Sozialpsychologie: Warum Menschen autoritären Führern folgen

Die Wiederwahl von Donald Trump im Jahr 2024 hat vielleicht mehr als jedes andere Ereignis in der modernen Geschichte das Problem autoritärer politischer Führung ins Rampenlicht gerückt. Ob in den Medien oder in Cafés und Kneipen – in allen Ländern diskutieren Menschen darüber. Präsident Trump und seine Ankündigung, am ersten Tag ein Diktator zu sein, zusammen mit seinen Versuchen, seine Macht zu konsolidieren, staatliche Aufsichtsmechanismen auszuhebeln und die politische Opposition zum Schweigen zu bringen, stellen eine ernste Bedrohung für die Demokratie in den USA dar.
Die Gefahr, die von autoritären Führern ausgeht, ist groß. Mein Team und verschiedene Arbeitsgruppen aus aller Welt beschäftigen sich aber auch mit einem anderen, ebenso wichtigen Aspekt der Bedrohung: mit den Anhängern der Autoritären, also jenen, die einem Diktator bereitwillig folgen würden. Erst wenn wir ihr Verhalten verstehen, können wir sie dazu bringen, stattdessen die Demokratie zu unterstützen.
Die autoritäre Persönlichkeit
Schon seit mehr als 80 Jahren wird in der Sozialpsychologie zur »autoritären Persönlichkeit« geforscht. Man kann sie als eine Sammlung von Denk- und Verhaltensweisen beschreiben, die jemanden empfänglich für autoritäre Führungsfiguren machen. Drei Neigungen kennzeichnen autoritäre Persönlichkeiten: Erstens – sie gehorchen Autoritätspersonen aus ihrer Gruppe (autoritäre Unterwürfigkeit oder Autoritätshörigkeit); zweitens – sie bestrafen selbst Regelverstöße (autoritäre Aggression); und drittens – sie vertreten strikt traditionelle Weltanschauungen und verhalten sich konform zu gesellschaftlichen Normen (Konventionalismus).
Mein Team und andere Forschungsgruppen haben herausgefunden, dass Anhänger autoritärer Führungsfiguren eine ganze Reihe problematischer Einstellungen äußern, darunter Vorurteile gegenüber Homosexuellen und gegenüber ethnischen Minderheiten, Einwanderungsfeindlichkeit, Nationalismus und der Glaube an Verschwörungstheorien. Die Publikation einer weiteren Studie über die Trump-Wählerschaft von 2024 steht noch aus, aber laut Erhebungen mit jeweils etlichen hundert Teilnehmenden im Rahmen der beiden vorangegangenen Wahlen hatten autoritäre Persönlichkeiten mit größerer Wahrscheinlichkeit für Donald Trump gestimmt als für Hillary Clinton oder Joe Biden. Sie sind eine starke Kraft innerhalb der MAGA-Bewegung (»Make America great again«).
Wird der Hang zu Autoritarismus vererbt?
Aber warum werden manche Menschen zu Anhängern des Autoritarismus, andere dagegen nicht? Einige Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das Verhalten zum Teil erblich bedingt ist. So ähneln sich einer Studie von 2013 zufolge eineiige Zwillinge in ihrer Neigung zum Autoritarismus mindestens fünfmal stärker als zweieiige Zwillingen, die nur etwa die Hälfte ihrer Gene miteinander teilen (wobei sämtliche untersuchten Geschwister jeweils in getrennten Elternhäusern aufgewachsen waren, Anm. d. Red.). Autoritarismus hängt mit einigen Persönlichkeitsmerkmalen des »Big Five«-Modells zusammen. Es beschreibt die Persönlichkeit mit fünf universellen Eigenschaften, die ebenfalls teilweise erblich sind: Offenheit für Erfahrungen (umfasst auch kulturelle Aufgeschlossenheit), Gewissenhaftigkeit (eine Vorliebe für Ordnung und das Befolgen von Normen), Extraversion (etwa, wie kontaktfreudig man ist), Verträglichkeit (die Bereitschaft, zu kooperieren und sich in andere einzufühlen) und Neurotizismus (die Tendenz, sich ängstlich und unsicher zu fühlen). Insbesondere eine geringe Offenheit für Erfahrungen und eine ausgeprägte Gewissenhaftigkeit gehen dabei mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einher, autoritären Führern zu folgen.
