Direkt zum Inhalt

News: Später Winterschlaf

Auch im Osten Kanadas wird es immer wärmer und wärmer. Eine dort ansässige Mückenart richtet sich eigentlich nach Tageslänge, wenn es darum geht, sich für den Winterschlaf zu rüsten. Das ist genetisch so festgelegt. Doch die Evolution hat dieses Programm kurzerhand verändert und schickt die kanadischen Mücken nun später ins Bett.
Der Mücke Wyeomyia smithii hat sich für ziemlich ungewöhnliche Lebensumstände entschieden. Sie ist auf eine einzige Pflanze angewiesen, die es nur im Osten Nordamerikas gibt, und darüber hinaus Fleisch fressend ist. In der Höhle des Löwen, inmitten der mit Regenwasser und Verdauungsäften gefüllten Schläuche von Sarracenia purpurea schlüpft die Mücke aus dem Ei, wächst als Larve heran und verschläft die kalten Winter.

Wann sich die Larve für den Winterschlaf rüstet, ist von der Tageslänge abhängig und in den verschiedenen Insektenpopulationen genetisch fest verankert. In Kanada, wo es schon im August zu kalt wird, geht W. smithii bereits im Juli schlafen, während die Artgenossen in Florida aufgrund des milden Klimas bis November wach bleiben. Allerdings, bringt man kanadische Mücken nach Florida, ändern sie ihr Verhalten nicht. Sie werden sich weiterhin im Juli auf den Winterschlaf vorbereiten.

Es sei denn, sie passen ihr genetisches Programm den veränderten Umweltbedingungen an. Und genau dazu scheinen die Mücken innerhalb kurzer Zeit in der Lage zu sein. 30 Jahre lang hatten William Bradshaw und Christina Holzapfel von der University of Oregon in 22 Sümpfen im Norden der USA und Kanadas das Leben von W. smithii studiert und dabei beobachtet, dass sich die kanadischen Mücken - trotz ihrer genetischen Festlegung auf die Tageslänge - zunehmend später für den Winterschlaf rüsten. 1972 begann der Winter für die Mücken Ontarios exakt an dem Tag, der weniger als 15,79 Stunden hell war. 1996 kehrte er erst ein, sobald die Tage kürzer als 15,19 Stunden wurden. Dazwischen liegen immerhin neun Tage.

Nun könnte man meinen, dies sei einfach darauf zurückzuführen, dass Mücken aus dem Süden nach Norden zogen. Im Labor, wo die Larven unter künstlichem Licht lebten, konnten die Forscher dies rasch ausschließen. Vielmehr gab es innerhalb der nordischen Mückenpopulationen einige Insekten, deren genetisches Programm eine spätere Vorbereitung für den Winterschlaf vorsieht. Und diesen Mücken eröffneten sich angesichts des globalen Anstiegs der Temperaturen nun besonders rosige Aussichten. Der Herbst wurde wärmer, und die genetischen Eigenschaften dieser Subpopulation konnten mit einem Mal die Oberhand gewinnen. Im Experiment zeigte sich, dass nur fünf Jahre vergehen müssen, bis sich die kanadischen Mücken ihren südlichen Artgenossen genetisch annäherten - und später schlafen gingen.

Dies hat womöglich weitreichende Folgen. Einerseits zeigen die Ergebnisse, dass die genetische Anpassung an eine veränderte Umwelt bei diesen Insekten sehr schnell erfolgen kann, andererseits sind die Mücken Teil einer komplexen Nahrungskette. So sind Kohlmeisen während der Aufzucht ihrer Jungen auf die Mückenlarven angewiesen, angesichts des zunehmend wärmeren Wetters sind diese dann aber schon längst geschlüpft.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.