Geoengineering: Sonnencreme für die Atmosphäre
Handgemachte Wolkendecken gegen die Klimaerwärmung - was klingt wie eine geniale Hightech-Idee, birgt viele Probleme. Die praktische Umsetzung ist davon noch das geringste.
Es begann mit Erdbeben und Rauchwolken. Dann kamen die ersten Explosionen, und mehr als 200 000 Menschen aus den Dörfern um den Pinatubo mussten ihre Häuser verlassen und sich in Sicherheit bringen. Doch als der Vulkan auf der philippinischen Insel Luzon am 15. Juni 1991 richtig explodierte, waren selbst die Vulkanologen überrascht. Die Eruption schleuderte Asche bis zu 34 Kilometer in die Höhe, und die Erdstöße waren so heftig, dass nahezu alle Seismografen in der Umgebung ausfielen. Dann verdunkelte sich der Himmel.
Was unter dem Titel "Geoengineering" bisher vor allem in Modellen durchgerechnet wurde, rückt heute zunehmend in den Bereich des Machbaren. Wo und wie viel Sonne scheint, könnte bald tatsächlich in Menschenhand liegen. Die ideale künstliche Wolkendecke soll das Erdklima stabilisieren: Einerseits reflektiert sie die Strahlung der Sonne zurück ins All, andererseits lässt sie die infrarote Wärmeabstrahlung der Erde durch. Wie beim Ausbruch des Pinatubo könnte deshalb auch absichtlich in den Himmel geschossenes Schwefeldioxid als eine Art künstlicher Sonnenschirm den Globus abkühlen [1].
Ein anderer Ansatz ist das so genannte Wolkenweißen, das die Wissenschaftler dem Rauch von Transportschiffen auf den Ozeanen abgeschaut haben. John Latham vom National Center of Atmospheric Research in Boulder und sein Kollege Stephen Salter von der University of Edinburgh haben spezielle Schiffe entworfen, die in der Zukunft Meerwasser in die Atmosphäre sprühen könnten. Dort soll das Salz dazu führen, dass sich statt weniger großer viele kleine Wassertröpfchen bilden und so strahlend weiße Wolken entstehen.
Kein eitel Sonnenschein
Bisher gibt es über Risiken und Effizienz dieser Geoengineering-Methoden jedoch kaum Ergebnisse aus Labor- oder Freilandversuchen. Theoretisch wären die Methoden jedoch schon heute umsetzbar. Thomas Leisner vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung am KIT in Karlsruhe schätzt zwar, dass beispielsweise die Schwefelmethode technisch innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahren eingesetzt werden könnte. Doch David Keith von der University of Calgary fasst die Charakteristika künstlicher Wolkendecken in drei Schlagwörtern zusammen: "Die Technologie ist schnell, billig und unperfekt" [3].
Ihre Schnelligkeit und der vergleichsweise geringe finanzielle Aufwand machen sie nicht nur für Wissenschaftler, sondern auch für Politiker interessant. Um eine effiziente Schwefelschicht zu erzeugen, kalkulieren die Forscher zurzeit mit zehn Millionen Tonnen Schwefeldioxid, die pro Jahr ausgebracht werden müssten. Für das Wolkenweißen, das ohnehin nur lokal über den südlichen Ozeanen anwendbar ist, rechnen sie jährlich mit 1000 Schiffen. Die Kosten wären um ein Hundertfaches geringer als die für derzeitige Klimaschutzmaßnahmen – und damit auch für kleine Nationen bezahlbar.
Welche ökologischen Risiken im Detail drohen, ist mit den bisherigen Erfahrungen allerdings schwer vorauszusagen. Während des Ausbruchs des Pinatubo kühlte sich nicht nur die Erde ab – das Ozonloch über der Antarktis wuchs auf eine neue Rekordgröße, und auch die Ozonschicht in den mittleren Breitengraden schrumpfte bedrohlich zusammen. Ob und wie von Menschen ausgebrachtes Schwefeldioxid die Ozonschicht genau angreifen würde, ist nicht sicher. David Keith schätzt außerdem, dass es in einer Welt mit künstlichen Wolken weniger Verdunstung und Niederschlag geben würde, Monsun und Windmuster könnten sich verändern. Weil die Methoden lokal unterschiedlich gut funktionieren, wären einige Regionen besser geschützt als andere, dadurch entstünden politische Spannungen. "Die technischen Probleme bei der Umsetzung sind insgesamt die kleineren", gibt auch Thomas Leisner zu bedenken.
