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News: Sonnenfinsternis soll Foucault-Pendel beschwingen

Es klingt schon etwas ungewöhnlich: Während die halbe Welt das optische Phänomen der Sonnenfinsternis bestaunt, beobachten zwei Physiker, ob das eigentlich eher visuelle Naturereignis auch gravitativen Einfluß auf ein sonst ruhig vor sich her schwingendes Foucault-Pendel nimmt. Den Anstoß dazu gaben keine esoterischen Theorien, sondern zwei handfeste Messungen aus den fünfziger Jahren. Sie sollen nun mit Präzisionsinstrumenten nachvollzogen werden.
Ein Foucault-Pendel ist nichts weiter, als eine an einer langen Schnur aufgehängte Masse. Gerät sie in Schwingung, bleibt die Pendelebene aufgrund der Drehimpulserhaltung fest im Raum, während sich die Erde unter ihr hinwegdreht. Die Coriolis-(Schein)Kraft bewirkt, daß das Pendel für den Beobachter auf der Erde scheinbar kreist. Figuren, die ringförmig um das Pendel aufgestellt sind, werden im Laufe der Zeit von der schwingenden Masse umgestoßen. Das Pendel schwingt also regelmäßig hin und her, wobei sich seine Bewegungsebene langsam um die Achse senkrecht zum Erdboden dreht. Nach und nach durchläuft die Masse also alle Punkte der Kreisfläche unter ihr.

Eigentlich suchte der französische Physiker Maurice Allais nach einem Zusammenhang zwischen Gravitation und Magnetismus, weshalb er in den fünfziger Jahren Foucault-Pendel verschiedener Materialien genauestens, wenn auch erfolglos, untersuchte. Er beobachtete jedoch während der beiden totalen Eklipsen zu seiner eigenen Überraschung eine merkwürdige Unregelmäßigkeit in der Pendelbewegung.

Bereits während der totalen Finsternisse am 30. Juni 1954 und 22. Oktober 1959 bemerkte Allais, daß die sonst allmählich rotierende Pendelebene sich sprunghaft zurückdrehte. Obwohl Maurice Allais 1988 anläßlich der Verleihung seines Nobelpreises noch einmal auf seine ungewöhnlichen Meßergebnisse aufmerksam machte, zeigte die Fachwelt wenig Reaktion – möglicherweise, weil der Nobelpreis seine Leistungen in der Ökonomie ehren sollte. Anläßlich der diesjährigen Sonnenfinsternis sollen Allais Beobachtungen jedoch mir Präzisionsinstrumenten nachvollzogen werden.

Die NASA höchstpersönlich hat sich dieser Aufgabe angenommen. Am Marshall Space Flight Center werden am 11. August die beiden Physiker David Noever und Ron Koczor dem fünfzig Jahre alten Mysterium auf den Grund gehen. Ein Hochpräzisionsgravitometer, magnetisch und thermisch abgeschirmt und gegen Druck geschützt, soll bis auf zehn Nachkommastellen genau gravitative Variationen messen. Das modifizierte LaCoste-Romberg-Gravitometer ist so fein, daß es sogar den Einfluß eines vorbeifahrenden Autos wahrnimmt. Im Vergleich dazu sollte der von Allais vermutete Einfluß geradzu riesig sein.

Noever und seine Kollegen hoffen, auch andere Wissenschaftler animieren zu können. Mehr als sechzig größere Foucault-Pendel schwingen weltweit in Foyers und Museen. Das berühmteste unter ihnen ist sicherlich das Original aus dem Jahr 1851, das 1995 wieder im Pariser Pantheon aufgehängt wurde. Auf jeden Fall wird in Denver, fast 1000 Kilometer entfernt und mit einem Höhenunterschied von etwa 2700 Metern, das Experiment zeitgleich durchgeführt.

Sollten sich Maurice Allais Erfahrungen bestätigen, kommen die Wissenschaftler in Erklärungsnotstand. Denn warum sollte bei einer Sonnenfinsternis ein gravitativer Effekt auftreten, der noch nicht einmal ansatzweise bei Neumond, also bei ähnlicher Konstellation der Gestirne, zu beobachten ist. So vermutet auch Noever: "Das wahrscheinlichste Ergebnis der Arbeit am 11. August ist, das nichts ungewöhnliches passiert." Sicherheitshalber fügt er jedoch noch hinzu: "Aber man weiß ja nie ..."

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