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Sozialpsychologie: Wer traut wem?

Ob Vertrauen in den Partner, in Kollegen, Politiker oder in vollkommen Fremde: Wann wir uns auf andere verlassen und wann nicht, verrät mehr über uns selbst als über unsere Mitmenschen.
Helfende Hand

Kaum etwa schmerzt uns mehr als missbrauchtes Vertrauen. Wenn einen der Partner betrügt, der Freund ein Geheimnis verrät, die Eltern ein Versprechen brechen – das sitzt tief. Und ist das Vertrauen erst einmal enttäuscht worden, fällt es schwer, neues zu schöpfen, mindestens für eine Weile. Laut dem US-amerikanischen Psychologen Jeffry Simpson ist Vertrauen die wichtigste Zutat gelingender Beziehungen.

Doch wir vertrauen längst nicht nur Menschen, die uns nahestehen. Auch bei Fremden sind wir oft darauf angewiesen. Wir verlassen uns darauf, dass der Passant auf der Straße uns nichts Böses will, dass das Kind in der Kita gut behütet ist oder dass der Mitreisende im Zug, den wir bitten, kurz auf unsere Tasche Acht zu geben, nicht damit türmt. Vertrauen scheint ein unverzichtbares Schmiermittel für fast alle zwischenmenschlichen Kontakte zu sein. Es ermöglicht uns, miteinander zu kooperieren und gemeinsam Ziele zu erreichen, die dem Einzelnen verwehrt blieben.

Oder ist diese Sichtweise zu einseitig? Brauchen wir nicht auch eine gute Portion Misstrauen? Und wenn ja, wie wägen wir zwischen diesen beiden Polen ab?

»Vertrauen ist immer ein Wagnis«, erklärt Isabel Thielmann, Psychologin von der Universität Koblenz-Landau. »Ich gebe die Kontrolle ab und verlasse mich darauf, dass sich der andere mir gegenüber freundlich verhält.« Dies umfasst einerseits die Erwartung, dass der Vertrauensempfänger nichts Böses im Schilde führt. Und andererseits nehmen wir ein Risiko in Kauf. Wir machen uns abhängig, angreifbar.

Die Bereitschaft dazu erleichtert dennoch das Leben, glaubt Thielmann. »Wer nicht vertrauen kann, hat mehr Probleme. Wenn ich mich nie auf andere verlasse, kann ich kaum soziale Bindungen aufbauen und handle mir damit Nachteile ein.«

Folglich sind vertrauensvolle Menschen laut Längsschnittstudien in der Regel gesünder, zufriedener und leben länger. Außerdem führen sie stabilere, Sinn stiftende Beziehungen. Und selbst finanziell zahlt sich ein vom Grundsatz her argloser Charakter aus: Wie die Psychologen Olga Stavrova und Daniel Ehlebracht 2016 herausfanden, verdienen misstrauische Menschen im Mittel weniger Geld.

Die Forscher werteten Daten von knapp 16 000 Deutschen aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten aus. Dabei zeigte sich, dass Teilnehmer, die laut Fragebogen eher vertrauensvoll waren, im Verlauf von neun Jahren einen Einkommenszuwachs von durchschnittlich rund 240 Euro im Monat erreichten. Bei besonders misstrauischen Menschen veränderte sich das Gehaltsniveau im gleichen Zeitraum dagegen nicht.

Wer zu viel misstraut, verpasst Gelegenheiten

Eine denkbare Erklärung: Womöglich meiden Letztere häufig Gewinn bringende Zusammenarbeit und verpassen so manche Gelegenheit, durch Kooperation berufliche Ziele zu erreichen. Allerdings kommt auch die umgekehrte Ursache-Wirkungs-Beziehung in Frage – schließlich dürfte, wer im Job schon oft enttäuscht wurde, fortan weniger Vertrauen aufbringen.

Das alles bedeutet freilich nicht, dass Skepsis grundsätzlich fehl am Platz ist. Ohne Misstrauen würden wir auf viele undurchsichtige Angebote oder dreiste Täuschungen hereinfallen. Wer vorbehaltlos immer vertraut, ist im Leben wohl ebenso arm dran wie der chronisch misstrauische Eigenbrötler.

»Misstrauen lenkt unsere Aufmerksamkeit darauf, dass in einer Beziehung oder in der sozialen Umwelt etwas schieflaufen könnte«
Alexa Weiss, Universität Bielefeld

Alexa Weiss von der Universität Bielefeld erforscht diese schwierige Balance: Wann lohnt es sich zu vertrauen und wann eher nicht? Für sie ist Misstrauen eine Art Alarmsirene, die uns anzeigt, wann wir ausgenutzt werden könnten oder wann zu viel auf dem Spiel steht. »Misstrauen lenkt unsere Aufmerksamkeit darauf, dass in einer Beziehung oder in der sozialen Umwelt etwas schieflaufen könnte«, erklärt die Forscherin.