Da die künstlichen Wolken relativ billig sein könnten, bestehe die Gefahr, dass einige Länder im Alleingang agierten – mit möglicherweise globalen Auswirkungen. Sebastian Harnisch erforscht an der Universität Heidelberg, welche politischen Konsequenzen Geoengineering mit sich bringt. Er vermutet, dass insbesondere Länder wie China und Indien unilaterale Projekte starten könnten. "Diese Länder sehen eine historische Schuld des Westens, der in ihren Augen in der Vergangenheit den Klimawandel angekurbelt hat. Solch ein Ungerechtigkeitsempfinden kann leicht dazu dienen, einseitige Maßnahmen, darunter Geoengineering, zu rechtfertigen", erläutert der Politikwissenschaftler. Außerdem wirken einige Geoengineering-Technologien nicht global: Während manche Länder stärker von den Maßnahmen profitieren würden, blieben für andere die Effekte aus, oder – schlimmer noch – es drohten Dürren oder Überflutungen.
Ende eines Tabus?
Klimaforscher David Keith hielte es deshalb für verfrüht, wenn angesichts der gegenwärtigen Unsicherheiten direkt über ein multilaterales Abkommen verhandelt würde. "Wenn wir jetzt übereilt nach internationalen Regeln streben, riskieren wir, uns in Verpflichtungen zu verstricken, die sich später als fehlgerichtet erweisen könnten." Auch Harnisch sieht zunächst die Wissenschaftler in der Verantwortung. Er wünscht sich ein zurückhaltendes und koordiniertes Vorgehen unter den Forscherkollegen, solange man die technischen Chancen und Risiken nicht genauer ausgeleuchtet hat. "Gemeinschaftliche Forschung möglichst vieler Staaten und eine klare Kommunikation zwischen Forschung und Politik sind unbedingt notwendig", betont der Wissenschaftler.
"Eines muss klar sein: Beginnt man mit dem Geoengineering im großen Maßstab, ist das ein Weg ohne Rückkehr", mahnt auch Atmosphärenphysiker Leisner. Zwar sinkt die globale Temperatur zunächst, wenn die Sonneneinstrahlung ausgebremst wird. Doch sobald die Wolkenproduktion stoppt, holt die Klimaerwärmung innerhalb weniger Jahre auf. Leisner schätzt, dass die Temperatur dann um bis zu ein Grad Celsius pro Sommer ansteigen könnte.
Viele Forscher sorgen sich darüber hinaus, dass die verlockende Option der künstlichen Wolken das Ende der politisch geförderten CO2-Sparmaßnahmen einläuten könnte. "Setzt sich der Gedanke durch, dass Geoengineering helfen kann, sinkt die individuelle Bereitschaft, sein Verhalten zu ändern und dadurch selbst zum Klimaschutz beizutragen", befürchtet Sebastian Harnisch. Wenn es durch die scheinbar strahlenden Aussichten der neuen Technologien tatsächlich zum Umdenken kommt, könnten die Folgen schwer wiegen – denn obwohl eine künstliche Wolkendecke die Klimaerwärmung bremsen oder sogar aufhalten könnte, hat sie keinerlei Einfluss auf den Kohlendioxidgehalt in der Luft – so werden beispielsweise die Ozeane weiter übersäuern, wenn Industrienationen und Schwellenländer den CO2-Ausstoß nicht reduzieren.
"Geoengineering war lange ein Tabuthema. In der Wissenschaft ist es inzwischen gebrochen – jetzt sollte die Politik reagieren und bald ein koordiniertes Vorgehen anstreben", meint Harnisch. Er kann die Sorgen vieler Politiker ein Stück weit nachvollziehen. "Langfristige Risikopolitik ist dem Wähler nicht immer leicht vermittelbar. Dennoch sollten die Politiker konkret auch über die neuen Möglichkeiten nachdenken", so der Politologe. "Geoengineering sollte als allerletzter Ausweg betrachtet werden", findet Klimaforscher Philip Rasch. Doch damit dieser Ausweg im Notfall zur Verfügung steht, seien weitere Studien unabdingbar – mit Unterstützung der Politik. In dieselbe Kerbe schlägt auch David Keith. Bevor man sich mit dem Wetter anlegt, muss man die Folgen besser kennen, so sein Tenor.
"Es wäre verantwortungslos, nicht erst weiterzuforschen", ist der kanadische Forscher überzeugt. Diese Ansicht teilt Gerhard Lux vom deutschen Wetterdienst: "Petrus hat uns Menschen wohl mit Absicht ein paar Hürden vor uns aufgebaut."
