SpaceX und Co: Hell, heller, Riesensatellit
Manchmal ist eines der hellsten Objekte am Nachthimmel kein Planet – und auch kein Stern. Sondern ein Telekommunikationssatellit namens BlueWalker 3. Er überstrahlt bisweilen 99 Prozent aller Sterne, die sonst von einem dunklen Standort von der Erde aus sichtbar sind. Dies ergaben Beobachtungen eines internationalen Teams um Siegfried Eggl von der University of Illinois at Urbana-Champaign, das seine Resultate im Fachblatt »Nature« veröffentlichte.
BlueWalker 3 ist der gleißendste Neuzugang am Nachthimmel, an dem es bereits von Satelliten wimmelt. Allein das Raumfahrtunternehmen SpaceX hat mehr als 5000 Satelliten in Erdumlaufbahnen gebracht. Zudem wollen Unternehmen weltweit in den kommenden Jahren zusammengenommen mehr als eine halbe Million Satelliten starten. Fachleute befürchten, dass dieses Szenario das Ende der bodengestützten Astronomie bringen könnte und wissenschaftliche Beobachtungen des Universums mit Hilfe von Teleskopen und Observatorien nur noch eingeschränkt möglich wären.
Die Studie »zeigt uns, dass der Helligkeit von Satelliten keine Grenzen gesetzt sind«, sagt der emeritierte Astronom Patrick Seitzer von der University of Michigan in Ann Arbor, der nicht an der Studie beteiligt war. »Ich befürchte, dass im nächsten Jahrzehnt eine große Zahl großer Satelliten gestartet wird, die das Erscheinungsbild des Nachthimmels für immer verändern werden.«
Ein Riesensatellit im Orbit
Das US-Unternehmen AST SpaceMobile im texanischen Midland brachte BlueWalker 3 am 10. September 2022 in eine erdnahe Umlaufbahn. Es ist der Prototyp für eine geplante Satellitenflotte, die fast überall auf der Welt schnelles Internet verfügbar machen soll. Auf Grund seiner rund 65 Quadratmeter großen und flachen Phased-Array-Antenne sowie seiner weißen Farbe reflektiert der Satellit einen großen Teil des Sonnenlichts zur Erde zurück und leuchtet daher selbst in der Dämmerung.
Um seine Helligkeit präzise zu bestimmen, haben Profi- und Amateurastronomen eine internationale Beobachtungskampagne durchgeführt. Dabei lokalisierten sie den Satelliten am Nachthimmel von zahlreichen Standorten aus – in Chile, den Vereinigten Staaten, Mexiko, Neuseeland, den Niederlanden und Marokko. Die Forscherinnen und Forscher bewerteten das Leuchten des Himmelsobjekts anhand eines astronomischen Standards: der Magnitudenskala der scheinbaren Helligkeit. Sie besagt: Je niedriger der Wert – gemessen in Größenklassen oder Magnituden (mag) –, desto heller ist ein Gestirn. Die Venus beispielsweise kann eine Helligkeit von –4,6 mag erreichen, während der Polarstern mit einer Helligkeit von +2 mag viel schwächer leuchtet. Das entspricht auch ungefähr der Helligkeit, mit der ein Objekt von einer Stadt aus mit bloßem Auge noch sichtbar ist.
Am 10. November 2022 entfaltete BlueWalker 3 sein flaches Antennen-Array. Daraufhin stieg seine scheinbare Helligkeit auf +0,4 mag. Wäre er ein Stern, würde er zu den zehn hellsten seiner Art am Himmel gehören. Doch wenn der Satellit rotiert, verändert sich seine Helligkeit: Ende Dezember schwächte er sich auf eine Größenklasse von +6 mag ab. Danach wurde er wieder heller und erreichte am 3. April 2023 erneut eine Größenklasse von +0,4 mag.
Die Internationale Astronomische Union (IAU), eine weltweite Vereinigung von Astronomen, empfiehlt, dass Satelliten in einer erdnahen Umlaufbahn eine maximale Helligkeit von +7 mag haben sollten. BlueWalker 3 kann jedoch hunderte Male heller leuchten, wie die Autoren und Autorinnen der »Nature«-Studie herausfanden. AST SpaceMobile plant nach eigenen Angaben, mit Hilfe von 90 solcher Satelliten schnelles Internet bereitzustellen – fünf davon sollen Anfang 2024 starten.
