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Evolution: Spermien-Sparer

Die Männchen des Breitflossenkärpflings treiben es bunt: Jene Fische paaren sich nicht nur mit Weibchen ihrer Spezies, sondern sogar mit artfremden Partnerinnen. Aber offenbar vermögen sie mit ihren Samenzellen je nach Erfolgsaussichten des Rendezvous zu haushalten.
<i>Poecilia latipinna</i> und <i>Poecilia formosa</i>
Die Geburtstunde einer neuen Art ist gekommen, wenn die Angehörigen einer Gruppe – sei es infolge geographischer Hindernisse oder biologischer Faktoren wie Chromosomenänderungen – reproduktiv isoliert werden. Fortan können sie sich nicht länger mit Artgenossen paaren oder sie bringen keinen fruchtbaren Nachwuchs mehr hervor. Der Genfluss zwischen den Populationen wird unterbrochen. Als einer der wichtigsten Barrieren, die enge Verwandte auf Distanz hält, gilt die Partnerwahl: Die Mehrzahl der Männchen halten sich an die Weibchen der eigenen Spezies. Weniger wählerische Vertreter gehen auch mit artfremden Weibchen Beziehungen ein – insbesondere wenn diese in unmittelbarer Nachbarschaft leben.

Poecilia latipinna und Poecilia formosa | Die Männchen des Breitflossenkärpflings (Poecilia latipinna, im Bild unten) produzieren in Gesellschaft von Amazonenkärpflingen (Poecilia formosa, im Bild oben) deutlich weniger Spermien, als wenn sich Weibchen der eigenen Art in unmittelbarer Nähe aufhalten.
Zu den Tieren mit einem "ausschweifenden" Liebesleben zählen die Männchen des Breitflossenkärpflings (Poecilia latipinna): Neben den eigenen Weibchen paaren sie sich auch mit den verwandten Amazonenkärpflingen (Poecilia formosa) – einer Art, die nur in weiblicher Ausprägung existiert. Eigentlich pflanzen sich jene Fische ungeschlechtlich fort. Doch sie benötigen die fremden Spermien, denn diese geben ihren Eiern den Anstoß, sich zu Embryonen zu entwickeln.

Soviel zu den guten Gründen der Amazonen-Weibchen. Warum aber die männlichen Breitflossenkärplinge fremdgehen ist rätselhaft, denn schließlich gewinnen sie aus derartigen Verbindungen keinerlei Nachkommen. Zumindest sollten die Männchen Mechanismen entwickelt haben, um die energetischen Kosten des außerartlichen Aktes zu minimieren, meinten Andrea Aspbury und Caitlin Gabor von der Texas State University – und machten sich daran, diese Vermutung experimentell zu untermauern. Dazu hielten sie ihre in Mexiko und Texas eingefangenen weiblichen und männlichen Versuchstiere zunächst mindestens 30 Tage lang separat in 38-Liter-Tanks. Zu Beginn des eigentlichen Experiments entfernten sie die Samenzellen von allen Breitflossenkärpflingsmännchen und setzten die Individuen dann einzeln in 18-Liter-Gefäße, die jeweils durch eine Plexiglasscheibe in zwei "Räume" aufgeteilt waren. Aber die Trennwand ermöglichte den Fischen noch, chemische und visuelle Signale wahrzunehmen.

Am dritten Tag bekamen die Tiere schließlich Gesellschaft, wenn auch nur in der anderen Sektion des Aquariums: Während die einen Männchen sich nun Weibchen der eigenen Art gegenüber sahen, konfrontierten die Forscher die andere Hälfte mit Amazonenkärpflingen. Nach einer Woche entnahmen die Forscher alle Tiere aus den Tanks und ermittelten die Anzahl von Samenzellen, welche die Männchen in dem Zeitraum gebildet hatten. Und die Ergebnisse fielen eindeutig aus: Die Breitflossenkärpflinge aus beiden Populationen hatten deutlich mehr Sperma in Gegenwart ihres weiblichen Pendants hergestellt, als wenn in ihrem Blickfeld ein Amazonenkärpfling schwamm.

Folglich vermögen die Männchen zwischen arteigenen und fremden Weibchen zu unterscheiden und ihre potentielle Investition entsprechend anzupassen. Indem die Fische ihre Spermienproduktion drosseln, bevor sie Amazonenkärpflinge begatten, sparen sie vermutlich Energie.

Aber die eigentlichen Gründe für den männlichen Seitensprung? Offenbar, so spekulieren Aspbury und Gabor, macht sie die Fremdverbindung attraktiver: Beobachten nämlich Weibchen die männlichen Artgenossen bei der Paarung mit einer fremden Fischdame, wählen sie denselben Partner für sich aus – ein Verhalten, das in einem größeren Fortpflanzungserfolg der Männchen münden kann.

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