Wir müssen also herausfinden, welche Personen es besser oder schlechter mit uns meinen. Auf der Suche nach Anzeichen für Vertrauenswürdigkeit nutzen wir meist intuitive Urteile und Heuristiken, die automatisch ablaufen. Bei uns näher bekannten Menschen können wir dabei auch auf frühere Erfahrungen mit den Betreffenden aufbauen. Bei Unbekannten dagegen halten wir uns notgedrungen an äußere Merkmale.

So zeigen verschiedene Studien einer Forschergruppe um Alexander Todorov, damals an der Princeton University, dass wir fremde Gesichter regelrecht nach Anzeichen von Vertrauenswürdigkeit absuchen. Beispielsweise schließen wir aus einem Lächeln und direktem Blickkontakt häufig darauf, dass die andere Person freundlich ist. Und eine sehr symmetrische Physiognomie fördert den Eindruck von Kompetenz.

Fördert Misstrauen das Denken?

Die israelische Sozialpsychologin Ruth Mayo untersuchte, wie Misstrauen das komplexe Problemlösen beeinflusst. Sie verwendete eine klassische Aufgabe, den Wason Rule Discovery Task, und präsentierte Probanden Zahlenfolgen wie »2, 4, 6, 8 …«. Anschließend sollten die Teilnehmer erraten, welche Regel der jeweiligen Reihe zu Grunde lag (hier vermeintlich »+2«). Danach wurden sie gebeten, nach dem gleichen Prinzip andere Zahlenfolgen ersinnen. Die Versuchsleiter erklärten lediglich, ob diese zur wahren Regel (in dem Fall einfach nur aufsteigend, »<«) passen oder nicht.

Die meisten Testkandidaten verfolgten eine simple Strategie: Sie verließen sich auf die erste Hypothese, die ihnen einfiel. Misstrauische Teilnehmer jedoch kamen dreimal so häufig auf die korrekte Regel, weil sie abseits ihrer ursprünglichen Annahme dachten. Misstrauen erhöht offenbar die Bereitschaft, eine Idee zu überprüfen und Alternativen in Betracht zu ziehen. Dass es Sichtweisen eröffnen kann, die nicht unbedingt auf der Hand liegen, bestätigten auch Experimente eines Teams um den Sozialpsychologen Thomas Mussweiler. Die Forscher legten Probanden die Geschichte eines jungen Türken vor, der mit Freunden ausging. Nun sollten die Teilnehmer den Mann auf einer Reihe von Dimensionen bewerten, die teils dem Klischee eines »Südländers« entsprachen (religiös, impulsiv, machohaft).

Hatte man die Versuchspersonen zuvor durch Lektüre eines hierfür geeigneten Textes gezielt misstrauisch gemacht, bewerteten sie den Mann danach weniger gemäß dem Stereotyp. Ein weiteres Experiment ergab ähnliche Effekte bei der Beurteilung von Frauen. Das Fazit: Mit einer skeptischen Geisteshaltung gelingt es eher, aus den vorgefertigten Bahnen des Denkens auszuscheren.

Mayo, R.: Cognition is a matter of trust: Distrust tunes cognitive processes. Eur. Rev. Soc. Psychol. 26, 2015; Posten, A.-C., Mussweiler, T.: When distrust frees your mind: The stereotype-reducing effects of distrust. J. Pers. Soc. Psychol. 105, 2013

Alexa Weiss erklärt das so: »Halten wir jemanden für kompetent, vertrauen wir ihm eher – etwa, weil wir davon ausgehen, dass derjenige genug Selbstdisziplin aufbringt, um zuverlässig seinen Verpflichtungen nachzukommen oder Versprechen zu halten.« Zudem spiele eine größere Rolle, ob wir dem anderen einen »guten Charakter« zuschreiben, ihn für fair und moralisch integer halten. Wichtig ist dabei zu bedenken: Das sind lediglich Zuschreibungen. Wie das Gegenüber wirklich ist, wissen wir in der Regel nicht, zumal bei Fremden.

Oft ist in der Öffentlichkeit von einer großen Krise des Vertrauens die Rede, und zwar nicht erst seit der Corona-Pandemie. Die Ausbreitung von Verschwörungsmythen und ein Erstarken politischer Extreme gelten als Beispiele dafür, dass der gesellschaftliche Konsens und Zusammenhalt schwinde. Aber stimmt das? Vertrauen wir einander wirklich immer weniger?

