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Neuronale Plastizität: Spielerisches Training

3-D-Videospiel fördert Multitasking.
NeuroRacer

Mit zunehmendem Alter fällt es vielen Menschen immer schwerer, gleichzeitig mehrere Aufgaben im Blick und die Aufmerksamkeit dauerhaft hoch zu halten. Dem könnte ein spezielles 3-D-Videospieltraining abhelfen, das diese kognitiven Funktionen bei älteren Erwachsenen stärkt, glauben Neurowissenschaftler. Tatsächlich schnitten im Experiment 60-Jährige, die regelmäßig spielten, in puncto Multitasking, Arbeitsgedächtnis und Aufmerksamkeit bald genauso gut ab wie 20-Jährige.

NeuroRacer | Studienteilnehmer beim Spielen von NeuroRacer: Das Spiel verlangt Multitasking-Fähigkeiten. Das Rennauto muss auf der Straße bleiben, gleichzeitig rufen zufällig präsentierte Signale gelegentlich zu einer schnellen Reaktion auf.

Das von Adam Gazzaley und seinen Kollegen von der University of California entwickelte 3-D-Videospiel "NeuroRacer" trainiert die Multitasking-Fähigkeit des Spielers. Während er wie bei einem Autorennen das Fahrzeug auf einer Fahrbahn lenken muss, erscheinen von Zeit zu Zeit verschiedene Zeichen auf dem Bildschirm. Der Spieler wird angewiesen, nach einem dieser Zeichen Ausschau zu halten und einen Knopf zu drücken, sobald er es sichtet. Die zeitgleich geforderten Leistungen "Autofahren" und "Reaktion auf das Signal" erzeugen dabei im neuronalen Prozess eine Doppelaufgaben-Interferenz, ein Kernmerkmal des Multitasking.

Die Autoren hatten zuvor zeigen können, dass die Multitasking-Fähigkeit nach dem 20. Lebensjahr im weiteren Lebensverlauf tatsächlich allmählich absinkt. Die Leistung von 60- bis 85-jährigen Probanden verbesserte sich jedoch durch ein einmonatiges Training mit NeuroRacer – in diesem Zeitraum spielten sie dreimal pro Woche eine Stunde – so weit, dass sie bessere Leistungen erzielten als ungeübte 20-jährige Spieler. Dieser Effekt ließ sich noch sechs Monate nach dem Training beobachten. Gleichzeitig trainierten die Probanden offenbar auch die Daueraufmerksamkeit und das Arbeitsgedächtnis, wie weitere Tests zeigten.

Im EEG erkannten die Forscher, passend zu der experimentellen Beobachtung, eine erhöhte frontal-mittige Theta-Aktivität, die als ein Maß für Arbeitsgedächtnis, Daueraufmerksamkeit und Multitasking gilt. Höhere Werte gehen hier mit schwächerer Aktivität im medialen präfrontalen Kortex einher – exakt in der Region, die uns für Ablenkung und Störreize empfänglich macht: dem so genannten Bewusstseinsnetzwerk (default mode network). Offenbar sorgt das Training mit NeuroRacer dafür, dass ältere Erwachsene ihr Bewusstseinsnetzwerk besser unterdrücken können, während sie mit einer Aufgabe beschäftigt sind.

"Dieser Befund ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie plastisch das alternde Gehirn ist", meint Gazzaley, der Mitbegründer von Akili Interactive Labs ist – der Firma, die momentan die nächste Generation des Videospiels entwickelt. Die Forscher hoffen, dass durch die anhaltende Wirkung des Trainings speziell konzipierte Videospiele in Zukunft als wirkungsvolles Werkzeug für die Behandlung kognitiver Defizite im Alter eingesetzt werden können.

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