Spin-Qubits: Wichtige Hürde für Halbleiter-Quantencomputer genommen

Seit Jahren tüfteln Physikerinnen und Physiker an Quantencomputern. Diese Maschinen versprechen Probleme zu lösen, an denen herkömmliche Computer scheitern. Unter anderem könnten sie die Grundzustände komplizierter Quantensysteme berechnen, was eventuell zur Entdeckung neuartiger Medikamente oder Materialien führt. Der Bereich schreitet schnell voran: Google, IBM, QuEra und andere Firmen stellen immer wieder neue Rekorde beim Quantencomputing auf. Trotzdem sind die Geräte noch lange nicht leistungsfähig genug, um relevante Aufgabenstellungen zu lösen. Doch nun haben Forschende um den Physiker Alexander S. Ivlev von der Universität Delft ein entscheidendes Hindernis aus dem Weg geräumt: Wie sie in einer bei »Physical Review X« erschienenen Studie berichten, lassen sich halbleiterbasierte Quantencomputer mit weniger Kabeln betreiben als bisher angenommen. Damit könnten die Geräte viel besser skalieren, um auch komplexe Berechnungen zu ermöglichen.
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, die Quanteninformationseinheiten (Qubits) herzustellen, mit denen die Maschinen der Zukunft operieren sollen. Als besonders erfolgreich erwiesen sich bislang supraleitende Schaltkreise, bei denen der hindurchfließende Strom das Qubit codiert, oder einzelne Ionen und Atome, deren angeregte Zustände als Quanteninformation dienen. Eine weitere Variante, sogenannte Spin-Qubits, schienen weniger vielversprechend. Nur rund ein halbes Dutzend dieser Informationseinheiten ließen sich in einem Prozessor versammeln – deutlich weniger als ihre Gegenstücke aus supraleitenden Schaltkreisen oder den Ionen und Atomen. Spin-Qubits bieten aber einen enormen Vorteil: Im Gegensatz zu anderen Qubit-Plattformen basieren sie auf Halbleitertechnik. Damit waren sie deutlich einfacher mit bestehenden technischen Geräten zu verbinden.
Ausgangspunkt für Spin-Qubits sind sogenannte Quantenpunkte, die durch metallische Gate-Elektroden in Halbleitern entstehen. Kühlt man die Materialien auf bis zu vier Grad über dem absoluten Nullpunkt ab und wählt die passende Spannung in den Elektroden, bildet das elektrische Feld eine Art Senke, in der sich einzelne Elektronen festhalten lassen. Da die Teilchen auf sehr kleinem Raum eingesperrt sind, bilden sie diskrete Orbitale, die den Schalen eines Atoms ähneln und sich präzise steuern lassen.
Der Spin dieser isolierten Elektronen dient dabei als Qubit-Zustand: Wie ein kleiner Magnet zeigt der Spin entweder mit dem Nordpol nach oben oder unten und codiert dabei eine 0 oder eine 1. Über Mikrowellenpulse lässt sich die Spin-Ausrichtung der Elektronen steuern. So kann man ein Qubit in jeden gewünschten Zustand bringen: eins, null oder eine Überlagerung aus beidem. Die Qubits können so dutzende Millisekunden überdauern, bevor sie eine eindeutige Spin-Ausrichtung annehmen.
Um Quantenberechnungen mit zwei Qubits durchzuführen, muss man zwei Quantenpunkte sehr nahe zusammenbringen, bis auf etwa 100 Nanometer. Durch eine Elektrode lässt sich über die Spannung einstellen, wie hoch die Potenzialbarriere zwischen den beiden Qubits ist. Indem man sie absenkt, überlappen sich die Wellenfunktionen – als Ergebnis sind die beiden Teilchen verschränkt. Durch ihre Nähe und die geringe Ausdehnung der Quantenpunkte (etwa 20 mal 20 Nanometer) lassen sich die Quantenprozessoren extrem kompakt bauen – anders als bei Geräten, die mit Ionen oder kalten Atomen arbeiten. Allerdings stellen die vielen benötigten Kabel für die Elektroden ein Problem dar.
Doch wie Ivlev und sein Team nun herausgefunden haben, ist die Elektrode verzichtbar, welche die Potenzialbarriere benachbarter Teilchen steuert. Die Forschenden konnten Quantenoperationen mit einer vergleichbaren Genauigkeit durchführen, wenn sie nur die relative Tiefe der einzelnen Potenziale veränderten, in denen die Teilchen gefangen sind. »Dieser Ansatz reduziert die Anzahl der Kontrolllinien pro Quantenpunkt um den Faktor drei«, schreiben die Fachleute in ihrer Arbeit. »Durch die Reduzierung der Komplexität der Verkabelung und Steuerung hilft unsere Methode dabei, einen wichtigen Engpass in der Entwicklung von Quantenhardware zu überwinden.«
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