Die genetische Komponente bedeutet nicht, dass manche Menschen von Natur aus dazu bestimmt sind, Diktatoren zu gehorchen
Dieser starke Einfluss von Genen und Persönlichkeit bedeutet allerdings nicht, dass manche Menschen von Natur aus dazu bestimmt sind, Diktatoren zu gehorchen. Soziale, wirtschaftliche und andere Merkmale der unmittelbaren Lebensumgebung spielen ebenfalls eine Rolle. Insbesondere unsichere und bedrohliche Lebensumstände führen dazu, dass Menschen die Welt beständig als gefährlich empfinden. Wenn wir unser Leben für zerbrechlich halten, suchen wir nach Wegen, auf denen wir die Kontrolle wiedererlangen können, und vermeiden zugleich Situationen, in denen wir uns unwohl fühlen. Laut Studien unter anderem aus Deutschland wird das Vertrauen auf einen Diktator und das Eintreten für einen autoritären Staat als eine Möglichkeit empfunden, dieses Bedürfnis nach Kontrolle zu stillen – auf Kosten demokratischer Institutionen.
Rechtsextreme Politik scheint an den Wunsch zu appellieren, die vermisste Stabilität wiederherzustellen und wahrgenommene Bedrohungen zu eliminieren. Misstrauen gegenüber Einwanderern und Angst vor dem sozialen Abstieg sind zentral für die Rückkehr des Rechtsextremismus: Bewegungen wie der Brexit, der Aufstieg der Alternative für Deutschland (AfD), die Erfolge von Marine Le Pen in Frankreich und 2024 die Rückkehr von Donald Trump an die Macht gewannen alle an Dynamik, weil ihre Protagonisten die Ängste der Wählenden vor einer Gefährdung ihrer bisherigen Lebensweise schürten. In der gefühlten Bedrohung traditioneller Werte wurzeln auch Angriffe gegen Transgender-Rechte und gegen sogenannte DEI-Initiativen, die sich für Diversität (englisch: diversity), Chancengleichheit (equity) und Teilhabe (inclusion) einsetzen.
Politische Bildung allein hilft nicht
Wie also ließe sich der jüngsten weltweiten Zunahme autoritärer Führer und ihrer Anhänger gegensteuern? Als Hochschullehrer war mein erster Gedanke, den Menschen demokratische Werte wie Toleranz, Pluralismus und Rechtsstaatlichkeit zu vermitteln, also in politische Bildung zu investieren. Doch dieser Ansatz könnte nach hinten losgehen. Forschung zu dem Thema zeigt, dass mehr politisches Wissen vielmehr dazu führen kann, dass autoritäre Anhänger noch wahrscheinlicher antidemokratische Einstellungen ausdrücken. So ergab eine Studie im Rahmen früherer US-Präsidentschaftswahlen, dass die Beziehung zwischen einer autoritären Veranlagung und gewissen konservativen Merkmalen bei politisch gebildeten Personen nochmals stärker war.
Politische Bildung und Vertrautheit mit der Politik ermöglichen es Menschen, jene politischen Maßnahmen und Parteien zu identifizieren, die ihren grundlegenden Bedürfnissen und Persönlichkeitsmerkmalen am besten entsprechen. Auch Arbeiten meines ehemaligen Doktoranden Christopher Lockhart weisen in diese Richtung: Das Interesse an Politik stärkt die Beziehung zwischen Autoritarismus und Konservatismus eher, als dass es sie schwächt. Die Hoffnung, politische Bildung oder »Aufklärung« könne den Einfluss von Autoritarismus auf den jüngst zunehmenden Verfall der Demokratien eindämmen, ist daher möglicherweise unangebracht oder zumindest zu optimistisch.
Was erhöht das Sicherheitsgefühl?
Naheliegend sind zudem Versuche, das Sicherheitsbedürfnis autoritärer Anhänger durch verstärkte Polizeipräsenz, weniger Zuwanderung oder mehr staatliche Überwachung zu befriedigen. Es gibt noch zu wenig Forschung zu diesen konkreten Maßnahmen. Doch frühere Studien liefern immerhin indirekte Hinweise auf eine begrenzte Wirksamkeit. Autoritär eingestellte Personen stimmen bei wahrgenommenen Bedrohungen im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt zwar stärker einer Einschränkung bürgerlicher Freiheiten sowie einer staatlichen Überwachung zu. Aber da mehr Polizeikräfte auf den Straßen in Experimenten paradoxerweise das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen verringerten, könnte eine gesteigerte Überwachung die autoritäre Unterstützung antidemokratischer Gepflogenheiten auch verstärken, anstatt sie abzumildern. Abschiebungen würden die Beziehung zwischen Einheimischen und Zugewanderten auch verschlechtern, weil sie Kontaktmöglichkeiten reduzieren, was wiederum fremdenfeindliche Einstellungen befeuern kann.
