Direkt zum Inhalt

News: Sprossen sprießen

Seit Jahren erfreut sich die Wissenschaft der Faszination des Kleinen: Röhrchen - tausendmal dünner als ein Haar - und virengroße Fußbälle sind dabei nur zwei der zahlreichen Kreationen. Mancher Winzling lässt sich wie von selbst hervorbringen. Für andere komplexe Gebilde bedarf es indes einiger Tricks mehr.
Ladderan
Treffender könnte der Name wohl nicht gewählt sein, schließlich ähneln Ladderane tatsächlich auffallend einer handelsüblichen Leiter (engl. ladder) – wenngleich milliardenmal kleiner: links und rechts je ein "Holm" aus einer Kohlenwasserstoffkette und dazwischen Sprossen zwischen den Kohlenstoffatomen. Chemisch gesehen besteht so eine molekulare Leiter also aus verknüpften Cyclobutan-Einheiten – planaren viergliedrigen Kohlenstoff-Ringen.

Solche Ladderane sind interessante Bausteine für die moderne Optoelektronik und eine große Herausforderung, denn sie lassen sich alles andere als einfach herstellen. Mit einigen Tricks gelang es jedoch einem Forscherteam um den kürzlich verstorbenen Xiuchun Gao von der University of Iowa, vier- und sechs-sprossige Leitermoleküle zu synthetisieren. Die Chemiker wählten die Strategie, Ladderane ausgehend von den einzelnen "Holmen" herzustellen.

So sollten Kohlenwasserstoffketten, bei denen die Kohlenstoffatome abwechselnd über Einfach- und Doppelbindungen verknüpft sind, als spätere Holme der Leiter dienen. Durch Bestrahlung mit UV-Licht können immer zwei der Ketten miteinander zur Reaktion gebracht werden, so die Idee. Die Lichtenergie sorgt dafür, dass alle Doppelbindungen "aufgehen" und die frei werdenden "Bindungsärmchen" nach den gegenüber liegenden Kohlenstoffatomen des anderen Holms "greifen". Diese neuen Bindungen sind die "Sprossen" der Leiter.

In der Praxis scheiterte die Synthese jedoch bisher daran, dass die Kohlenwasserstoffketten sich in der flüssigen Phase nicht in die richtige räumliche Anordnung zueinander bringen und festhalten lassen – Voraussetzung für eine Reaktion zur Leiter. Als Ausweg bot sich eine Reaktion in der festen Phase an. Aber auch hier galt es, die Holme paarweise streng parallel zu fixieren.

Um dies zu erreichen, knüpften die Chemiker an jedes Holmende ein Pyridin-Molekül – ein aromatischer Ring aus fünf Kohlenstoff- und einem Stickstoffatom. Dann vermischten sie die Holme mit Resorcin, einem aromatischen Kohlenstoff-Sechsring mit zwei OH-Gruppen, und kristallisierten die Mischung. Dabei bildet jede OH-Gruppe eine Wasserstoffbrückenbindung zu einem Pyridin-Stickstoff aus. Auf diese Weise werden je zwei Holme an beiden Enden durch je ein Resorcin-Molekül zusammengeklammert, und im Kristall kommt damit das Holmpaar genau parallel zu liegen.

Werden die Kristalle nun mit UV-Licht bestrahlt, wandeln sich wie geplant die gegenüberliegenden Doppelbindungen in Sprossen um. Benachbarte Holmpaare liegen indes so versetzt im Kristall, dass sie keine Sprossen untereinander knüpfen können. Der Rest ist nun Routine: Mit Lösungsmitteln lassen sich die Leitern anschließend aus dem Resorcin-Kristall herauslösen und entsprechend weiter verwenden. So gelang es dem Team, [3]- und [5]-Ladderane herzustellen, so die korrekte chemische Bezeichnung für Leitern, die aus drei beziehungsweise fünf Cyclobutan-Einheiten und damit vier beziehungsweise sechs Sprossen bestehen. Und dabei soll es nicht bleiben: Längere Nanoleitern sind in Arbeit.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.