Sonnenforschung: Magnetfelder in der Korona erstmals direkt beobachtet

Mit einer Temperatur von mehreren Millionen Kelvin ist die Korona deutlich heißer als die scheinbare Oberfläche der Sonne (siehe SuW 1/2024, S. 18). Allerdings ist die Dichte ihres Gases so gering, dass sein Leuchten hoffnungslos überstrahlt wird – es erreicht zusammengenommen nur ein Millionstel der Intensität der Sonnenscheibe (siehe »Ausgeblendet«). Jede einzelne Emissionslinie des Gases trägt lediglich einen winzigen Bruchteil zu dieser Summe bei, leuchtet für sich betrachtet also noch mal erheblich schwächer. Dabei wäre das Beobachten der Korona und vor allem ihrer Magnetfelder von großem Interesse: Die mächtigen Eruptionen auf der Sonne, die auch Einfluss auf das Weltraumwetter in Erdnähe haben, werden von ihnen beeinflusst.
Erster Nachweis
Satellitenaufnahmen von Plasmabögen in der Korona haben uns schon lange die Anwesenheit und Struktur von Magnetfeldern verraten. Eine direkte Messung blieb die Sonnenphysik wegen der enormen beobachtungstechnischen Herausforderung bislang jedoch schuldig. Etwa 90 Jahre nach den ersten Koronabeobachtungen außerhalb einer totalen Sonnenfinsternis durch Bernard Ferdinand Lyot (1897 – 1952) konnten Stärke und Polarität ihrer Magnetfelder nun erstmals bestimmt werden (siehe »Koronale Magnetfelder«). Dieser Erfolg gelang der Gruppe um den US-amerikanischen Sonnenphysiker Thomas Schad am weltweit größten Sonnenteleskop, dem Daniel K. Inouye Solar Telescope (DKIST) mit 4-Meter-Öffnung auf Mauis Schildvulkan Haleakala in Hawaii (siehe SuW 11/2021, S. 26). Diese vergleichsweisen günstigen bodengebundenen Messungen sind ein wichtiger Fortschritt, weil sie jederzeit bei klarem Himmel erfolgen können.
Die beobachterische Leistung ist bemerkenswert, weil die polarisierte Koronastrahlung von geeigneten Emissionslinien milliardenfach lichtschwächer als die benachbarte Sonnenscheibe ist. Außerdem muss diese Linienstrahlung räumlich und zeitlich hoch aufgelöst werden, um brauchbare Karten der koronalen Magnetfelder zu gewinnen. Das Problem ist, dass das Licht der blendend hellen Sonnenscheibe im umliegenden Himmel so stark gestreut wird, dass dieses Streulicht selbst bei besten Bedingungen auf 3000 Meter Höhe noch etwas heller ist als die Korona selbst. Lyot, der französische Pionier der Sonnenforschung, hat diese Problematik in seiner Publikation von 1939 sehr eingehend beschrieben.
Künstliche Sonnenfinsternis
Eine besondere Konstruktion am DKIST blendet die gleißend helle Sonnenscheibe und instrumentelles Streulicht geschickt aus. Es wird sozusagen eine künstliche Sonnenfinsternis erzeugt, indem die enorme Energie der Sonnenscheibe mit einem hochreflektiven, aktiv gekühlten Kegel ausgeblendet wird. Diese Art von Koronograf ist die Weiterentwicklung einer Idee von Lyot. Die große Optik des Sonnenteleskops erlaubt zudem eine hohe räumliche Auflösung von nur einer Bogensekunde.
Neben diesen technischen Hilfsmitteln wählte das Team um Schad Emissionslinien des heißen Koronagases im Infrarot, unter anderem weil der Himmel in diesem Wellenlängenbereich weniger stark aufgehellt ist. Beides zusammen ermöglicht das Beobachten der Linie von zwölffach ionisiertem Eisen (Fe XIII) bei einer Wellenlänge von 1074 Nanometern. Ein Nanometer entspricht einem milliardstel Meter. Die Wahl von Infrarotlinien hat sogar noch einen weiteren Vorteil, der sich aus der speziellen Methode zum Messen der Magnetfelder ergibt.
Feine Aufspaltung
Die Magnetfelder werden mit Hilfe des Zeeman-Effekts vermessen. Er beschreibt, wie sich manche Spektrallinien unter dem Einfluss eines statischen Magnetfelds in unterschiedlich polarisierte Komponenten aufspalten. Je stärker das Feld ist, umso weiter ist die Aufspaltung; die Anordnung der Polarisation ergibt die Polung. Um den Effekt nachzuweisen, benötigt man also einen Spektrografen mit hoher Auflösung und ein Polarimeter: ein Spektropolarimeter.
Auf der scheinbaren Oberfläche der Sonne, vornehmlich an Sonnenflecken, führte der US-Astronom George Ellery Hale (1868 – 1938) schon erstmals vor gut 100 Jahren Messungen des Zeeman-Effekts am Mount Wilson Observatory durch. Er konnte dazu Linien bei sichtbaren Wellenlängen verwenden, weil es auf der Sonnenscheibe kein so großes Problem mit dem Streulicht gibt: Sie strahlt rund eine Million Mal heller als die Korona. Zudem sind die Feldstärken im Bereich von Sonnenflecken fast zwei Größenordnungen höher als in koronalen Höhen, wodurch sich die Linien stärker aufspalten.
Die von Schad und seiner Gruppe für die aktuelle Studie ausgewählten Infrarotlinien haben einen entscheidenden Vorteil, der die Messung des Effekts in den schwächeren Magnetfeldern der heißen Korona ermöglicht: Je größer die Wellenlänge einer Linie ist, desto stärker ist die Aufspaltung durch den Zeeman-Effekt. Das ist in der Korona besonders wichtig, weil die Linien bereits auf Grund der hohen Temperatur verbreitet sind und eine Spaltung so weniger auffällt.
Gute Aussichten
Mit den empfindlichen Instrumenten des DKIST lassen sich koronale Strukturen nun regelmäßig vermessen und in guter Auflösung großflächig kartieren. Sie eröffnen damit neue Perspektiven für die beobachtende Sonnenphysik. »Genau wie detaillierte Karten der Erdoberfläche und der Atmosphäre bessere Wettervorhersagen ermöglichten, werden uns die umfassenden Karten der koronalen Magnetfelder dabei helfen, Sonnenstürme und das Weltraumwetter zuverlässiger zu prognostizieren«, sagt Carrie Black, Programmdirektorin der National Science Foundation, welche das DKIST finanziert. Lyot wäre von den neuen, faszinierenden Möglichkeiten sicherlich begeistert.
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