deutschland eine Meldepflicht für Infektionen mit den so genannten Nicht-Cholera-Vibrionen (NCV). Für das vergangene Jahr erfasste das RKI 42 Fälle, die wahrscheinlich auf Ansteckungen hier zu Lande zurückgingen. Viele der Betroffenen stammten aus Gebieten, die an die Ostseeküste angrenzen. Vereinzelt kann es vor allem bei gesundheitlich stark vorbelasteten Menschen zu Todesfällen kommen.

Kann ich mich nur im Meer anstecken?

Vibrionen sind dem RKI zufolge hauptsächlich in salzhaltigen Gewässern in Küstennähe wie Flussmündungen, Buchten, Bodden und im Brackwasser zu finden. Aber: »Vibrionen werden auch in leicht salzhaltigen Binnengewässern nachgewiesen, wie sie vielerorts in Deutschland zu finden sind.« Das Risiko durch das Baden in Seen oder Teichen werde bisher oft vernachlässigt.

In Sachsen-Anhalt zum Beispiel kann es im Strandsolbad Staßfurt und im Naturbad Angersdorfer Teiche zu Massenvermehrungen der Bakterien kommen – mehrfach gingen darauf in den vergangenen Jahren schwere Infektionen zurück, wie es beim Landesamt für Verbraucherschutz heißt.

Was kann passieren?

Nicht-Cholera-Vibrionen im Badewasser können zu schnell fortschreitenden Wundinfektionen und – in seltenen Fällen – zu einer Blutvergiftung (Sepsis) führen. Auch Ohrentzündungen sind möglich. Besonders gefährlich sind Wundinfektionen mit der Art Vibrio vulnificus, die innerhalb kürzester Zeit tief greifende Nekrosen des Gewebes auslösen können, wie es vom RKI heißt. Oft genüge schon eine geringe Zahl an Keimen. Eine daraus resultierende Sepsis könne in sehr kurzer Zeit zum Tod durch multiples Organversagen führen.

Vorbeugend sollten Menschen mit Wunden oder frisch gestochenen Tätowierungen das Baden in betroffenen Gewässern meiden, insbesondere, wenn sie an Vorerkrankungen leiden oder ihr Immunsystem geschwächt ist.

Werden Urlauber vor besonders vielen Vibrionen im Wasser gewarnt?

Die EU-Badegewässerrichtlinie fordert bisher keine Prüfung auf Vibrionen, wie es im aktuellen »Epidemiologischen Bulletin« des RKI heißt. Derzeit werde diskutiert, ob es neue Regelungen wie amtliche Grenzwerte für abgestufte Handlungsempfehlungen geben sollte.

Einige Bundesländer mit Badegewässern, die bekannt für das Vorkommen von Vibrionen sind, untersuchten bereits die Belastung vor allem in den Sommermonaten. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales in Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel analysiert stichprobenweise Wasserproben an der Ostseeküste. »Im Fall einer erhöhten Gefahrenlage werden dann Warnungen durch die Landesbehörde ausgesprochen.«

Die europäische Gesundheitsbehörde ECDC bietet die interaktive Karte Vibrio Map Viewer für die Nord- und Ostsee an. Dafür wird aus Oberflächentemperaturen und Salzgehalt der Gewässer das aktuelle Risiko für Massenvermehrungen errechnet.

Steigt das Risiko im Zuge des Klimawandels?

Ja. Da sich Vibrionen erst ab etwa 20 Grad Celsius Wassertemperatur stark vermehren, spielt es eine große Rolle, dass sich die Gewässer im Zuge der Klimakrise erwärmen. »Häufigere und längere Wärmeperioden, wie sie zukünftig auch in nördlichen Breitengraden zu erwarten sind, begünstigen das Vorkommen von NCV sowohl in deutschen Küsten- als auch in Binnengewässern«, berichtet das RKI.

Die Ostsee, die auf Grund ihres niedrigen Salzgehalts ohnehin ein idealer Lebensraum für Vibrionen ist, gehöre zu den sich am schnellsten erwärmenden Meeresökosystemen weltweit. Hinzu komme eine mögliche Erhöhung der Salzkonzentration in flachen Badegewässern durch verstärkte Verdunstung. In der Folge könnten immer mehr Gewässer optimale Lebensbedingungen für Vibrionen bieten. In der Summe sei mit einem weiteren Anstieg der Infektionszahlen in den kommenden Jahren zu rechnen.

Sind Vibrionen etwas Ungewöhnliches?

Nein. Vibrio-Bakterien sind weltweit ein natürlicher Bestandteil mikrobieller Meer- und Süßwassergemeinschaften. Mehr als 150 Arten sind nach RKI-Angaben bekannt, wovon etwa ein Dutzend dem Menschen schaden können. Die bekannteste Spezies ist Vibrio cholerae, der Erreger der Cholera. Er ist vor allem in Ländern mit einem Mangel an sauberem Trinkwasser ein Problem.

In Deutschland spielt dieses Bakterium fast nur bei Reiserückkehrern eine Rolle. Erst im Februar wurden allerdings Cholerafälle erfasst, die durch importiertes, mit den Bakterien verunreinigtes Quellwasser aus Äthiopien verursacht wurden, wie es im RKI-Bulletin heißt. (dpa/avh)

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