Vertrauensforschung im Alltag

Die Forschergruppe um Weiss wollte herausfinden, wie es um das Vertrauen der Menschen im Alltag bestellt ist. Da Psychologen in Laborexperimenten künstlich Situationen nachbilden oder in Befragungen eher subjektive Überzeugungen als reales Handeln ermessen, zeichnen die so gewonnenen Daten nur ein unvollständiges Bild. Weiss’ Team wollte daher direkt »ins Feld« gehen und wählte einen relativ jungen Forschungsansatz namens »experience sampling« (siehe »Kurz erklärt«). Dabei versucht man, Gefühle, Gedanken und das Verhalten von Menschen möglichst alltagsnah zu messen. In diesem Fall hieß das, den gut 400 Teilnehmern der Studie mehrmals am Tag zu zufälligen Zeiten Nachrichten aufs Handy zu schicken. Dann gaben die Probanden an, ob sie in den letzten 45 Minuten mit einer anderen Person interagiert hatten, ob sie ein Gespräch geführt oder etwas gekauft hatten. Wie lange hatte die Interaktion jeweils gedauert? Mit wem hatten sie es zu tun gehabt? In welchem Maß hatten sie demjenigen vertraut oder misstraut? Wer hatte mehr Macht? Und wie waren die Interessen verteilt?

So sammelten die Forscher Daten zu mehr als 4000 Einzelsituationen. »Menschen vertrauen sich im Allgemeinen sehr viel«, fasst Weiss die Resultate zusammen. Auf eine Skala von 0 (gar kein Vertrauen) bis 4 (volles Vertrauen) wurden die Interaktionen im Schnitt mit 3,11 bewertet – deutlich mehr als die rechnerische Mitte.

Kurz erklärt:

Assumed similarity

(zu Deutsch: vermutete Ähnlichkeit) beschreibt die verbreitete Tendenz, davon auszugehen, dass andere dieselben Charaktereigenschaften aufweisen wie man selbst oder dass sie ähnlich reagieren. Unsere Urteile über andere werden dadurch oft systematisch verfälscht.

Experience sampling

Forscher wollen Gedanken, Gefühle und Handlungen möglichst lebensnah in natürlicher Umgebung abbilden. Zu diesem Zweck erhalten Studienteilnehmer zum Beispiel mehrfach am Tag eine Erinnerung auf ihrem Smartphone, damit sie einschätzen, wie sie sich im Moment fühlen, sich verhalten haben oder in welcher Situation sie sich befinden. Oft wird dies über Wochen oder Monate durchgeführt, um realistische Einblicke in das Alltagserleben zu gewinnen.

Trust game

(zu Deutsch: Vertrauensspiel) häufig gewählte Methode, um zu erforschen, wann sich Menschen in Entscheidungssituationen gegenseitig vertrauen. Dabei hat ein Spieler A die Möglichkeit, eine festgelegte Menge Geld mit Spieler B zu teilen. Der Kniff: Das abgegebene Geld wird vervielfacht (oft verdreifacht oder mehr). Nun darf B seinerseits entscheiden, wie viel von der neuen Summe er an A zurückgibt. Wie viel A mit B teilt, gilt als Maß für das Vertrauen, das er ihm entgegenbringt.

In gewöhnlichen Alltagsbegegnungen schwingt also viel Wohlwollen mit, und zwar nicht nur unter Partnern, Angehörigen oder Freunden, sondern auch, was entferntere Bekannte, Kollegen oder Fremde angeht. Personen, die wir als uns ähnlich erleben, vertrauen wir dabei besonders. Wie Weiss betont, kommt es hierbei sehr auf dem Kontext an. Unter bestimmten gesellschaftlichen oder lokalen Bedingungen würden die Vertrauenswerte sicherlich anders ausfallen. So war es in der DDR oft eher angebracht, seinen Mitbürgern gegenüber misstrauisch zu sein. Auch in Umgebungen mit viel physischer Gewalt oder Korruption dürften Vorbehalte verbreiteter sein.

Studien weisen darauf hin, wie wichtig dabei situative Umstände sind. Fühlen wir uns einer Person nahe, weil sie vergleichbare Ansichten, Wert- oder Geschmacksurteile äußert, vertrauen wir ihr stärker. Weitere Aspekte sind Macht und Interessenkonflikte. Ist Macht ungleich verteilt, sagen wir zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, vertraut nicht nur Letzterer dem Vorgesetzten tendenziell weniger, sondern sogar umgekehrt. Chefs haben dann oft Sorge, ihre Position könne untergraben werden, und setzen eher auf Kontrolle. Aus diesen Gründen hemmt ungleich verteilte Macht oft die Zusammenarbeit.