Der Vulkanausbruch tötete mindestens 875 Menschen und hinterließ nicht nur eine dicke Ascheschicht auf dem Land, sondern veränderte auch das Klima. Insgesamt 17 Millionen Tonnen Schwefeldioxid gelangten in die Stratosphäre und bildeten eine künstliche Wolkendecke. Die Folge: Fünf Prozent weniger Sonnenlicht erreichten die Erdoberfläche, und die weltweiten Durchschnittstemperaturen sanken innerhalb eines Jahres um ein halbes Grad Celsius. Kein Wunder, dass dieser schnelle Effekt manch einen Klimaschützer fasziniert. Wäre es möglich, künstliche Wolken zu erzeugen, die uns vor der globalen Erwärmung bewahren?
Was unter dem Titel "Geoengineering" bisher vor allem in Modellen durchgerechnet wurde, rückt heute zunehmend in den Bereich des Machbaren. Wo und wie viel Sonne scheint, könnte bald tatsächlich in Menschenhand liegen. Die ideale künstliche Wolkendecke soll das Erdklima stabilisieren: Einerseits reflektiert sie die Strahlung der Sonne zurück ins All, andererseits lässt sie die infrarote Wärmeabstrahlung der Erde durch. Wie beim Ausbruch des Pinatubo könnte deshalb auch absichtlich in den Himmel geschossenes Schwefeldioxid als eine Art künstlicher Sonnenschirm den Globus abkühlen [1].
Ein anderer Ansatz ist das so genannte Wolkenweißen, das die Wissenschaftler dem Rauch von Transportschiffen auf den Ozeanen abgeschaut haben. John Latham vom National Center of Atmospheric Research in Boulder und sein Kollege Stephen Salter von der University of Edinburgh haben spezielle Schiffe entworfen, die in der Zukunft Meerwasser in die Atmosphäre sprühen könnten. Dort soll das Salz dazu führen, dass sich statt weniger großer viele kleine Wassertröpfchen bilden und so strahlend weiße Wolken entstehen.
Solche Experimente simuliert beispielsweise Philip Rasch vom Pacific Northwest National Laboratory in Richland [2]. Er untersuchte Schiffsrouten auf den Ozeanen und die Auswirkungen, die die Abgase der Frachter und Dampfer auf die Wolkenbildung haben. Dabei entdeckte er, dass zusätzliche Aerosole die Wolken tatsächlich weißen können – unter bestimmten Bedingungen. Ist bereits eine kritische Tröpfchengröße in den Wolken überschritten, helfen zusätzliche Kondensationskeime nicht mehr. Ob auch die Tageszeit beeinflusst, wie effektiv die zusätzlichen Aerosole sind, erforscht Rasch mit seinem Team aktuell noch.
Kein eitel Sonnenschein
Bisher gibt es über Risiken und Effizienz dieser Geoengineering-Methoden jedoch kaum Ergebnisse aus Labor- oder Freilandversuchen. Theoretisch wären die Methoden jedoch schon heute umsetzbar. Thomas Leisner vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung am KIT in Karlsruhe schätzt zwar, dass beispielsweise die Schwefelmethode technisch innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahren eingesetzt werden könnte. Doch David Keith von der University of Calgary fasst die Charakteristika künstlicher Wolkendecken in drei Schlagwörtern zusammen: "Die Technologie ist schnell, billig und unperfekt" [3].
Ihre Schnelligkeit und der vergleichsweise geringe finanzielle Aufwand machen sie nicht nur für Wissenschaftler, sondern auch für Politiker interessant. Um eine effiziente Schwefelschicht zu erzeugen, kalkulieren die Forscher zurzeit mit zehn Millionen Tonnen Schwefeldioxid, die pro Jahr ausgebracht werden müssten. Für das Wolkenweißen, das ohnehin nur lokal über den südlichen Ozeanen anwendbar ist, rechnen sie jährlich mit 1000 Schiffen. Die Kosten wären um ein Hundertfaches geringer als die für derzeitige Klimaschutzmaßnahmen – und damit auch für kleine Nationen bezahlbar.
Welche ökologischen Risiken im Detail drohen, ist mit den bisherigen Erfahrungen allerdings schwer vorauszusagen. Während des Ausbruchs des Pinatubo kühlte sich nicht nur die Erde ab – das Ozonloch über der Antarktis wuchs auf eine neue Rekordgröße, und auch die Ozonschicht in den mittleren Breitengraden schrumpfte bedrohlich zusammen. Ob und wie von Menschen ausgebrachtes Schwefeldioxid die Ozonschicht genau angreifen würde, ist nicht sicher. David Keith schätzt außerdem, dass es in einer Welt mit künstlichen Wolken weniger Verdunstung und Niederschlag geben würde, Monsun und Windmuster könnten sich verändern. Weil die Methoden lokal unterschiedlich gut funktionieren, wären einige Regionen besser geschützt als andere, dadurch entstünden politische Spannungen. "Die technischen Probleme bei der Umsetzung sind insgesamt die kleineren", gibt auch Thomas Leisner zu bedenken.
