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News: Spuren heißer Quellen im Nordpolarmeer

Am 13. Oktober kehrt das Forschungsschiff 'Polarstern' aus der Arktis nach Bremerhaven zurück. Die Wissenschaftler haben erste geowissenschaftliche und physikalische Ergebnisse aus dem Gebiet zwischen Nordgrönland und Spitzbergen im Gepäck. Dazu gehören unter anderem Funde von Schwefelkies, ein Hinweis auf heiße Quellen im Nordpolarmeer, wo sie bisher noch nicht angetroffen wurden.
Die heutige geographische Lage Spitzbergens ist das sichtbare Ergebnis einer kontinuierlichen Kontinentaldrift der grönländischen und eurasischen Platte. Als sich das eurasische Becken vor etwa sechzig Millionen Jahren öffnete, begann Spitzbergen südöstlich zu driften und legte seither rund 400 Kilometer zurück. Resultat dieser Driftbewegung war die Öffnung der Framstraße, der einzigen Tiefenwasserverbindung des Nordpolarmeeres mit dem Weltozean. Dies hatte vermutlich einen erheblichen Einfluß auf das Weltklima. Grund genug für die Geowissenschaftler vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung und französischen Kollegen, diese Region intensiv zu untersuchen.

Trotz schwieriger Eisverhältnisse gelang den Geophysikern eine systematische seismische Untersuchung dieses Meeresgebietes. Eine Überraschung erbrachten die Arbeiten vor Nordspitzbergen: Der Kontinentalhang ist hier unerwartet steil und durch Abflußrinnen stark zerfurcht. Zudem finden sich bis in große Tiefen ungewöhnlich grobe Meeressedimente, ein Zeichen eiszeitlicher Einflüsse bis in die Tiefsee hinab.

Der Lena Trog, ein Graben mit Tiefen bis zu 4000 Meter, hielt für die Gesteinsforscher spektakuläre Funde bereit: Besonders ein 25 Kilogramm schwerer Brocken Schwefelkies (Pyrit), auch "Katzengold" genannt, brachte die Wissenschaftler an Bord zum Staunen. Schwefelkies entsteht durch heiße Quellen am Meeresboden. Kommen die bis zu 400 Grad Celsius heißen metall- und schwefelreichen Lösungen mit dem Meerwasser in Kontakt, bilden sich Metall-Schwefel-Kristalle. Diese Vorkommen sind sehr selten und wurden noch nie im Eismeer angetroffen oder mit einer Dredge geborgen. Unerwartet fanden sich auch Basalte, am Meeresboden ausgeflossene flüssige Gesteinslaven, die nach dem Kontakt mit dem Meerwasser erstarren. Diese wertvollen Proben sind der erste "handfeste" Beweis für untermeerische Vulkanaktivität in diesem Seegebiet.

Für die Physiker stand die Erforschung des Wasser- und Eisaustausches zwischen Arktis und Atlantik auf dem Programm des letzten Fahrtabschnitts: Warmes Wasser strömt aus dem Atlantik an Spitzbergen vorbei nach Norden, und östlich von Grönland fließt kaltes Wasser gen Süden. Zwei Fragen standen auf der jetzt zu Ende gehenden Reise im Mittelpunkt: Wie intensiv sind Wasseraustausch und Wärmetransport, und wie gelangt kaltes Bodenwasser vom flachen Schelfmeer in die Tiefsee?

In der Framstraße verankerte Meßgeräte haben zwei Jahre lang die Wasserströmungen gemessen. Mit diesen Daten kann jetzt berechnet werden, wieviel Wärme die Meeresströmung westlich von Spitzbergen tatsächlich in die Arktis pumpt. In diesem Jahr war das aus dem Atlantik einfließende Wasser erstaunlich warm und die Eisgrenze lag weit im Norden. Die Wissenschaftler vermuten jetzt, daß das gesamte System der atmosphärischen Zirkulation, der ozeanischen Zirkulation in der Arktis und im Nordatlantik und die Eisbedeckung gemeinsamen Schwankungen unterworfen ist.

Für das Absinken von kaltem Wasser in große Tiefen gibt es je nach Meeresgebiet unterschiedliche Mechanismen. In polaren Meeren steht am Anfang dieses Prozesses die Eisbildung, bei der das Salz im Wasser zurückbleibt. Wird das Wasser durch die Salzanreicherung und die niedrige Temperatur spezifisch immer schwerer, fließt es den Kontinentalabhang hinab und sorgt damit für eine "Belüftung" der Tiefsee. Dieser Vorgang wurde schon Anfang des Jahrhunderts von dem norwegischen Polarforscher Frithjof Nansen postuliert, beobachtet hat den Vorgang bisher jedoch kaum jemand. AWI-Wissenschaftler schließen jetzt diese Lücke, indem sie südlich von Spitzbergen verankerte Meßgeräte bargen, die kontinuierlich Strömung, Salzgehalt und Temperatur über dem Meeresboden gemessen haben.

Die physikalischen Arbeiten sind Teil eines Langzeitprojektes, das in die Arctic Climate System Study des World Climate Research Programm der UNESCO eingebunden ist und von der Europäischen Union im Rahmen des VEINS-Projekts (Variability of Exchanges in the Northern Seas) mitfinanziert wird. Außerdem leisten die Arbeiten einen Beitrag zum Tiefseeforschungs-Projekt ARKTIEF des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Begonnen hatte die diesjährige Arktisreise der Polarstern mit einer deutsch-französischen Expedition, auf der AWI-Wissenschaftler in enger Zusammenarbeit mit französischen Kollegen erfolgreich das ferngesteuerte Tiefseefahrzeug Victor 6000 einsetzten. Die Polarstern wird vom 14. Oktober bis zum 14. Dezember 1999 für die zweite Etappe einer Generalüberholung in der Lloydwerft, Bremerhaven liegen. Am 15. Dezember 1999 legt der Forschungseisbrecher wieder mit Kurs Antarktis ab.

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