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News: Speziell gefaltet lebt es sich länger

Proteine leben mit der permanenten Gefahr, von so genannten Proteasen in ihre Bestandteile zerlegt zu werden. Um dies zu vermeiden, hat eine in direktem Kontakt mit Hunderten solcher Enzyme lebende Protease einen besonderen Faltungsprozess etabliert. Damit ist sie 100-mal widerstandsfähiger als ihre konventionelle Geschwister.
Die meisten Proteine falten sich nach ihrem Zusammenbau aus einzelnen Aminosäuren spontan in ihre "Arbeitsgestalt", die sich durch einen niedrigen Energiestatus auszeichnet und somit entspannte Bedingungen repräsentiert. Gelegentlich geben sie diesen Status auf und entfalten sich. Sie atmen, wie Chemiker diesen Vorgang nennen. Wann immer Proteine ihre geschützte Gestalt aufgeben, laufen sie Gefahr, in ihre Einzelteile zersetzt zu werden, da sich so genannte Proteasen sofort auf exponierte Stellen stürzen.

Nicht alle Proteine ergeben sich freiwillig diesem Schicksal, und bekanntlich wächst man mit seinen Aufgaben. So auch die alpha-lytische Protease, die im Erdboden für heimische Bakterien Nahrungsbestandteile zur Verfügung stellt und hierbei mit besonders rauen Bedingungen zu kämpfen hat. Denn Hunderte von Proteasespezies lauern nur auf ihre Chance, das entfaltete wehrlose Protein anzugreifen. Doch die alpha-lytische Protease kontert, indem sie einen neuen Faltungsweg einschlägt, der sich von den erfolglosen Wegen der meisten Proteine, ihre Arbeitsgestalt zu erreichen, fundamental unterscheidet: Sie faltet sich nicht spontan.

Stattdessen muss sie von einem Katalysator in die Arbeitsform gezogen und gebogen werden. Nach getaner Arbeit verlässt das katalytische Element, die so genannte pro-Region, das Molekül wieder. Wie David Agard und seine Mitarbeiter der University of California in San Francisco herausfanden, ist die von der pro-Region geformte Proteinstruktur dem Entfalten gegenüber bemerkenswert resistent. Während normale Proteine sich innerhalb von Minuten oder Tagen vorübergehend entfalten, braucht die alpha-lytische Protease für diesen Vorgang mindestens ein Jahr, manchmal sogar länger. Ihre Widerstandskraft gegen Proteasen steigt dadurch steil an.

Das langsame Entfalten, so fanden die Forscher heraus, ist das Ergebnis beispielloser Starrheit im Faltungsstatus. Die Härte hat allerdings ihren Preis, die das Protein mit hohen Energiekosten zu zahlen hat. Thermodynamisch gesehen ist der Proteasezustand nicht stabil, da er in einem relativ hohen Energieniveau angesiedelt ist. In diesen energiereichen Zustand zieht die katalytische pro-Region die Protease. Ist die Proteinfaltung abgeschlossen, und die pro-Region verlässt das Molekül, bleibt die Protease in der energiereichen Form – Kosten, die sich nur unter außergewöhnlichen Umständen rechnen.

So etwa in speziellen Zellkompartimenten, den Lysosomen, in denen zelleigenes und zellfremdes Material verdaut wird. In dem unwirtlich sauren Milieu mit einem pH-Wert von 5 könnten sich die abbauende Enzyme auf ähnliche Weise wie die alpha-lytische Protease vor ihrer eigenen Zerstörung schützen. Auch die meisten von Bakterien ausgeschiedenen Proteasen scheinen die Energiekosten für mehr Stabilität auf sich zu nehmen: Auch sie zeichnen sich durch die pro-Region aus.

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