Da die künstlichen Wolken relativ billig sein könnten, bestehe die Gefahr, dass einige Länder im Alleingang agierten – mit möglicherweise globalen Auswirkungen. Sebastian Harnisch erforscht an der Universität Heidelberg, welche politischen Konsequenzen Geoengineering mit sich bringt. Er vermutet, dass insbesondere Länder wie China und Indien unilaterale Projekte starten könnten. "Diese Länder sehen eine historische Schuld des Westens, der in ihren Augen in der Vergangenheit den Klimawandel angekurbelt hat. Solch ein Ungerechtigkeitsempfinden kann leicht dazu dienen, einseitige Maßnahmen, darunter Geoengineering, zu rechtfertigen", erläutert der Politikwissenschaftler. Außerdem wirken einige Geoengineering-Technologien nicht global: Während manche Länder stärker von den Maßnahmen profitieren würden, blieben für andere die Effekte aus, oder – schlimmer noch – es drohten Dürren oder Überflutungen.
Ende eines Tabus?
Klimaforscher David Keith hielte es deshalb für verfrüht, wenn angesichts der gegenwärtigen Unsicherheiten direkt über ein multilaterales Abkommen verhandelt würde. "Wenn wir jetzt übereilt nach internationalen Regeln streben, riskieren wir, uns in Verpflichtungen zu verstricken, die sich später als fehlgerichtet erweisen könnten." Auch Harnisch sieht zunächst die Wissenschaftler in der Verantwortung. Er wünscht sich ein zurückhaltendes und koordiniertes Vorgehen unter den Forscherkollegen, solange man die technischen Chancen und Risiken nicht genauer ausgeleuchtet hat. "Gemeinschaftliche Forschung möglichst vieler Staaten und eine klare Kommunikation zwischen Forschung und Politik sind unbedingt notwendig", betont der Wissenschaftler.
"Eines muss klar sein: Beginnt man mit dem Geoengineering im großen Maßstab, ist das ein Weg ohne Rückkehr", mahnt auch Atmosphärenphysiker Leisner. Zwar sinkt die globale Temperatur zunächst, wenn die Sonneneinstrahlung ausgebremst wird. Doch sobald die Wolkenproduktion stoppt, holt die Klimaerwärmung innerhalb weniger Jahre auf. Leisner schätzt, dass die Temperatur dann um bis zu ein Grad Celsius pro Sommer ansteigen könnte.
Viele Forscher sorgen sich darüber hinaus, dass die verlockende Option der künstlichen Wolken das Ende der politisch geförderten CO2-Sparmaßnahmen einläuten könnte. "Setzt sich der Gedanke durch, dass Geoengineering helfen kann, sinkt die individuelle Bereitschaft, sein Verhalten zu ändern und dadurch selbst zum Klimaschutz beizutragen", befürchtet Sebastian Harnisch. Wenn es durch die scheinbar strahlenden Aussichten der neuen Technologien tatsächlich zum Umdenken kommt, könnten die Folgen schwer wiegen – denn obwohl eine künstliche Wolkendecke die Klimaerwärmung bremsen oder sogar aufhalten könnte, hat sie keinerlei Einfluss auf den Kohlendioxidgehalt in der Luft – so werden beispielsweise die Ozeane weiter übersäuern, wenn Industrienationen und Schwellenländer den CO2-Ausstoß nicht reduzieren.
"Geoengineering war lange ein Tabuthema. In der Wissenschaft ist es inzwischen gebrochen – jetzt sollte die Politik reagieren und bald ein koordiniertes Vorgehen anstreben", meint Harnisch. Er kann die Sorgen vieler Politiker ein Stück weit nachvollziehen. "Langfristige Risikopolitik ist dem Wähler nicht immer leicht vermittelbar. Dennoch sollten die Politiker konkret auch über die neuen Möglichkeiten nachdenken", so der Politologe. "Geoengineering sollte als allerletzter Ausweg betrachtet werden", findet Klimaforscher Philip Rasch. Doch damit dieser Ausweg im Notfall zur Verfügung steht, seien weitere Studien unabdingbar – mit Unterstützung der Politik. In dieselbe Kerbe schlägt auch David Keith. Bevor man sich mit dem Wetter anlegt, muss man die Folgen besser kennen, so sein Tenor.
"Es wäre verantwortungslos, nicht erst weiterzuforschen", ist der kanadische Forscher überzeugt. Diese Ansicht teilt Gerhard Lux vom deutschen Wetterdienst: "Petrus hat uns Menschen wohl mit Absicht ein paar Hürden vor uns aufgebaut."
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