Während traditionelle Strategien darauf abzielen, Menschen über die Gefahren des Autoritarismus aufzuklären, setzt der Ju-Jutsu-Weg an der Wurzel von Einstellungen an
Als Alternative zu solchen intuitiven, wenngleich unzulänglichen Ansätzen könnten Befürworter der Demokratie die Kunst der »Ju-Jutsu-Überzeugung« einsetzen. Während traditionelle Strategien darauf abzielen, Menschen über die Gefahren des Autoritarismus aufzuklären, setzt der Ju-Jutsu-Weg an der Wurzel von Einstellungen an. Weil sich autoritäre Neigungen häufig aus dem Bedürfnis speisen, gefühlte Bedrohungen zu bewältigen, könnte es sich lohnen, in Sicherheit gebende soziale Beziehungen zu investieren.
Tatsächlich befragten wir 2023 in einer unserer Studien mehr als 11 000 Neuseeländer europäischer Abstammung in 254 Gemeinden und fanden heraus, dass kulturelle Vielfalt in ihrer direkten Nachbarschaft mit weniger ausgeprägten autoritären Einstellungen einherging. Ebenso waren die Gefühle der Bedrohung und des Konkurrenzkampfs dort geringer. Konkret stimmten die Befragten beispielsweise einschlägigen Aussagen (»Es gibt in unserer Gesellschaft viele gefährliche Menschen, die jemanden aus purer Bosheit und völlig grundlos angreifen werden«) weniger zu als solche aus weniger diversen Gegenden. Vermutlich bietet ein kulturell durchmischtes Umfeld mehr Gelegenheiten, enge Freundschaften mit Menschen unterschiedlichen Hintergrunds zu schließen. Solche Erfahrungen wiederum könnten die Sorge zerstreuen, dass Einwanderer tiefverwurzelte kulturelle Werte bedrohen oder Arbeitsplätze wegnehmen.
Die Neigung zum Konventionalismus nutzen
Laut anderer Forschung lässt sich die Neigung, Autoritätspersonen zu gehorchen und sich anzupassen, auch in prosoziale Bahnen lenken, indem wir prodemokratische Führungspersonen und inklusive Gruppennormen unterstützen. So zeigen Untersuchungen aus Singapur, dass autoritär eingestellte Personen hier die regierungsseits befürwortete kulturelle Vielfalt ebenfalls unterstützen. Studien aus Polen zufolge wird das unter Bestrafung gestellte Verbot von Hassrede gegen Minderheiten wie LGBTQ-Gemeinschaften, Muslime und Menschen afrikanischer Abstammung dort von Unterstützern autoritärer Politik mitgetragen. Das liegt vermutlich an der besonderen Sensibilität für Normverletzungen solcher Menschen. Unter bestimmten Bedingungen ist es also für Regierungen möglich, die Impulse autoritärer Anhänger für das gesellschaftliche Wohl zu nutzen.
»Der größte Teil der Macht des Autoritarismus wird freiwillig gegeben«Timothy Snyder, Historiker
Sozialwissenschaftler beschäftigen sich schon lange mit den Ursprüngen des Autoritarismus, aber Trumps Rückkehr an die Macht hat das öffentliche Interesse daran noch einmal stärker entfacht. Die Erkenntnisse könnten uns helfen, künftige Herausforderungen für demokratische Strukturen zu meistern. Denn eine Demokratie geht selten durch die Hand eines Einzelnen zugrunde. Vielmehr stirbt sie durch die Bequemlichkeit und den Gehorsam von sonst gutwilligen Menschen. »Der größte Teil der Macht des Autoritarismus wird freiwillig gegeben«, sagt der Historiker Timothy Snyder. Um seine Anziehungskraft zu verringern, müssen wir prosoziale Wege finden, die zugrunde liegenden Bedürfnisse der Menschen nach Sicherheit und Geborgenheit zu befriedigen.
Osborne, D., Sibley, C.G. (Hg.): The Cambridge Handbook of Political Psychology, 2022
Der Herausgeberband bietet einen Überblick über die psychologischen Grundlagen politischen Verhaltens aus internationaler Perspektive.
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