Das schlägt umso mehr zu Buche, wenn zwischen den Parteien zusätzlich ein großer Interessenkonflikt besteht. Zum Beispiel, wenn der Mitarbeiter mehr Gehalt möchte und die Vorgesetzte es nicht gewähren will. »Wollen alle ohnehin dasselbe, ist es nicht so wichtig, ob der andere uns wohlgesinnt ist«, sagt Weiss. Bei Interessenkonflikten hingegen müssen wir genauer überlegen, was die andere Person im Schilde führt und ob wir ihr vertrauen können.

Wie ich dir, so du mir

Isabel Thielmann erforscht, wie die Persönlichkeit prägt, ob und wem Menschen vertrauen. Wichtiger als der (angenommene) Charakter des Gegenübers scheinen dabei die Eigenschaften des Vertrauensspenders zu sein. Vor allem eine kommt dabei zum Tragen: die »Prosozialität«.

Prosozial ist, wer anderen Gutes will und tut. Wer hilft, den zu Boden gefallenen Einkauf wieder aufzusammeln, oder der Freundin, die Kummer hat, ein offenes Ohr leiht. »Wer so etwas tut, wird meist als vertrauenswürdig wahrgenommen, vertraut aber auch selbst mehr. Die Betreffenden gehen meist davon aus, dass andere ebenso denken und handeln wie sie«, sagt Thielmann. Dies steht im Einklang mit der Theorie der »assumed similarity« oder subjektiv empfundenen Ähnlichkeit (siehe »Kurz erklärt«). Demnach projizieren wir bevorzugt unsere eigenen Eigenschaften auf andere.

Daten statt Parolen | Dass Experten wie der Virologe Christian Drosten mitunter ihre Ansicht ändern, ist keine Schwäche.

Vertrauen in die Wissenschaft

Ob künstliche Intelligenz, Impfstoffe oder Erziehungstipps – Wissenschaft ist im modernen Leben allgegenwärtig. Zugleich sind die Erkenntnisse von Forschern oft unsicher, interpretationsbedürftig oder so speziell, dass kaum ein Laie die genauen Hintergründe nachvollziehen kann. Die Spezialisierung reicht so weit, dass sich selbst Experten einer Disziplin in anderen Teilen ihres Fachs kaum auskennen.

Warum sollen wir der Wissenschaft überhaupt vertrauen? »Wir wären völlig überfordert, wenn wir bei jeder Entscheidung ein eigenes Urteil fällen wollten«, sagt Friederike Hendriks von der Universität Münster. »Wenn wir uns bis ins Letzte selbst informieren müssten, ob diese oder jene Behandlung besser ist, statt einen Arzt zu fragen, wären wir nicht mehr handlungsfähig.« Oft bleibt uns nichts weiter übrig, als uns darauf zu verlassen, dass Experten den Sachverhalt gut erforscht und bewertet haben.

Hendriks untersuchte, wann wir Wissenschaftlern mehr oder weniger vertrauen. Ausschlaggebend sei erstens die wahrgenommene Expertise: Wer unserem Eindruck nach über einschlägiges Wissen und Erfahrung verfügt, dem glauben wir eher. Zweitens zählt, wer seine Aussagen gemäß den Regeln der Wissenschaft trifft und hohe Qualitätsstandards einhält. Und drittens sind die Absichten der Wissenschaftler entscheidend: Glauben wir, dass uns derjenige bestmöglich informieren will, vertrauen wir mehr, als wenn wir den Eindruck gewinnen, er betreibe Marketing oder verfolge andere Ziele.

Das große Problem: All dies können Laien meist nicht sicher beurteilen, sie schreiben es auf Grundlage mehr oder weniger guter Indizien lediglich zu.

Laut Hendriks bevorzugen Probanden dabei in der Regel Wissenschaftler, die Unsicherheiten, Einschränkungen und Fehler transparent machen. Legen diese beispielsweise Grenzen ihrer Ergebnisse offen, hält man sie für vertrauenswürdiger. Hendriks empfiehlt daher: Sag, was du weißt, aber auch, was noch unklar ist! Und signalisiere, dass du wohlwollende Absichten verfolgst!