Darüber hinaus beobachtete das Team um Eggl ein helles Objekt, das sich während des Starts vom Hauptsatelliten löste. Später erst wurde klar, dass es sich dabei um den Behälter handelte, in dem das zusammengefaltete Antennen-Array verpackt war. Auch diese Schutzhülle war mit einer Größenklasse von +5,5 mag noch relativ hell.
In einer Erklärung gegenüber »Nature« sagte AST SpaceMobile, dass die Firma derzeit mit der NASA sowie Astronominnen und Astronomen zusammenarbeitet, um die bestehenden Bedenken auszuräumen.
»Sternenzug über dem Nachthimmel«
Mitte 2019 wurden viele Fachleute kalt erwischt, als SpaceX 60 Satelliten in eine Erdumlaufbahn schickte und so einen »Sternenzug über den Nachthimmel« entsandte. Inzwischen ist der erdnahe Orbit von tausenden kommerziellen Satelliten übersät. Werden sie von einem Teleskop während einer langen Belichtung erfasst, hinterlassen sie einen hellen Streifen in den Aufnahmen, der die Daten unbrauchbar macht.
Schon länger richten Astronomen und Astronominnen ihre Teleskope so aus, dass sie die hellsten künstlichen Objekte umgehen. Mit dieser Methode lassen sich weiterhin Himmelsbeobachtungen durchführen, selbst wenn AST SpaceMobile eine Schar von Satelliten der Art BlueWalker 3 in Einsatz bringen sollte, sagt Jonathan McDowell, Astronom am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge (Massachusetts), der an der Studie nicht mitgearbeitet hat. Die größere Sorge sei, dass auch andere Unternehmen große Satellitenkonstellationen ins All schicken könnten. Wenn das passiere, so Seitzer, »dann wird der Nachthimmel unwiderruflich verändert«.
Um ein solches Szenario zu vermeiden, arbeiten die Experten an gemeinsamen Lösungen. Einige der Studienautorinnen und -autoren gehören beispielsweise der neu gegründeten Vereinigung CPS (Centre for the Protection of the Dark and Quiet Sky) an. Sie will sich mit dem Problem befassen und tauscht sich dafür mit Unternehmen wie SpaceX und AST SpaceMobile aus. SpaceX versucht bereits, seine Satelliten weniger sichtbar zu machen, indem es Exemplare probeweise schwarz bemalte. Auf den ersten Blick eine gute Idee, aber eine dunkle Oberfläche »absorbiert mehr sichtbares Sonnenlicht und reflektiert weniger davon«, sagt Siegfried Eggl laut einer Pressemitteilung seiner Universität. »Durch die Absorption entsteht Wärme. Die Satelliten senden dann Infrarotlicht aus.« Das könnte Beobachtungen im Infrarotbereich Probleme bereiten. Zudem sei die Satellitentechnik dann großer Hitze ausgesetzt, die das Gerät nicht ohne Weiteres an die Weltraumumgebung abgeben kann. »Alles schwarz anzumalen, hat also Konsequenzen«, resümiert Eggl.
Dennoch, so berichten es die CPS-Mitglieder, scheint auch AST SpaceMobile bereit zu sein, die Helligkeit seiner Satelliten abzuschwächen. Das Unternehmen plant nach eigenen Angaben, zukünftig nichtreflektierende Materialien an seinen Satelliten zu verwenden. Ebenso soll durch geeignete Flugmanöver die scheinbare Helligkeit der Satelliten verringert werden.
»Sie haben bei uns den starken Eindruck hinterlassen, dass sie enger mit uns zusammenarbeiten würden«, sagt die Mitautorin der aktuellen Studie und Astronomin Constance Walker vom NOIRLab der National Science Foundation in Tucson (Arizona). Solche Diskussionen würden den Weg für die Zukunft bereiten. Denn es sei nicht davon auszugehen, dass die Welt in die Zeit zurückkehre, »als wir noch einen dunkleren Himmel hatten«.
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