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Verhaltensbiologie: Spechte im Krieg

Wenn es um Land und Nahrung geht, nehmen Eichelspechte keine Rücksicht auf Verluste. Über Tage entbrennen Kämpfe. Und Schaulustige gibt es auch.
Eichelspecht (Melanerpes formicivorus) in Kalifornien

Stirbt ein Eichelspecht (Melanerpes formicivorus), entbrennt ein gnadenloser Kampf um sein Erbe. Die im westlichen Nordamerika heimischen Vögel schwärmen aus benachbarten Territorien herbei und befehden sich stundenlang in kleinen Truppen. Artgenossen lassen sich das Schauspiel nicht entgehen. Sie wohnen dem Geschehen aus sozialen Gründen bei, wie Biologen im Fachmagazin »Current Biology« berichten.

Sahas Barve vom Smithsonian National Museum of Natural History und ihre Kollegen dokumentierten das spezielle Verhalten der Eichelspechte, indem sie dutzende Vögel im kalifornischen Hastings Natural History Reservation mit Sendern ausstatteten. So konnten sie die Tiere genau lokalisieren. Im Zeitraum von zirka einem Jahr verfolgten sie dann drei Kämpfe, die um einen verwaisten Eichelspeicher entbrannten. Dabei handelt es sich in der Regel um Bäume, in die ein weiblicher oder männlicher Specht Löcher schlägt, um dort Eicheln zu deponieren. Für die Kämpfe scharten sich die Spechte zu Gruppen von drei oder vier Tieren zusammen und keilten sich tagelang, bis zu zehn Stunden pro Tag. »Wir hätten nicht gedacht, dass es so lange dauern kann, weil sie sich in der Zeit ja nicht in ihrem Heimatterritorium aufhalten«, sagt Barve laut einer Presseaussendung von »Current Biology«: »Wann fressen sie? Das wissen wir immer noch nicht.«

Kornspeicher | Eichelspechte lagern ihr Futter in Bäume. Sie bohren Löcher in den Stamm und stopfen Eicheln in die Öffnungen.

Sicher ist hingegen, dass die »Krieger« nicht allein sind. Bis zu 30 Eichelspechte nehmen regelmäßig als »Schaulustige« an dem Spektakel teil. Sie lassen dafür zirka eine Stunde am Tag ihren eigenen Kornspeicher unbewacht. Wie die Forscher vermuten, scheint es wichtig für sie zu sein, den Sieger des Kampfes zu kennen und über die Herrschaftsverhältnisse in der Nachbarschaft informiert zu sein. Einige würden sogar aus drei Kilometer Entfernung heranfliegen, »um samt Popcorn den Kampf um die größte Villa in der Nachbarschaft anzuschauen«, sagt Barve.

Eichelspechte kommen in Nord- und Mittelamerika entlang der Pazifikküste vor. Sie pflegen ein komplexes Sozialverhalten. Rund ein Dutzend Vögel lebt in einem Familienverbund. Die Gruppe verteidigt aggressiv ihr Territorium, die Aufgaben sind klar verteilt: Einige der Männchen und Weibchen agieren als Bruttiere, der Rest als Helfer – sie legen keine Eier und brüten auch nicht. Die Brüter sichern ihren Nahrungsbedarf durch die Eichelspeicher. An den Kämpfen nehmen Helfertiere teil, die sich so eine Position als Brüter erkämpfen wollen. Dabei treten nur Gruppen gleichen Geschlechts gegeneinander an. Im Fall der genannten Studie gingen jedes Mal weibliche Eichelspechte aufeinander los.

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