Die Psychologin Odette Wegwarth vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung zeigte, dass sich die Deutschen transparente Kommunikation in der Corona-Pandemie wünschen. Nach ihren Erhebungen gibt es eine Präferenz für Prognosen, die Unsicherheit deutlich machen. Diese gelten meist als informativer. Zudem empfanden befragte Studienteilnehmer solche Prognosen eher als Ansporn, auch selbst die Lockdown-Maßnahmen zu unterstützen.

Der Berliner Virologe Christian Drosten erklärte immer wieder, dass über bestimmte Fragen in Bezug auf Covid-19 keine Klarheit herrsche, und er änderte bisweilen seine früheren Einschätzungen auf Grund neuer Daten. Dies brachte ihm von manchen Seiten den Vorwurf ein, er sei wankelmütig oder gar inkompetent. Doch wissenschaftliche Befunde müssen stets aktuellen Hinweisen angepasst werden. Deshalb sollte man sie als vorläufiges Annäherungswissen verstehen und nicht als feststehende Wahrheiten.

Hendriks, F. et al.: Disclose your flaws! Admission positively affects the perceived trustworthiness of an expert science blogger. Stud. Commun. Sci. 16, 2016; Wegwarth, O. et al.: Assessment of German public attitudes toward health communications with varying degrees of scientific uncertainty regarding Covid-19. Jama Netw. Open 10.1001/jamanetworkopen.2020.32335, 2020

Umgekehrt zeigt sich, dass Menschen mit geringen prosozialen Neigungen etwa bei der Teamarbeit hauptsächlich den persönlichen Vorteil suchen. Sie nennen dafür häufig Rechtfertigungen wie »Die anderen würden mich ebenso ausnutzen, warum soll ich also nett sein?«. Infolge dieser Haltung schenken sie effektiv weniger Vertrauen – und empfangen es auch seltener.

Und noch zwei weitere Eigenschaften sind bedeutsam: Risikobereitschaft sowie Vergebenkönnen. »Wer auf keinen Fall verletzt werden will, vertraut nicht«, so Thielmann. Entsprechend vermeiden solche Personen Entscheidungen, deren Ausgang unsicher ist und die Schaden mit sich bringen können. Das haben Psychologen in so genannten »trust games« untersucht (siehe »Kurz erklärt«). Hier stehen Probanden vor der Wahl, ob sie einen zur Verfügung gestellten Geldbetrag ganz oder teilweise an einen unbekannten Mitspieler abgeben wollen. Je mehr diejenigen von einem grundsätzlich wohlgesinnten, kooperativen Verhältnis ausgehen, desto mehr teilen sie, in der Hoffnung, dafür ihrerseits belohnt zu werden.

Menschen unterscheiden sich allerdings stark darin, wie bereitwillig sie über enttäuschtes Vertrauen hinwegsehen. Zu vergeben bedeutet nicht nur, auf Vergeltung zu verzichten, sondern auch, negative Gedanken und Gefühle wie etwa Rachegelüste in eine positive Einstellung zu verwandeln. Wem das gelingt, der versucht, die Beziehung eher zu reparieren, als zu schmollen oder es dem anderen heimzahlen zu wollen.

Laut Thielmann ist es zumeist von Vorteil, nicht allzu nachtragend zu sein. Denn dass wir hin und wieder enttäuscht werden, gehört zum Leben. Entsprechend wichtig sei die Bereitschaft zu vergeben, um Vertrauen dauerhaft zu erhalten. Doch hier gilt ebenfalls: Anderen gegenüber niemals zu grollen und keinen Fehltritt zu sanktionieren, erleichtert es manchen Mitmenschen, unser Vertrauen auszunutzen.

Auch wenn es uns oft schwerfällt, Kontrolle abzugeben und uns verletzbar machen, ist es für ein gutes Miteinander essenziell. Und wird das Misstrauen doch geweckt, so gilt es, offen darüber zu sprechen, was einen mit Sorge erfüllt und warum man gerade nicht vertrauen kann. Immerhin ist das ebenso ein vertrauensvolles Angebot.

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  • Quellen

Barefoot, J. C. et al: Trust, health, and longevity. Journal of Behavioral Medicine 21, 1998

Stavrova, O., Ehlebracht, D.: Cynical beliefs about human nature and income: Longitudinal and cross-cultural analyses. Journal of Personality and Social Psychology 110, 2016

Thielmann, I., Hilbig, B. E.: Trust in me, trust in you: A social projection account of the link between personality, cooperativeness, and trustworthiness expectations. Journal of Research in Personality 50, 2014

Weiss, A. et al.: Trust in everyday life. Journal of Personality and Social Psychology, 2021 (im Druck)

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