Direkt zum Inhalt

News: Starke Säure mit sanftem Gemüt

Wissenschaftlern ist es gelungen, die zu einem bestimmten Carborananion gehörende Säure herzustellen. Bei deren Eigenschaften geraten Chemiker ins Schwärmen. So gehört sie zu den stärksten Säuren, die Forscher je herstellen konnten. Anders als die meisten ihrer Art ist sie aber nicht korrodierend. Selbst die empfindlichen Fullerene lassen sich damit protonieren.
Schon vor dreißig Jahren kamen Chemiker zu dem Schluss, dass ein bestimmtes Molekül aus der Gruppe der Carbaborane oder Carborane eine ganz hervorragende Säure abgeben würde. Eigentlich mussten sie dafür dem negativ geladenen Ion CB11H6X6- (wobei X entweder für Chlor oder Brom steht) nur ein Proton anhängen. Allerdings war das leichter gesagt als getan, denn die Verbindung war einfach nicht stabil: In jedem Lösungsmittel spaltete sich das Proton sofort ab.

Die Arbeitsgruppe um Christopher Reed von der University of California in Riverside versuchte ihr Glück daher im Trockenen. Und so gelang es ihr tatsächlich, das Molekül dazu zu bringen, das Proton zu behalten. Wie erwartet war die Säure etwa um eine Million Mal stärker als Schwefelsäure, welche die klassische Trennlinie zwischen Säuren und Supersäuren markiert.

Supersäuren zeichnen sich meistens dadurch aus, dass sie sehr stark korrodierend wirken. Das heißt, es genügt ihnen nicht, ein Proton an ein anderes Molekül abzugeben, sondern sie reißen es danach auch noch auseinander. Das Carboran wird dagegen äußerst reaktionsträge, sobald es deprotoniert ist. Reed und seine Mitarbeiter zeigten dies anhand von Fullerenen, die sie mit Hilfe der neuen Säure ionisierten. Bisher hatte noch jeder Versuch, die anorganischen Fußbälle zu protonieren, die Moleküle zerstört. Mit der Carboransäure jedoch gelang es den Wissenschaftlern, aus dem Magenta-farbenen Pulver ein dunkelrotes Salz herzustellen (Science vom 7. Juli 2000).

Auch andere Chemiker halten die neue Säure für eine wahrscheinlich recht nützliche Substanz. "Im Großen und Ganzen betrachtet bedeutet es, dass [Reed] nun alles protonieren kann", erklärt Yves Rubin von der University of California in Los Angeles. Zum Beispiel könnte man die Carboransäure in der Erdölindustrie einsetzen, um den Oktangehalt des Öls weiter zu verbessern. Für diesen Prozess müssen bisher starke Säuren eingesetzt werden, die aber korrodierend wirken. In der Forschung könnte die Verbindung beispielsweise dazu beitragen, kurzlebige Zwischenprodukte von chemischen Reaktionen zu stabilisieren und so eine Momentaufnahme des ganzen Vorgangs zu ermöglichen. Dementsprechend euphorisch äußert sich Rubin über die Zukunft der Carboransäure: "Ich denke, sie wird zum Standard der nichtreaktiven Säuren werden."

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.