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Spracherwerb: Lockdown als Wortschatzbooster?

Umfragen in zwölf Ländern vor und nach einem Lockdown geben Entwarnung: Den Kleinsten scheint die Zeit zu Hause zumindest in puncto Wortschatz nicht geschadet zu haben.
Vater betrachtet mit seinem Kind ein Buch

Die Monate der Lockdowns während der Corona-Pandemie setzten Eltern und Kinder besonderen Belastungen aus. Eine Sorge war, dass vor allem die Jüngsten in diesen Phasen der sozialen Isolation wichtige Entwicklungsschritte verpasst haben könnten. Eine aktuelle Veröffentlichung gibt nun Entwarnung, zumindest was den Erwerb der Muttersprache angeht: Kinder im Kita-Alter scheinen sogar von der gesteigerten Aufmerksamkeit zu Hause profitiert zu haben.

Das geht aus Umfragen in 13 Ländern zu zwölf verschiedenen Sprachen hervor, darunter auch in Deutschland. Kurz nach Beginn sowie nach dem Ende eines Lockdowns in den jeweiligen Ländern erhielten Eltern Fragebogen, in denen sie Angaben zum Wortschatz ihres Nachwuchses machten. Die Wissenschaftler um Julien Mayor von der Universität Oslo analysierten anschließend, wie sehr der Wortschatz der Kleinen vom langjährigen Durchschnitt ihrer Altersgruppe abwich.

In die Studie im Fachmagazin »Language Development Research« flossen Daten zu insgesamt 1742 Kindern im Alter von 8 bis 36 Monaten ein. Im Schnitt beherrschten die Kinder aus der Studie danach mehr Wörter, als für ihr Alter zu erwarten wäre.

Der Zuwachs im Wortschatz war tendenziell umso größer, je weniger Zeit sie vor Fernseher oder Computer verbracht hatten und je mehr ihnen vorgelesen worden war. Das Forscherteam vermutet, dass sich die Vorteile beim Spracherwerb durch das Mehr an elterlicher Aufmerksamkeit in den Lockdown-Monaten erklären lassen. Möglicherweise waren den Eltern die sprachlichen Fähigkeiten ihrer Kinder schlicht besser bekannt, als es sonst üblicherweise der Fall ist.

Eine Gegenprobe mit derselben Umfrage in Zeiten ohne Lockdown hat das internationale Team nicht unternommen, darum ist fraglich, wie belastbar die Ergebnisse im Einzelfall sind. Immerhin aber ist festzuhalten, dass sich keine auffälligen Warnzeichen für Versäumnisse beim Spracherwerb zeigten.

Laut einer parallelen Auswertung des Forschungsverbunds verbrachten die Kinder mehr Zeit vor dem Bildschirm. Die Veröffentlichung einer Arbeitsgruppe um Nivedita Mani von der Universität Göttingen erschien im Fachblatt »Scientific Reports«. Wie sich die Dauer des Medienkonsums auf die Sprachentwicklung auswirke, sei nicht eindeutig geklärt, erläutern die Fachleute darin. Zeit vor dem Bildschirm gelte meist als schädlich, aber auch hier könnten Studien zufolge Sendungen mit höherer Qualität beziehungsweise Bildungsfernsehen unter Umständen förderlich sein, sofern der Medienkonsum mit elterlicher Zuwendung kombiniert werde.

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